Blutdruck, Puls, Blutzucker und Temperatur zu erfassen, ist pflegerischer Alltag. Weniger häufig werden beispielsweise die Atmung, die Sauerstoffsättigung und die Augenreaktion beurteilt. Dabei liefern auch diese Vitalwerte wertvolle Hinweise auf die Situation des Patienten.
Herzinsuffizienz, koronare Herzkrankheit, Rhythmusstörungen, intrakranielle Verletzungen, Pneumonie, Hypertonie und COPD – dies sind die häufigsten Erkrankungen von Patienten im Krankenhaus. Viele dieser erkrankten Menschen befinden sich im fortgeschrittenen Lebensalter und sind multimorbide. Dies erfordert eine erhöhte Aufmerksamkeit bei der Krankenbeobachtung. Denn schon kleinste Veränderungen in den Vitalparametern können auf eine erheblicheVerschlechterung des Gesundheitszustands hinweisen, die drastische Folgen haben können.
Eine regelmäßige Kontrolle von Blutdruck, Puls, Temperatur und Atmung führt zu einem besseren Outcome (1). Doch auch die Kontrolle der Wachheit, des Blutzuckers, der Pupillenreaktion, des Zustands der Haut und der Flüssigkeitsbilanz sind wichtige klinische Parameter, die wertvolle Hinweise liefern und mit geringem Aufwand zu erheben sind.
Blutdruck: Der italienische Arzt Scipione Riva-Rocci entwickelte die nach ihm benannte pneumatische Armmanschette für ein Quecksilber-Blutdruckmessgerät. Das von ihm begründete Prinzip der Blutdruckmessung gilt heute immer noch als Standardverfahren für die Überwachung der Kreislaufsituation. Durch das Anlegen einer Blutdruckmanschette am Oberarm oder am Ober- beziehungsweise Unterschenkel wird der systolische und diastolische Blutdruckwert ermittelt.
Bei der manuellen Messung wird die Blutdruckmanschette unter gleichzeitiger Auskultation der Blutdrucktöne aufgepumpt. Sobald kein Ton mehr zu hören ist, wird die Manschette noch 15 bis 20 Millimeter Quecksilbersäule (mmHg) aufgeblasen und anschließend langsam der Druck abgelassen.
Der Blutdruck sollte initial möglichst an beiden Armen gemessen werden. Sollten die ermittelten Werte mehr als 15 mmHg voneinander abweichen, ist dies ein Zeichen für arteriosklerotische Veränderungen der Gefäße. Diese Patienten haben ein hohes Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden oder eine schwere kardiovaskuläre Erkrankung zu entwickeln (2).
Sollte kein diastolischer Wert messbar sein, kann über das Aufpumpen der Manschette und gleichzeitige Pulskontrolle zumindest der systolische Wert erfasst werden.
Für eine korrekte Messung wird die Blutdruckmanschette auf Herzhöhe angelegt. Der Patient sollte sich in einer ruhigen, gemütlichen Position befinden. Die Blutdruckmanschette sollte dem Armumfang des Patienten entsprechen und somit in verschiedenen Größen verfügbar sein. Die Standardmanschette ist zwölf bis 13 Zentimeter breit und für einen Oberarmumfang von 22 bis 32 Zentimeter geeignet. Kindermanschetten sind meistens fünf bis acht Zentimeter breit. Für adipöse Patienten sind Manschetten mit einer Breite von 15 bis 18 Zentimeter erhältlich.
Bei Patientinnen nach Brustentfernung, bei dialysepflichtigen Patienten mit Shunt sowie bei Paresen oder einer Verletzung am Arm wird auf den anderen Arm ausgewichen. Bei massiver Adipositas kann die Messung am Unterschenkel erfolgen, falls sie am Oberarm nicht möglich ist.
Die Blutdruckamplitude ist ein weiterer Wert, der beachtet werden sollte. Es handelt sich hierbei um die Differenz zwischen dem Spitzendruck der Systole und dem Minimaldruck am Ende der Diastole. Normalerweise liegt die Blutdruckamplitude zwischen 40 und 50 mmHg. Pathologische Ursachen für eine gesteigerte Blutdruckamplitude können eine Aorteninsuffizienz, ein peripherer Shunt oder die Verabreichung von Nitraten sein. Für eine verminderte Blutdruckamplitude ist ein gesteigerter peripherer Widerstand verantwortlich, wie er etwa bei der arteriellen Hypertonie auftritt.
Der Normwert des Blutdrucks liegt für den Erwachsenen bei 120 systolisch und 80 diastolisch. In der Pädiatrie richtet er sich nach dem Entwicklungsstand. Abweichungen von den Normwerten müssen aufgrund individueller Adaption nicht zwingend pathologisch sein.
Puls: Der Puls gibt Auskunft über die Funktion von Herz und Kreislauf, die Regelmäßigkeit des Herzschlags, das Füllvolumen der Gefäße und die Herzfrequenz. Um eine Aussage über den Herzrhythmus treffen zu können, ist eine Messung über eine Dauer von mindestens einer Minute notwendig. Die Pulsstärke ist jedoch schon ab dem Beginn des Pulstastens einschätzbar. Ein härterer Puls kann ein Zeichen für ein gut gefülltes Blutsystem sein, während ein weicher Puls auf ein Volumendefizit hindeuten kann.
Die Herzfrequenz gibt die Anzahl der Herzschläge pro Minute (beats per minute, BPM) an. Die Normwerte betragen bei einem Erwachsenen 60 bis 80 BPM, bei Kindern 80 bis 100 BPM, bei Kleinkindern 100 bis 120 BPM und bei Neugeborenen etwa 140 BPM. Der Wert ist neben dem Alter auch abhängig von Belastung und körperlicher Fitness.
Bei der Pulsmessung sollten Zeige-, Mittel- und Ringfinger verwendet werden. Die Messung sollte nicht mit dem Daumen erfolgen, da sonst häufig der eigene Puls ertastet wird. Mögliche Orte der Messung sind das Handgelenk unterhalb des Daumens – hier wird die Arteria radialis ertastet –, die Arteria carotis am Hals und die Leiste – hier wird die Arteria femoralis ertastet. Meist wird der Puls über 15 Sekunden gemessen. Die Frequenz wird mit vier multipliziert, um den Minutenwert zu errechnen.
Dieses Vorgehen ist jedoch nur bei einem regelmäßigen Rhythmus korrekt. Bei Arrhythmien muss die Pulsmessung über eine Dauer von einer Minute erfolgen, weil die tatsächliche Herzfrequenz deutlich vom hochgerechneten Wert abweichen kann.
Atmung: Die Atmung ist ein lebensnotwendiger Vorgang, bei dem Sauerstoff in den Körper aufgenommen wird und das Abfallprodukt Kohlenstoffdioxid abgeatmet wird. Die Normwerte sind beim Erwachsenen zwölf bis 15 Atemzüge pro Minute.
Als Hilfsmittel zur Atembeurteilung ist das Stethoskop geeignet. Es ermöglicht festzustellen, ob die Lunge gleichmäßig belüftet ist und ob pathologische Atemgeräusche vorliegen. Ein weiteres Hilfsmittel ist das Peak-Flow-Meter, mit dem schnell die Lungenfunktion des Patienten überprüft werden kann. Hierzu muss der Patient zunächst tief einatmen, anschließend das Peak-Flow-Meter zwischen die Lippen nehmen und so schnell und kräftig wie möglich ausatmen.
Häufigstes Symptom für Atemstörungen ist die subjektiv empfundene Atemnot, die sogenannte Dyspnoe. Um diese objektiv einschätzen zu können, kann die Borg-Skala (Abb. 1) hilfreich sein.

Die schwerste Form der Atemnot wird als Orthopnoe bezeichnet. Ein typisches Bild für dieses pathologische Krankheitsbild ist der aufrecht sitzende Patient, der verstärkt die Atemhilfsmuskulatur einsetzt und nach Luft ringt.
Die über den Bedarf gesteigerte Lungenbelüftung – die sogenannte Hyperventilation – wird oft durch Stressfaktoren hervorgerufen. Im Gegensatz dazu ist das gegenteilige Phänomen der Hypoventilation meist auf eine Beeinträchtigung des Atemzentrums zurückzuführen.
Eine überhöhte Atemfrequenz, die Tachypnoe, tritt physiologisch bei körperlicher Anstrengung auf. Die verlangsamte Atemfrequenz, die Bradypnoe, tritt während des Schlafs auf oder wird durch Medikamente ausgelöst, etwa durch Opioide.
Sauerstoffsättigung: Die Sauerstoffsättigung gibt den prozentualen Sauerstoffgehalt im Blut an. Ebenso gibt dieser Parameter Informationen über die Sauerstoffaufnahme, die Durchblutung und die Lungenfunktion.
Der Normbereich liegt bei 96 bis 100 Prozent. Die Messung erfolgt in der Regel über einen Pulsoxymeter-Clip an Finger, Zeh oder Ohr. Mithilfe eines Infrarotlichts wird die Absorption des Lichts am Hämoglobin gemessen. Die Lichtabsorption hängt von dem Sättigungsgrad des Hämoglobins ab. Falsch-hohe Messungen können aufgrund von Kohlenmonoxid- oder Zyanid-Intoxikation entstehen. Falsch-niedrige Messungen sind auf dunkle Nagellacke (nicht rot), Zentralisation oder Unterkühlung zurückzuführen. Bei niedrigen Hämoglobinwerten im Blut kann die Sauerstoffsättigung im Normbereich liegen, obwohl durch die Anämie kein ausreichendes Sauerstoffangebot besteht.
Vigilanz: Unter Vigilanz wird die Wachheit, die Konzentrationsfähigkeit, das Bewusstsein sowie die zeitliche, örtliche und situative Orientierung verstanden. Die Vigilanz kann aufgrund von verschiedenen Faktoren beeinflusst werden, wie Medikamente, mangelnder Schlaf oder neurologische Erkrankungen. Mit der Glasgow-Koma-Skala (GCS, Abb. 2) kann das Bewusstsein in Schweregrade eingestuft werden. Überprüft werden hierbei die beste verbale Antwort sowie das Öffnen der Augen und die motorische Reaktion.

Je niedriger der nummerische Wert des GCS, desto ausgeprägter ist das neurologische Defizit des Patienten. Die Vigilanzstadien werden unterteilt in Somnolenz, Sopor und Koma.
Temperatur: Die normale Körperkerntemperatur eines gesunden Erwachsenen beträgt 37 Grad Celsius, wobei Tagesschwankungen um 0,5 Grad Celsius physiologisch sind.
Typische Symptome eines Temperaturanstiegs sind stark erwärmte Haut, Schüttelfrost, Schweißbildung, glasige Augen, allgemeines Unwohlsein, Verwirrtheit, Muskelkrämpfe, Müdigkeit und Appetitlosigkeit. Einflussfaktoren auf die Temperatur sind zum Beispiel Außentemperatur, Durchblutungsstörungen, Schwitzen, Fieber, Schwangerschaft und Infektionen.
Um die Temperatur zu ermitteln, hat sich eine Temperaturkontrolle im Gehörgang etabliert, die mindestens einmal pro Schicht durchgeführt wird. Aufgrund von Verschmutzung und Verstopfung des Gehörgangs, oberflächliches Einführen des Geräts und Beschädigung des Geräts kann die Messung fehlerhaft sein. Die gemessene Temperatur kann von der Körperkerntemperatur um bis zu 0,5 Grad Celsius abweichen. Die Häufigkeit der Messung sollte der Fieberhöhe und dem Zustand des Patienten angepasst werden.
Weitere mögliche Messorte sind die Achseln (axiliar), die Leisten (inguinal), unter der Zunge (sublingual), im Mastdarm (rektal) und die an der Wange liegende Zahnfläche (bukkal).
Blutzucker: Unter Blutzucker wird die Glukosekonzentration im Blut verstanden. Insbesondere das Gehirn ist auf einen stabilen Glukosespiegel angewiesen. Auffälligkeiten bei der Vigilanz können daher ein Zeichen für eine Blutzuckerentgleisung sein. In Abhängigkeit vom Zeitpunkt der Messung werden folgende Blutzuckerwerte unterschieden:
- Beim Nüchternblutzucker erfolgt die Blutentnahme morgens vor der ersten Nahrungsaufnahme.
- Beim präprandialen Blutzucker erfolgt die Blutentnahme vor einer beliebigen Mahlzeit.
- Beim postprandialen Blutzucker erfolgt die Blutentnahme nach einer beliebigen Mahlzeit.
Der Blutzucker kann bei Diabetes mellitus, beim Cushing-Syndrom – infolge einer lang anhaltenden, übermäßigen Produktion des Stresshormons Cortisol – und in der akuten Krankheitsphase erhöht sein. Dagegen kann der Blutzucker bei Nebenniereninsuffizienz, Malignomen, und Hepatitis erniedrigt sein. Die Normwerte sind Abbildung 3 zu entnehmen.

Eine korrekte Blutzuckerkontrolle kann kapillar oder venös erfolgen. Damit die Ergebnisse vergleichbar sind, ist es wichtig, sich auf eine Art der Blutgewinnung festzulegen. Mit einer Sicherheitslanzette – oder Stichlanzette, wobei diese aus arbeitssicherheitstechnischer Sicht mittlerweile aus den Kliniken verschwunden sein sollte – wird die Fingerbeere oder das Ohrläppchen seitlich punktiert, nachdem eine Hautdesinfektion stattfand. Der erste Bluttropfen wird, um einen möglichst korrekten Messwert zu generieren, nicht verwendet. Wird auf die Desinfektion der Fingerbeere verzichtet, ist es nicht notwendig, den ersten Blutstropfen zu verwerfen.
Bilanzierung des Flüssigkeitshaushalts: Die Flüssigkeitsbilanz dient der Sicherstellung einer ausgeglichenen Ein- und Ausfuhr. Zur genauen Erfassung der oralen Einfuhr dienen skalierte Trinkbehälter, zur optimalen Ausfuhrkontrolle sollten Blasendauerkatheter mit Urometer zum Einsatz kommen.
Ziel der Bilanzierung ist neben der Ein- und Ausfuhrkontrolle, Informationen über die Leistungsfähigkeit der Niere zu erhalten. Dazu ist eine Stundenurinmessung notwendig. In Situationen, in denen die Anlage eines Dauerkatheters nicht möglich ist, können Urinflasche oder Steckbecken benutzt werden. Hierbei muss die abgeführte Menge gemessen und dokumentiert werden.
Von einer positiven Flüssigkeitsbilanz spricht man, wenn dem Körper mehr Flüssigkeit zugeführt wird, als er ausscheidet. Bei einer nega-tiven Flüssigkeitsbilanz scheidet der Körper mehr Flüssigkeit aus, als ihm zugeführt wird. Typische Krankheitsbilder, bei denen eine Bilanzierung notwendig ist, sind zum Beispiel Nieren- und/oder Herzerkrankungen. Bei fiebrigen Patienten erhöht sich der Flüssigkeitsbedarf pro Grad Temperaturerhöhung um etwa 500 Milliliter pro 24 Stunden.
Haut: Die Haut ist das größte Organ des Menschen und liefert viele Informationen über den Körper- und Gesundheitszustand. Die Haut des Patienten sollte hierzu genau betrachtet und abgetastet werden. Schon der Spannungszustand – der sogenannte Hautturgor – sagt schon viel über den Flüssigkeitshaushalt und die Herzfunktion des Patienten aus.
Das Bilden einer Hautfalte am Handrücken mit verminderter Rückbildungsrate kann Zeichen einer Exsikkose sein. Durch das Eindrücken der Haut, etwa an den Unterschenkeln, können Ödeme nachgewiesen werden. Folgende Merkmale sind bei der Beurteilung des Hautzustands wichtig:
- Blässe kann auf Anämie, Schock, Kälte oder Blutzirkulationsstörungen hinweisen.
- Rötung kann Zeichen von Fieber oder Hypertonie sein.
- Eine Gelbverfärbung kann aufgrund von Niereninsuffizienz oder Ikterus entstehen.
Augen: Bei der Krankenbeobachtung spielen auch die Augen des Patienten eine wichtige Rolle. Ob die Pupille adäquat auf einfallendes Licht reagiert, kann mithilfe einer Pupillenleuchte getestet werden, die in das Auge leuchtet. Entrundete, lichtstarre oder ungewöhnlich weit- oder enggestellte Pupillen haben meist einen pathologischen Hintergrund.
Aufgrund von Medikamenten kann die Weit- oder Engstellung der Pupillen ebenso beeinflusst werden. Auf Opiate, Sympatholytika und Parasympathomimetika reagieren die Pupillen durch die parasympathische Wirkung mit einer Engstellung. Amphetamine, Halluzinogene und Anticholinergika wirken sympathisch, wodurch sich die Pupillen weit stellen.
Die Farbe des Augapfels kann aufgrund von Lebererkrankung gelblich oder durch Entzündungen rötlich verfärbt sein.
Wichtig für Patientensicherheit
Bei Kontrollen der Vitalparameter ist zu beachten, dass sie korrekt durchgeführt werden. Es muss immer auch die Krankenbeobachtung in die Beurteilung der Parameter einfließen. Auch ist daran zu denken, dass Abweichungen oder Auffälligkeiten bei einem gemessenen oder untersuchten Wert immer auch Veränderungen anderer Parameter nach sich ziehen. So zeigt die stehende Hautfalte eine Exsikkose an, die von einer Tachykardie, Hypotonie, Vigilanzminderung, Tachypnoe und Oligurie begleitet werden kann. Eine solche Situation wird weiter eskalieren, wenn nicht zeitnah darauf reagiert wird.
Das korrekte Erfassen der Vitalparameter ist daher viel mehr, als Blutdruck und Puls messen und die ermittelten Werte in die Dokumentation einzutragen. Vielmehr ist ein hohes Maß an fachlicher Kompetenz notwendig, um die Werte richtig zu deuten. Eine fachlich korrekte Vitalparameterkontrolle ist wichtig für die Patientensicherheit.
Hinweis: Dieser Beitrag entstand in Zusammenarbeit mit Auszubildenden zu Anästhesietechnischen Assistenten und Intensivpflegekräften der San-ak GmbH Schule für Gesundheitsberufe in München.