• 26.07.2017
  • Story
Pflegeexperten APN in der Praxis

"Das Bestmögliche für den Patienten herausholen"

Die Schwester Der Pfleger

Ausgabe 3/2017

Seite 40

Im Ausland sind sogenannte Advanced Practice Nurses (APN) seit vielen Jahren fest etabliert. Doch auch in Deutschland tragen Pflegeexperten APN, wie die akademisch qualifizierten Pflegefachpersonen hierzulande genannt werden, zunehmend zu einer optimierten Patientenversorgung bei. Dies zeigen folgende drei Praxisbeispiele.

Hannelore Schmidt* wurde Mitte Dezember 2016 im Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe in Berlin aufgenommen. Die Patientin hatte mehrere Schlaganfälle erlitten und wies eine ausgeprägte Schluckstörung auf. Um eine Mangelernährung zu vermeiden, hatte Frau Müller einige Monate zuvor eine PEG-Sonde erhalten. Über diese wurde flüssige Kost zur Nahrungsergänzung verabreicht. Dies geschah bei Bedarf über Bolusgaben.

Als APN auf Ernährung spezialisiert

 Als Frau Schmidt auf der geriatrischen Station aufgenommen wurde, führte eine Pflegefachperson standardmäßig ein Ernährungsscreening durch. Zum Einsatz kam das Instrument Nutritional Risk Screening, das eine hohe Punktzahl ergab.

Aus diesem Grund wurde Clemens Rabes in den Versorgungsprozess einbezogen. Der 34-jährige Gesundheits- und Krankenpfleger sowie Absolvent des Master-Studiengangs „Advanced Nursing Practice“ an der Ernst-Abbe-Hochschule Jena ist seit zwei Jahren als „Klinisch tätiger Pflegeexperte APN“ am Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe tätig. In dieser Funktion kümmert er sich vorrangig um die Themen Ernährung und Stoffwechsel: Sobald ein Patient hier gesundheitliche Probleme aufweist, wird Clemens Rabes von seinen pflegerischen Kollegen in den Versorgungsprozess eingebunden. Eine Win-Win-Situation sowohl für die Pflegefachpersonen als auch für den Patienten: Die Mitarbeiter werden fachlich entlastet, und der Patient profitiert von der hohen Expertise des klinisch tätigen Pflegeexperten APN.

Clemens Rabes führte bei Frau Schmidt zusätzlich das Assessment-Instrument PEMU (Pflegerische Erfassung von Mangelernährung und deren Ursachen in der stationären Langzeit-/Altenpflege) durch. Auch dieses ergab einen auffälligen Befund, sodass der Pflegeexperte APN die Werte für Albumin und Protein bestimmen ließ. „Alles wies auf eine drohende Mangelernährung hin“, erläutert Clemens Rabes. „Also erstellte ich einen individuellen Behandlungs- und Ernährungsplan für die Patientin. Dies geschah unter Einbeziehung aller relevanten Berufsgruppen.“ Im Vordergrund stand die Zielvereinbarung mit der Patientin, das eigene Gewicht während des stationären Aufenthaltes zu halten. „Ich errechnete den Tagesgrundumsatz anhand der Harris-Benedict-Formel und passte die Therapie dahingehend an“, so Clemens Rabes.

Frau Schmidt und ihr Ehemann erhielten eine ausführliche Beratung zu Möglichkeiten der oralen Ernährung bei Schluckstörungen und Zusatznahrung sowie Informationsmaterial, auch bezüglich der Verordnungsfähigkeit von Zusatznahrung im häuslichen Bereich. „Der Wunsch der Patientin und der Familie war, dass sie bald nicht mehr an die PEG gebunden ist“, sagt Clemens Rabes. „Schnell wurde in meinen Rekonsilen deutlich, dass die Patientin gut mit den kleinen Mengen der angebotenen Zusatzkost zurechtkam. Zusätzlich verbesserte sich der Schluckvorgang bei zunehmend stabilem Gewicht. Trotz der Verbesserung des Allgemeinzustandes konnte die Patientin nicht auf die Bolusgaben über die PEG verzichten, da sonst ihre Tagesenergiemenge nicht erreicht wurde.“

APN bringt Pflege in Deutschland nach vorne

Clemens Rabes leistet für die Pflege in Deutschland echte Pionierarbeit, denn Advanced Practice Nurses, kurz APN, sind hierzulande noch selten. Im Ausland ist das anders. Ob in kommunalen Health Care Teams, mobilen Kliniken oder anderswo: APN sind in vielen Ländern seit langem etabliert. Sie arbeiten im ambulanten Bereich oder der stationären Gesundheitsversorgung, beraten zur Bewältigung von akuten und chronischen Krankheitsbildern, aber auch zur Gesundheitsförderung und Prävention. Besonders wichtig sind sie in der Primärversorgung in ländlichen und strukturschwachen Regionen, zum Beispiel in Finnland und Kanada, aber auch USA und Australien. Häufig sind sie erste Ansprechpartner für alle Fragen rund um Krankheiten und Gesundheit und fungieren als Lotse zum Haus- oder Facharzt, in die weitere stationäre oder ambulante Versorgung. Advanced Nursing Practice (übersetzt: erweiterte Pflegepraxis, kurz ANP) ist ein Überbegriff für alle Maßnahmen zur Einführung einer erweiterten und vertieften Pflegepraxis. Wichtiger Baustein dabei ist die Verankerung von sogenannten Nurse Practitioner, die international auch als Advanced Practice Nurses (APN) oder in Deutschland seit einigen Jahren als Pflegeexperten APN bezeichnet werden.

Das Beispiel von Clemens Rabes beweist, dass das Konzept auch in Deutschland funktioniert und die Pflege nach vorne bringt. Der Mittdreißiger hat sich ganz bewusst für die erweiterte Pflegepraxis entschieden. „Mir war klar, dass ich trotz eines akademischen Abschlusses weiter praktisch am Patienten tätig sein wollte“, sagt Clemens Rabes. „Daher entschied ich mich, erst ein Bachelor- und dann ein Masterstudium mit der Spezialisierung in ANP zu absolvieren.“ ANP ist für Clemens Rabes „die einzige logische Variante“, um Pflegewissenschaft direkt in das Patientenumfeld zu bringen und so die Patientenversorgung zu optimieren.

„Der direkte Patientenkontakt ist mir sehr wichtig“

Dieselbe Überzeugung hat Manuela Zsidek aus dem Universitätsklinikum Bonn. „Mein Ziel ist es, durch hohe Pflegefachlichkeit und umfassendes Wissen das Bestmögliche für den Patienten herauszuholen“, sagt die 33-jährige Gesundheits- und Krankenpflegerin. „Der direkte Patientenkontakt ist dabei für die Qualität meiner Arbeit von zentraler Bedeutung.“

Manuela Zsidek hat nach einer sechsjährigen Tätigkeit in der neurologischen Rehabilitation an der Hochschule Krems in Österreich den Master-Studiengang „Advanced Nursing Practice“ absolviert. Während ihres Studiums hat sie sich auf das Krankheitsbild des Delirs und die neurologische Fachpflege spezialisiert. Heute ist die Pflegeexpertin APN auf der Stroke Unit mit acht Betten und auf der neurologischen Allgemeinstation mit zehn Betten eingesetzt – Arbeitsbereiche, die zur Fachkompetenz der jungen Frau optimal passen.

„Ich bin in meinen Abteilungen in die tägliche Routine über alle Schichten fest eingebunden“, beschreibt Manuela Zsidek ihre Tätigkeit am Universitätsklinikum Bonn. „Zu meinem Arbeitsalltag gehört die pflegerische Versorgung von Patienten, beispielsweise nach einem Insult oder einer Hirnblutung, die vorher auf der neurologischen Intensivstation betreut wurden. Mein besonderes Augenmerk liegt primär auf den kritischen und komplexen Fällen.“

Manuela Zsidek ist an drei bis vier Tagen im Monat für organisatorische und wissenschaftliche Tätigkeiten von der praktischen Pflege freigestellt. In dieser Zeit arbeitet sie an Konzepten, sichtet Literatur, konzeptioniert Mitarbeiterschulungen und führt Bedarfserhebungen durch. Die Pflegeexpertin APN soll so dazu beitragen, dass sich die Pflege am Großkrankenhaus in der ehemaligen Bundeshauptstadt professionell weiterentwickelt. Eine enge Absprache mit allen Beteiligten – Pflegedirektor, Abteilungsleitungen, Ärzten und Pflegenden – ist hierbei essentiell, um alle mit ins Boot zu holen.

Für Manuela Zsidek stellt es eine Entlastung dar, dass sie als Pionierin am Universitätsklinikum Bonn nicht allein ist. Neben ihr sind noch weitere Pflegeexperten APN beschäftigt, die den Schwerpunkt Palliative Care und komplexen Angehörigenberatung innehaben. „Für mich ist dies der richtige Weg, um das international bewährte Konzept des ANP und der damit verbundenen dualen Führung von Management und Pflegefachlichkeit in Deutschland voranzubringen. Universitätskliniken mit ihrer Ausrichtung auf Forschung, Lehre und Patientenversorgung bieten hierfür ein ideales Umfeld.“

Ziel ist bestmögliche Patientenversorgung

Ein optimierter Behandlungsprozess auf der Basis hoher Fachexpertise – dies ist auch das Credo von Andrea Müller, die als Fachgesundheits- und Krankenpflegerin, Diabetesberaterin DDG und Absolventin des Master-Studiengangs „Diabetes- und Gesundheitswissenschaft“ am Diabetes-Kompetenz-Zentrum des Klinikums Fürth tätig ist. Ziel der 46-Jährigen ist es, eine möglichst gute Versorgung für Patienten mit Diabetes mellitus zu gewährleisten und dazu beizutragen, dass deren Bewältigung der chronischen Erkrankung gelingt. „Meine wissenschaftliche Fundierung fokussiert auf die Bereiche Patientenedukation, Selbstmanagement-Unterstützung und Bewältigungsstrategien bei chronischen Erkrankungen“, sagt Andrea Müller.

Diabetesschulung in der Gruppe und Einzelberatung versteht die Pflegeexpertin APN als einen systematischen und zielorientierten Prozess. „Um ein möglichst unbelastetes Leben führen zu können, vermittelt diabetologisch qualifiziertes Fachpersonal Themen rund um die Erkrankung“, so Andrea Müller, die derzeit an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg promoviert. „All dies basiert auf dem Selbstmanagement- und Empowerment-Ansatz. Diabetesberater folgen in ihren Beratungen der humanistischen Psychologie und erarbeiten gemeinsam mit den Betroffenen Problemlösungsstrategien.“

Akademisch qualifiziertes Personal auf Bachelor- Niveau wendet zudem psychosoziale Beratungstechniken an, zum Beispiel auf Grundlage der Salutogenese mit Ressourcenorientierung. All dies trägt zu einem besseren Umgang mit dem Diabetes mellitus bei, so die Überzeugung der Pflegeexpertin APN. Andrea Müller bietet eine konstruktivistisch-systemische Beratung an, wie sie es nennt. Hierbei geht es darum, bei Menschen mit Diabetes mellitus den Kreislauf gestörter Interaktionen aufzubrechen und die Krankheitsbewältigung zu unterstützen. Andrea Müller: „Gerade bei chronischen Erkrankungen ist der Einsatz von Pflegexperten APN wesentlich – im Hinblick auf nachhaltige Verhaltensveränderungen und die Entwicklung von Bewältigungsstrategien. Am Ende zählt nur eins: dass der Patient von einer optimierten Gesundheitsversorgung maßgeblich profitiert.“

Download-Tipps

Der DBfK hat 2013 die dritte, aktualisierte Broschüre zum Thema Advanced Nursing Practice herausgegeben, die konkrete Empfehlungen für die Gestaltung des Einführungsprozesses einer erweiterten Pflegepraxis in deutschen Einrichtungen enthält. www.dbfk.de/media/docs/download/ Allgemein/Advanced-Nursing-Practice- Pflegerische-Expertise-2013–02.pdf

Eine Definition der Pflegeexperten APN, die von den deutschsprachigen Pflegeberufsverbänden erarbeitet wurde, steht als Download unter folgendem Link zur Verfügung: www.dbfk.de/media/docs/ download/DBfK-Positionen/ ANP-DBfK-OeGKV-SBK_2013.pdf

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