Seit rund zehn Jahren besteht für Pflegende die Möglichkeit, sich zur Pain Nurse weiterzubilden. Das Berufsbild der pflegerischen Schmerzexperten hat sich seitdem zunehmend etabliert. Interessante Einblicke in die wichtige Tätigkeit von Pain Nurses gibt der folgende Erfahrungsbericht.
"Wir haben hier einen Patienten mit Periduralkatheter. Er kann seine Beine nicht mehr bewegen", ist über den Funk zu hören. Fast zeitgleich teilt eine Pflegeperson am Telefon mit: „Unser Patient hat starke Schmerzen, er schreit und hält es nicht mehr aus." Kurze Zeit später die nächste Mitteilung: „Das Bettlaken des Patienten mit Periduralkatheter ist ganz blutig, es kommt aus der Einstichstelle."
Situationen wie diese charakterisieren meinen Arbeitsalltag als Pain Nurse im Akutschmerzdienst des Krankenhauses Düren, einem Schwerpunktversorger in der Region zwischen Aachen und Köln mit knapp 500 Betten. Es ist ein abwechslungsreiches, herausforderndes und spannendes Arbeitsfeld, das ich im Folgenden näher vorstellen möchte.
Jeder Patient täglich visitiert
Der Arbeitsalltag beginnt morgens mit einer anästhesiologischen sowie einer schmerz- und physiotherapeutischen Übergabe. Hier erfahren wir – neben mir arbeitet ein weiterer pflegerischer Kollege im Akutschmerzdienst – die Geschehnisse der vergangenen zwölf Stunden und besprechen die Vorgehensweise bei komplizierten Schmerzpatienten. Dank unseres speziellen Softwareprogramms „Ilara©" können wir täglich eine neue Liste mit all unseren aktuell zu betreuenden Patienten ausdrucken und die jeweils letzte Visite auch noch einmal nachlesen. Dies ermöglicht uns eine einfache Strukturierung des Arbeitsalltags. Jeder Patient wird täglich mindestens einmal von uns visitiert. Hierbei werden folgende Prozeduren durchlaufen:
- Wir verschaffen uns einen differenzierten Eindruck vom aktuellen Verlauf der Gesundung. Wenn möglich soll der Patient seine Schmerzsituation selbst einschätzen. Hierbei benutzen wir momentan noch die Verbale Ratingskala, wobei im Verlauf des Jahres eine Umstellung auf die Numerische Ratingskala erfolgen wird. Wenn der Patient Schmerzen angibt, erfolgt eine Bolusinjektion über den jeweiligen Katheter. Hier wird nach einem festgelegten Schema vorgegangen. Bessert sich die Situation danach, erfolgt die Anpassung von der Konzentration oder Laufrate des Lokalanästhetikums. All das geschieht immer nach Rücksprache mit einem Anästhesisten.
- Der nächste Schritt ist die Sichtung der Punktionsstelle inklusive Verbandswechsel und täglichem Filterwechsel. Ein kompletter Systemwechsel wird, wie vom Robert Koch-Institut empfohlen, alle 72 Stunden durchgeführt. Der einfache Infusionsbeutelwechsel an den Pumpen kann auch von geschultem Personal auf den Stationen vorgenommen werden.
- Ein weiterer Schritt ist die Überprüfung des neurologischen Status des Patienten. Neu auftretende neurologische Veränderungen sollen damit sofort erkannt und behandelt werden können.
- Als wesentlichen Aspekt unserer Arbeit betrachten wir das Gespräch mit dem Patienten. Die Informationsweitergabe und Beratung, zum Beispiel hinsichtlich der Mobilisation oder Medikamenteneinnahme, stehen hier im Vordergrund.
Es ist uns sehr wichtig, Patienten nach Veränderungen in der Medikation oder nach Bolusinjektionen mindestens ein weiteres Mal am Tag zu visitieren. Das gibt sowohl uns als auch dem Betroffenen die Sicherheit, dass er nicht alleine gelassen wird. Ein weiterer Vorteil ist, dass weitere Feineinstellungen auch zu einem späteren Zeitpunkt noch möglich sind. Tritt im Laufe des Tages bei einem Patienten ein weiterer Interventionsbedarf auf, können wir stets über einen rund um die Uhr erreichbaren Dienstfunk kontaktiert werden. Dies bewirkt eine rasche Informationsweitergabe und ermöglicht, ohne Zeitverlust reagieren zu können.
Neu: Fachgruppe Pflegeexpert/in Schmerz im DBfK
Seit März 2014 gibt es die Fachgruppe Pflegeexpert/in Schmerz des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe (DBfK). Die Fachgruppe ist offen für alle interessierten Pflegeexpert/innen Schmerz, die Mitglied des DBfK sind bzw. es werden möchten. Voraussetzung für die Mitwirkung in der Fachgruppe ist, dass sie eine zertifizierte Weiterbildung der Deutschen Schmerzgesellschaft zum Thema Schmerz besucht haben und in diesem Bereich praktisch, lehrend oder forschend tätig sind. Kontakt: dbfk@dbfk.de
Bei der täglichen Visite können individuelle Absprachen mit dem Patienten getroffen werden. Damit ist sichergestellt, dass das jeweilige Katheterverfahren gut wirkt oder – falls es nicht wirkt – dass eine Neuanlage veranlasst wird. Nach Rücksprache mit den jeweiligen Patienten und behandelnden Ärzten planen wir gemeinsam, wann wir einen mindestens 24-stündigen Auslassversuch starten, bevor wir einen Katheter entfernen. Dies gibt den Betroffenen die Sicherheit, dass bei wieder auftretenden Schmerzen der Katheter erneut angeschlossen werden kann. Besteht nach 24 Stunden weiterhin ein individuell erträglicher Schmerz, und der Patient fühlt sich wohl, prüfen wir die jeweilige Antikoagulation und die aktuellen Laborwerte. Danach entscheiden wir, den Katheter zu entfernen oder Maßnahmen zur Verbesserung der eventuell von der Norm abweichenden Gerinnung vorzuschlagen. Eine zweimalige neurologische Kontrolle nach einer Katheterentfernung ist Pflicht – zunächst nach sechs bis neun, dann nach weiteren zwölf Stunden.
Unser Arbeitsalltag endet damit, dass der diensthabende Anästhesist eine Übergabe der Tagesgeschehnisse, eine aktuelle Liste der Patienten und den Funk erhält.
Rasante Entwicklungen
Der Akutschmerzdienst besteht seit 2007 und hat sich seitdem rasant weiterentwickelt. Aufgebaut wurde er von einer Anästhesiepflegeperson, die mit einer halben Stelle in der Schmerztherapie tätig war, und einem anästhesiologischen Oberarzt, der die hausinterne Schmerzambulanz mitbetreute. Der erste Meilenstein wurde gelegt, als 2011 eine Vollzeitstelle für die erste Pain Nurse geschaffen wurde. Um den Stellenwert des Schmerzmanagements zu unterstreichen, wurde auf jeder Station mindestens ein Schmerzmentor ausgebildet. Es wurde ein spezielles Qualitätsmanagement-Handbuch entwickelt, um alle operativen Bereiche unseres Hauses für die Akutschmerztherapie einheitlich zu strukturieren – das war ein wichtiger Faktor für die im Jahr 2012 erfolgte Zertifizierung durch den TÜV Rheinland.
Des Weiteren wurde an der Dokumentation und den Sicherheitsaspekten gearbeitet. Es wurde immer mehr auf den Aufbau von Schutzfaktoren und den Abbau von Risikofaktoren hingearbeitet. So wurde 2013 ein Sektionsleiter eigens für die Schmerztherapie eingestellt und elektronische Schmerzmedikationspumpen mit spezifischen Codes eingeführt, die nur den Mitarbeitern der Schmerztherapie aus der Anästhesie bekannt sind. 2014 wurde das spezielle Softwareprogramm „Ilara©" eingeführt und die Stelle einer zweiten Pain Nurse besetzt. Der Akutschmerzdienst hat im Laufe der Jahre eine stark ansteigende Zahl von Patienten betreut – die Abteilung entwickelte sich somit zu einer tragenden Säule der Patientenversorgung innerhalb unseres Krankenhauses.
Für unsere Tätigkeiten als pflegerische Schmerzexperten stützen wir uns auf die Vereinbarungen zur Organisation der postoperativen Schmerztherapie des Berufsverbandes Deutscher Anästhesisten und des Berufsverbandes der Deutschen Chirurgen. Hier wird vorgeschrieben, dass eine Delegation der weiteren Behandlung im Bereich angelegter Regionalanästhesieverfahren auf nicht-ärztliche Mitarbeiter möglich und rechtens ist.
Das Aufgabenfeld meines Kollegen und mir erstreckt sich aktuell nicht nur auf die laufenden Regionalanästhesieverfahren und deren Dokumentation. Wir visitieren außerdem täglich alle Patienten mit Spinalanästhesien und Nervalblockaden des Vortags, um den neurologischen Status zu überprüfen. Des Weiteren assistieren wir in unserer Schmerzambulanz bei zahlreichen Single-Shot-Verfahren und Infusionstherapien. Unser administratives Aufgabenfeld umfasst neben der medizinischen Dokumentation auch andere oft zeitintensive Tätigkeiten. Hierbei sind die jährlichen neun Treffen für die Zertifizierung, die monatliche Palliativsitzung, momentan 20 Pflichtfortbildungen im Bereich Schmerztherapie für alle Pflegenden des Krankenhauses, Datenerfassung und Auswertung im Rahmen des Benchmarking sowie die regelmäßigen Treffen mit den Schmerzmentoren nur als einige Beispiele zu nennen. Für Rückfragen von pflegerischen und ärztlichen Kollegen in unserem Haus stehen wir stets zur Verfügung. Eine gute interdisziplinäre Kooperation liegt uns sehr am Herzen.
Der Akutschmerzdienst im Krankenhaus Düren hat sich in den vergangenen Jahren stark entwickelt und das Berufsbild der Pain Nurse gestärkt. Für die weitere Entwicklung unseres Hauses streben wir unter anderem drei Punkte an: Zunächst wird es das Ziel sein, 15 Prozent aller Narkosen alleine oder in Zusammenhang mit einem Regionalanästhesieverfahren durchzuführen. Des Weiteren wird an der Umsetzung stationärer, multimodaler Schmerzbetten gearbeitet. Damit die Kontinuität der Patientenversorgung weiter gestärkt wird, soll bald auch die Einführung eines Spätdienstes nur für den Akutschmerzdienst erfolgen. Alle Ziele lassen eine personelle Vergrößerung erhoffen.