• 15.03.2018
  • Praxis
Arbeitsschutz

Rückengesund durch den Pflegealltag

Die Schwester Der Pfleger

Ausgabe 7/2016

Der Pflegeberuf bringt für die Rückengesundheit Risiken mit sich – aber auch Chancen. Im Alltag kommt es darauf an, das richtige Maß an Belastung zu finden. Das gilt nicht nur für die Wirbelsäule, sondern für den gesamten Bewegungsapparat. Dabei können auch Hilfsmittel die Rückengesundheit entscheidend unterstützen.

Wie jede andere hat auch diese Medaille zwei Seiten: Einerseits sind Pflegekräfte in ihrem Beruf viel in Bewegung – was dem Körper grundsätzlich gut tut. Andererseits kann so manche Tätigkeit in der Pflege den Muskel-Skelett-Apparat erheblich gefährden. Ein ganz zentrales Problem ist das manuelle Bewegen von Lasten. Dabei geht es längst nicht nur um Wäschesäcke, Getränkekisten und Medikamentenkartons. Die bedeutendste Last im physikalischen Sinne, mit der Pflegekräfte tagtäglich umgehen, ist der Körper des Patienten oder der Patientin. Oft werden hohe Muskelkräfte eingesetzt, um die anvertrauten Menschen zu bewegen oder beim Bewegen zu unterstützen. Ohne geeignete Hilfsmittel wird dabei insbesondere die Lendenwirbelsäule häufig zu stark beansprucht.

Generell ist nach der Lastenhandhabungsverordnung (LasthandhabV) das manuelle Handhaben von Lasten in jedem Beruf möglichst zu vermeiden. Das gilt auch für das Bewegen und die Bewegungsunterstützung von Menschen – und bedeutet für den Pflegealltag:

  • Von Fall zu Fall prüfen, ob der Patient oder die Patientin überhaupt beim Bewegen unterstützt werden muss.
  • Wenn ja: Klären, ob das manuelle Handhaben des Körpergewichts durch organisatorische Maßnahmen oder Hilfsmittel vermieden werden kann. Manchmal erübrigen sich das Umlagern oder der Transfer im Zusammenhang mit einer Untersuchung bei näherem Hinschauen. In anderen Fällen braucht es vielleicht nur spezielle Hilfsmittel oder etwas mehr Zeit, damit pflegebedürftige Menschen selbstständig mobil sein können.
     

Hilfsmittel bereitstellen und nutzen

Wenn sich das manuelle Bewegen nicht vermeiden lässt, muss die Belastung für den Muskel-Skelett-Apparat mit geeigneten Maßnahmen reduziert werden. Rückengerechte und an den Ressourcen der Pflegebedürftigen orientierte Arbeitsweisen allein reichen hier nicht aus. Unverzichtbar sind beim Bewegen pflegebedürftiger Menschen Technische und Kleine Hilfsmittel. Betriebe sind nach der LasthandhabV verpflichtet, diese in geeigneter Art und ausreichender Anzahl zur Verfügung zu stellen.

Kleine Hilfsmittel: Zu diesen Hilfsmitteln zählen unter anderem Antirutschmatten, Bettzügel, Gleitmatten, Haltegürtel und Rutschbretter. Davon sollte möglichst eine größere Anzahl vor Ort vorhanden sein, sodass sie personenbezogen genutzt und arbeitsplatznah gelagert werden können. Wenn diese Hilfsmittel bei mehreren Patientinnen oder Patienten nacheinander zum Einsatz kommen sollen, ist auf die hygienische Aufbereitung zu achten. Eine Studie der BGW und des Leibniz-Instituts für Arbeitsforschung an der TU Dortmund (IfADo) hat wissenschaftlich bestätigt, dass Kleine Hilfsmittel die Rückenbelastung deutlich senken.

Technische Hilfsmittel: Das zentrale technische Hilfsmittel in der Pflege ist das Pflegebett. Stand der Technik sind vollelektrisch verstellbare Betten, die idealerweise zwischen 35 und 80 Zentimetern höhenverstellbar sind und bei denen die Neigung, Rücken- und Beinposition sich per Knopfdruck einstellen lässt. Wichtig ist auch, dass sie genügend Raum für das Unterfahren durch Lifter und andere Hilfsmittel bieten.

Die Einstellmöglichkeiten des Bettes dienen nicht nur dem Komfort der Patienten und Patientinnen, sondern auch der ergonomischen Arbeitsweise der Pflegekräfte. Dafür kommt es aber darauf an, dass sie im Alltag immer konsequent genutzt werden. Studien der BGW haben beispielsweise ergeben, dass die Rückenbelastung bei Pflegetätigkeiten am geringsten ist, wenn sich das Bett auf dem richtigen Arbeitsniveau befindet. Das Einstellen kostet übrigens je Vorgang nur Sekunden und im Laufe einer Schicht insgesamt nur wenige Minuten.

Weitere wichtige Technische Hilfsmittel in der Pflege sind Lifter. Auch sie sollten, soweit vorhanden, unbedingt genutzt werden, um mobilitätseingeschränkte Menschen umzulagern, umzusetzen oder nach einem Sturz vom Boden aufzunehmen. Wo keine Decken- oder Wandliftsysteme vorhanden sind, empfiehlt es sich, mobile Lifter in Arbeitsplatznähe bereitzuhalten. Wo der Bewegungsfreiraum oder die Abstellflächen knapp sind und Umbaumaßnahmen nicht anstehen, hilft es manchmal schon, etwas umzuräumen oder das Bett beiseitezuschieben, um Platz zu schaffen.

Um kompetent mit den vor Ort vorhandenen Hilfsmitteln umgehen und insgesamt ergonomisch arbeiten zu können, braucht man das entsprechende Know-how. Dieses erhält man nicht ein für alle Mal in der Ausbildung. Hier ist vielmehr lebenslanges Lernen gefragt beispielsweise bei Unterweisungen und Trainings im Arbeitsalltag – oder auch in Fortbildungen. Schließlich gibt es immer wieder Neues auf diesem Gebiet. Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber haben nach der DGUV Vorschrift 1 und nach der LasthandhabV dafür zu sorgen, dass ihre Beschäftigten regelmäßig entsprechende Anweisungen, Erläuterungen und Übungsmöglichkeiten erhalten. Wer unsicher ist oder ein Hilfsmittel nicht kennt, lässt es sich am besten am Arbeitsplatz erklären und übt die Anwendung so lange, bis eine sichere Handhabung gewährleistet ist, auch für das Wohl der Patientinnen und Patienten.

Worauf es sonst noch ankommt Neben Menschen sind im Pflegealltag auch immer wieder schwere Gegenstände zu bewegen. Dabei gilt auch hier, dass Heben und Tragen möglichst vermieden werden:

  • Arbeitsmittel wie Stationswagen oder Transportwagen einsetzen,
  • Gegenstände körpernah anheben und wieder absetzen,
  • zum Heben die Kraft der Beine nutzen: statt sich aus dem Rücken zu beugen, besser Hüft- und Kniegelenk beugen, um sich zu bücken; die Wirbelsäule dabei in ihren natürlichen Schwingungen halten,
  • gegebenenfalls das Gewicht gleichmäßig auf beide Arme verteilen und die Last zwischendurch absetzen,
  • nicht zu viel auf einmal tragen, sondern lieber mehrmals gehen,
  • Gegenstände, die häufig benötigt werden, gut erreichbar in Greifhöhe im Schrank oder Regal lagern.

Wie überall im Leben tut dem Rücken auch im Pflegealltag Abwechslung gut. Wer kann, setzt sich deshalb zwischendurch am besten immer mal wieder hin. Zum Beispiel bei Dokumentationsaufgaben oder beim Essenanreichen. Oder auch bei Pflegetätigkeiten im Badezimmer. Dort entlastet es den Rücken, wenn man sich zum Waschen der Beine und Füße auf einen Hocker setzt.

Auch die Kleidung und vor allem die Schuhe spielen für das ergonomische Arbeiten in der Pflege eine Rolle. Grundsätzlich empfiehlt es sich, die Arbeitskleidung mindestens eine Konfektionsgröße größer als die Freizeitkleidung zu wählen und auf Bewegungsfreiheit an Armen und Beinen zu achten. Geeignete Arbeitsschuhe für die Pflege sind rundherum geschlossen, haltgebend mit einer festen Fersenkappe, haben eine gut profilierte, großflächige Auftrittssohle, sind rutschhemmend auf nassen Böden, bieten eine leichte Dämpfung im Fersenbereich, verfügen über ein bequemes Fußbett und haben einen flachen Absatz. Weitere Informationen zu sicheren Arbeitsschuhen bietet die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) unter www.bgw-online.de, Suchbegriff: „Gut zu Fuß".

Die Arbeitsschutzverantwortlichen im Betrieb haben die Gefährdungen und Belastungen für den Rücken in der vorgeschriebenen Gefährdungsbeurteilung zu berücksichtigen. Beim Festlegen von Schutzmaßnahmen gilt grundsätzlich die im Arbeitsschutz etablierte Hierarchie: technische und bauliche Maßnahmen vor organisatorischen – und diese wiederum vor personenbezogenen Maßnahmen. Nach den Erfahrungen der BGW werden in der Praxis häufig die technisch-baulichen sowie die organisatorischen Aspekte vernachlässigt und stattdessen personenbezogene Maßnahmen zu stark in den Vordergrund gerückt.

Mehr erfahren

Broschüre „Starker Rücken": Unter www.bgw-online.de/ruecken informiert die BGW ausführlich über die Rückengesundheit im Berufsalltag. In der Unterrubrik „Veröffentlichungen" finden sich dort zum Beispiel die Broschüre „Starker Rücken" mit konkreten Tipps für den Pflegealltag und das Heft „Prävention von Rückenbeschwerden: TOPAS_R – Konzept der BGW für Pflege und Betreuung" mit Hintergrundinformationen zum Thema.

Seminare für Führungskräfte: Für Entscheiderinnen und Entscheider in ihren Mitgliedsbetrieben bietet die BGW ein Grund- und ein Aufbauseminar zur betrieblichen Prävention von Rückenerkrankungen an. Mehr dazu erfahren Interessierte unter www.bgw-online.de, Suchstichwort: „SRP". Ferner unterstützt die Berufsgenossenschaft ihre Mitgliedsbetriebe, die die Rückenbelastungen ihrer Beschäftigten nachhaltig senken möchten, unter anderem mit einem kostenfreien Strategietag sowie einer modular buchbaren Organisationsberatung zum Thema. Weitere Informationen gibt es unter www.bgw-online.de, Suchbegriffe: „Strategietag Rücken" und „Organisationsberatung Rücken".

Heft zur Umsetzung der LasthandhabV: Beim Umsetzen der branchen- und tätigkeitsübergreifenden LasthandhabV in der Pflege hilft die DGUV Information 207–022 „Bewegen von Menschen im Gesundheitsdienst und in der Wohlfahrtspflege – Hilfestellung zur Gefährdungsbeurteilung nach der Lastenhandhabungsverordnung". Das Heft ist unter http://publikationen.dguv.de in der Rubrik „Regelwerk" zu finden. Mitgliedsbetriebe der BGW können es kostenfrei bei ihrer Berufsgenossenschaft bestellen: www.bgw-online.de, Suche: DGUV Information 207–022. Im Literaturverzeichnis dieser Broschüre finden Interessierte weitere Informationsquellen zum Thema – beispielsweise einen von der Europäischen Kommission herausgegebenen Leitfaden zur Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit im Gesundheitswesen, in dem auch das Thema Muskel-Skelett-Erkrankungen ausführlich thematisiert wird.

Hilfe bei Rückenproblemen: Für Versicherte mit berufsbedingten Rückenproblemen bietet die BGW in ihren regionalen Schulungs- und Beratungszentren BGW schu.ber.z spezielle Rückensprechstunden an. Dort werden die Betroffenen kostenfrei fachärztlich untersucht und eingehend über Präventionsmöglichkeiten beraten. Wer einen Termin vereinbaren möchte, wendet sich an das BGW schu.ber.z oder die BGW-Bezirksverwaltung in der Region. Die Kontaktdaten finden sich unter www.bgw-online.de/kundenzentren.

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