Dieser Review untersucht, ob Kurzzeitpflege die Belastung und den Stress von pflegenden Angehörigen verringern und die Zeit verlängern kann, die Personen mit Demenz zu Hause leben können. Das Fazit: Eindeutige Schlussfolgerungen zum Nutzen der Kurzzeitpflege sind derzeit nicht möglich.
Die Pflege von Menschen mit Demenz kann emotional und körperlich anspruchsvoll sein. Kurzzeitpflege beinhaltet Interventionen jeglicher Art, die Ruhepausen und Entlastung für pflegende Angehörige ermöglichen. Es ist jedoch nicht klar, welche positive oder negative Wirkung eine solche Pflege für sie oder für die Menschen mit Demenz hat.
Studienmerkmale: Vier Studien mit insgesamt 753 Teilnehmern wurden in diesen Review eingeschlossen. Drei Studien verglichen Kurzzeitpflege mit keiner Kurzzeitpflege, und eine Studie verglich Kurzzeitpflege mit der Polaritätstherapie, eine Form der Berührungstherapie. Alle Studien schlossen Menschen mit Demenz und ihre pflegenden Angehörigen ein. Es war nicht möglich die Ergebnisse der Studien zu poolen, weil nur sehr wenige Studien vorlagen und die Messung der Endpunkte auf unterschiedliche Weise durchgeführt wurde. Alle Studien berichteten Endpunkte für die Pflegenden, aber nur eine Studie berichtete Endpunkte für die Menschen mit Demenz.
Hauptergebnisse: Die drei Studien, die Kurzzeitpflege mit keiner Kurzzeitpflege verglichen, konnten keine Evidenz für einen Nutzen von Kurzzeitpflege für Menschen mit Demenz oder ihre pflegenden Angehörigen finden. Die Rate der Heimeinweisungen und die Belastung der pflegenden Angehörigen wurden nicht verbessert. Die Studie, die Kurzzeitpflege mit Polaritätstherapie verglich, fand, dass Polaritätstherapie den wahrgenommenen Stress der pflegenden Angehörigen reduzierte. Allerdings zeigten sich keine Unterschiede zwischen Polaritätstherapie und Kurzzeitpflege für andere Maße von psychischer Gesundheit und andere Endpunkte bezüglich der pflegenden Angehörigen.
Qualität der Evidenz: Eine Reihe von methodischen Problemen wurde in den verfügbaren Studien identifiziert. Eine Studie berichtete keine analysierbaren Daten, die verbleibenden drei Studien waren sehr klein und hatten nur eine sehr kurze Studiendauer. Weitere methodisch aussagekräftige Studien sind nötig, bevor eindeutige Schlussfolgerungen gezogen werden können.
Quelle: Maayan N, Soares-Weiser K, Lee H. Respite care for people with dementia and their cares. Cochrane Database of Systematic Reviews 2014, Issue 1. Art. No.: CD004396. DOI: 10.1002/14651858.CD004396.pub3
Übersetzung: Dr. Ralph Möhler, Denny Paulicke
Kommentar: Klare Aussagen derzeit nicht möglich
Pflege von Menschen mit Demenz im häuslichen Umfeld stellt für Angehörige eine große Herausforderung dar. Die krankheitsbedingten Veränderungen des pflegebedürftigen Menschen, insbesondere die häufig auftretenden Verhaltenssymptome, führen zur emotionalen und körperlichen Belastung der Familienmitglieder (Chiao et al. 2016, DEGAM 2005). Pflegende Angehörige haben somit ein erhöhtes Risiko, körperliche und psychische Erkrankungen zu entwickeln und weisen häufig eine reduzierte Lebensqualität auf (Bruce et al. 2005). Angebote, die zur Entlastung und Erholung für pflegende Angehörige führen, sind daher von großer Bedeutung.
Die Autoren der Übersichtsarbeit (Maayan et al. 2014) verglichen in diesem Zusammenhang die möglichen Effekte von Kurzzeitpflege mit der herkömmlichen Versorgung zu Hause – sowohl in Bezug auf Effekte bei den pflegenden Angehörigen als auch bei den Demenzerkrankten selbst. Aufgrund der geringen Zahl und methodischen Mängel der betrachteten Studien sind jedoch keine eindeutigen Aussagen dazu möglich, inwieweit mit Kurzzeitpflege positive Auswirkungen für Angehörige und Menschen mit Demenz zu erreichen sind.
Im Unterschied dazu fanden die Autoren einer aktuellen systematischen Übersichtsarbeit Hinweise darauf, dass Kurzzeitpflege zu geringeren Belastungen bei Angehörigen und zu weniger Verhaltensauffälligkeiten bei Menschen mit Demenz führen kann. Allerdings gab es auch Hinweise auf unerwünschte Effekte, etwa dass die Kurzzeitpflege einen früheren Pflegeheimeinzug begünstigt (Vandenpitte et al. 2016).
Die unterschiedlichen Ergebnisse der beiden Reviews hängen mit der unterschiedlichen methodischen Herangehensweise zusammen. Während die Arbeit von Maayan et al. (2014) den strengen methodischen Vorgaben der Cochrane Collaboration folgt, betrachteten Vandenpitte et al. (2016) auch Untersuchungen mit weniger aussagekräftigen Studiendesigns. Außerdem zeigten sich auch hier methodische Limitierungen der eingeschlossenen Studien; die Autoren fanden keine neueren methodisch aussagekräftigen Studien. Daher können auch aus der Arbeit von Vandenpitte et al. (2016) keine eindeutigen Empfehlungen für die tägliche Versorgungspraxis abgeleitet werden.
Die kürzlich veröffentlichte Demenz-Leitlinie beinhaltet eine abgeschwächte Empfehlung für strukturierte Angebote wie Angehörigengruppen zur Entlastung von pflegenden Angehörigen (Deutschl et al. 2016). Solche Angebote können Angehörigen wichtige Informationen über die Erkrankung, deren Folgen und den Umgang damit vermitteln sowie Tipps zu Bewältigungsstrategien und Entlastungsmöglichkeiten geben. Auch verhaltenstherapeutische Beratung kann zur Bewältigung beitragen. Die abgeschwächte Empfehlung bedeutet aber, dass die Aussagekraft der zugrunde liegenden Studien begrenzt ist. Der Nutzen ist damit nicht eindeutig geklärt.
International wird zur Entlastung von pflegenden Angehörigen geforscht, sodass in den kommenden Jahren aussagekräftigere Erkenntnisse zu erwarten sind.
Chiao CY, Wu HS, Hsiao CY. Caregiver burden for informal caregivers of patients with dementia: A systematic review. Int Nurs Rev 2015; 62: 340–50
Bruce DG, Paley GA, Nichols P et al.: Physical disability contributes to caregiver stress in dementia caregivers. J Gerontol A Biol Sci Med Sci 2005; 60: 345–349
Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM). Leitlinie Nr. 6: Pflegende Angehörige. Düsseldorf: omikron publishing, 2005
Deutschl G, Maier W et al. S3-Leitlinie Demenz. 2016. In: Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN), Hrsg. Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. www.dgn.org/images/red_leitlinien/LL_2016/PDFs_Download/038013_LL_Demenzen_2016.pdf, Abruf: 20.7.2016
Vandepitte, S., Van Den Noortgate, N., Putman, K., Verhaeghe, S., Verdonck, C., Annemans, L. Effectiveness of respite care in supporting informal caregivers of persons with dementia: a systematic review. Int J Geriatr Psychatry 2016 (im Druck)
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