Heute gilt die Händedesinfektion zweifellos als wichtigste Maßnahme zum Schutz vor Infektionen. Doch bis zu dieser Erkenntnis war es ein langer Weg. Er führte vom Händewaschen mit Chlorkalkwasser über die Entwicklung alkoholischer Einreibepräparate bis hin zum WHO-Modell „5 Momente der Händehygiene“.
Im Jahre 1847 in der Wiener Geburtsklinik: Der deutsch-ungarische Arzt Ignaz Semmelweis beobachtet Kollegen, wie sie unmittelbar nach Autopsien mit unsauberen Händen Geburtshilfe leisten. Viele der Mütter sterben an Kindbettfieber. Und obgleich Semmelweis noch nicht weiß, dass Krankheiten durch Mikroorganismen übertragen werden, ist für ihn schnell klar: Es besteht ein Zusammenhang zwischen der Berührung der Leichenteile durch die Ärzte und der Sterblichkeit der Wöchnerinnen.
Um die Mütter zu schützen, erlässt Semmelweis eine bahnbrechende Verordnung: Zutritt zur Gebärabteilung erhält nur, wer sich zuvor mit einer 4-prozentigen Chlorkalk-Lösung die Hände gewaschen hat. Der Erfolg gibt ihm recht: Bereits wenige Monate nach Einführung dieses sogenannten Semmelweis-Verfahrens sinkt die Müttersterblichkeit von rund 18 Prozent im April 1847 auf knapp drei Prozent im Dezember desselben Jahres (1).
Seine Theorie, dass die Krankheitsübertragung durch die zersetzten organischen Stoffe an den Händen der Ärzte erfolgt, konnte Semmelweis zum damaligen Zeitpunkt jedoch noch nicht konkret belegen. Geschlossen wurde diese Lücke in den 1870er-Jahren durch den Mediziner Robert Koch. Er wies durch seine Entdeckung von Milzbrandsporen als erster den Zusammenhang eines Mikroorganismus als Ursache einer Infektionskrankheit nach.
Schritt für Schritt mehr Hygienesicherheit
Einen weiteren Einschnitt in der Geschichte der Händehygiene bildet die – auch heute noch gültige – Unterscheidung zwischen hygienischer und chirurgischer Händedesinfektion. Eingeführt wurde diese Trennung im Jahr 1905 durch den Hygieniker Carl Flügge. Die hygienische Händedesinfektion eliminiert die transienten Erreger, die sich vor‧übergehend auf der Haut befinden. Die chirurgische Händedesinfektion führt demgegenüber auch zur weitgehenden Beseitigung der residenten Keime, die auf der Hornschicht leben.
Kennzeichnend für die chirurgische Händedesinfektion war in den nächsten Jahrzehnten eine minutenlange Prozedur, bestehend aus intensiver Händereinigung mit Seife und Bürste und anschließendem Einreiben mit hochprozentigem Alkohol. Dieses Verfahren strapazierte jedoch die Hautgesundheit. Die Folge: Die Hände der Chirurgen wurden oft rissig und spröde. Viele Operateure litten unter Handekzemen oder chronischen Hautentzündungen.
Für den jungen Assistenzarzt Peter Kalmár, später leitender Professor der Herzchirurgie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), gibt dies 1965 den Anstoß, sich an die Desinfektionsmittelspezialisten der Hamburger Bacillolfabrik Dr. Bode & Co zu wenden. Gemeinsam verfolgen sie das Ziel, ein Hände-Desinfektionsmittel zu entwickeln, das nicht nur schnell und sicher wirkt, sondern darüber hinaus auch noch gut hautverträglich ist. Eine anspruchsvolle Aufgabe. Nach umfangreichen Literaturrecherchen und zahlreichen Untersuchungen, entwickeln die Experten die Rezeptur für Sterillium – das weltweit erste marktfähige alkoholische Hände-Desinfektionsmittel. Im Hinblick auf die Hygienesicherheit bedeutet dies einen riesigen Fortschritt für Gesundheitseinrichtungen. Denn der hohe Alkoholgehalt der Einreibepräparate ermöglicht eine zuverlässige Wirksamkeit und die rückfettenden Substanzen sorgen für eine gute Hautverträglichkeit.
5 Momente für bessere Compliance
Inzwischen haben sich alkoholische Einreibepräparate weltweit als wirksamste und hautverträglichste Methode zur Händedesinfektion etabliert. Doch auch heute noch gibt es große Herausforderungen zu meistern: allen voran die unzureichende Compliance der Anwender. So zeigen Studien, dass durchschnittlich nur jede zweite Händedesinfektion, die erforderlich wäre, in der Praxis auch durchgeführt wird.
Um diesem Mangel entgegen‧zuwirken, startete die WHO unter dem Titel „Clean Care is Safer Care“ im Jahr 2005 eine weltweite Kampagne für mehr Patientensicherheit. Im Fokus steht dabei die Verbesserung der Compliance in der Händedesinfektion. Für dieses Ziel wurde das Konzept der „5 Momente der Händehygiene“ entwickelt. Das Modell fasst fünf Indikationsgruppen zusammen, in denen ein Risiko für eine Erregerübertragung besteht und daher eine Händedesinfektion erforderlich ist.
Die nationale Umsetzung der Kampagne in Deutschland, die „AKTION Saubere Hände“, konnte in ihren teilnehmenden Einrichtungen eine Compliance-Erhöhung, gemessen am Verbrauch von Hände-Desinfektionsmitteln, um rund 30 Prozent erreichen (2). Ein großer Erfolg und zugleich auch Ansporn, die Compliance in der Händedesinfektion stetig zu verbessern. Denn eines ist klar: Eine Händedesinfektion kann Leben retten, aber auch nur dann, wenn sie im richtigen Moment durchgeführt wird.
Praxistipp zur hygienischen Händedesinfektion
Die eigenverantwortliche Einreibemethode
- Zur hygienischen Händedesinfektion ausreichend Präparat in die trockene, hohle Hand (ca. 2 Hübe = 3 ml) geben und sorgfältig über die gesamte Einwirkzeit hinweg bis zu den Handgelenken einreiben und dabei alle Hautpartien erfassen.
- Hände über die gesamte Einwirkzeit feucht halten.
- Bei der Desinfektion gezielt die Fingerkuppen und Handflächen, insbesondere die Daumenpartien und Zwischenräume, behandeln.
Eine vergleichende Studie von Kampf et al. (3) zeigte, dass ein eigenverantwort‧liches Einreiben des Hände-Desinfektionsmittels weit bessere Benetzungsergebnisse erzielt als das bisher empfohlene, der europäischen Prüfmethode EN 1500 entlehnte, Verfahren in sechs Schritten. Auch die „AKTION Saubere Hände“ empfiehlt die eigenverantwortliche Einreibemethode.
Aktuelle Studien zur Compliance, Wirksamkeit und Hautverträglichkeit der alkoholischen Händedesinfektion unter www.bode-science-center.de
(1) Kampf G, Hrsg. (2002): Hände-Hygiene im Gesundheitswesen. Springer Verlag Berlin Heidelberg New York 2002
(2) Gastmeier P. (2010): Assoziation von Parametern zur Struktur- und Prozessqualität mit Ergebnis-Qualitäts-Parametern der KISS-Datenbanken (SPE-KISS), Abschlussbericht 2010. Nationales Referenzzentrum für Surveillance von nosokomialen Infektionen am Institut für Hygiene und Umweltmedizin Charité – Universitätsmedizin Berlin
(3) Kampf G, Reichel M, Feil Y, Eggerstedt S, Kaulfers PM (2008): Influence of the rub-in-technique on required time and hand cover-age in hygienic hand disinfection. BMC Infect Dis. 2008; 8: 14
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