• 01.07.2016
  • Praxis
Kommunikation

Entschleunigen Sie Ihre Sprache!

es gibt acht Schlüssel für ein gutes Gespräch

Die Schwester Der Pfleger

Ausgabe 7/2016

Worte spiegeln die eigene Stimmung wider: Je mehr wir unter Stress und Zeitdruck arbeiten, desto belasteter und problemorientierter wird auch unsere Sprache. Wichtig ist deshalb, sein eigenes Sprachverhalten zu reflektieren und an seiner Dialogkompetenz zu arbeiten. Der folgende Schlüsselbund an Tipps bringt Bewegung in den Wortschatz und hilft, immer wieder heilsame Worte zu finden.

Kaum eine Pflegehandlung kommt ohne Kommunikation aus. Ob kurz oder lang, ob vorbereitet oder nicht, ob auf dem Flur oder in einem Zimmer: Überall pulsieren Worte, Gesten, Gespräche von Mensch zu Mensch. Manche dienen der Information, manche der Anleitung, manche des Trostes. Hin und wieder kommt es auch zu Vorwürfen, Klagen und Tränen. Kommunikation ist der entscheidende Schlüssel zu einer guten Pflege. Deshalb lohnt es, in diesem Bereich mehr Sicherheit und Kompetenz zu gewinnen. Dafür ist es wichtig, sich für die Bedeutung und Wirkung von gedachter und gesprochener Sprache zu sensibilisieren. Die derzeit vorherrschenden Sprach- und Gesprächsmuster in der Pflegepraxis sind in ihrer Ausdrucksform und in ihrer Wirkung eher belastend und stressorientiert. Die damit einhergehenden Emotionen kosten den beteiligten Menschen Kraft. Acht Schlüssel für ein gutes Gespräch

  1. Bleiben Sie sachlich
  2. Geben Sie eindeutige Informationen
  3. Meiden Sie Ironie und Doppeldeutigkeiten
  4. Bringen Sie Menschlichkeit in die Pflegesprache
  5. Meiden Sie Sprachbilder der Gewalt
  6. Sparen Sie Zeit durch klare und eindeutige Aussagen
  7. Konzentrieren Sie sich auf die Lösungen
  8. Nutzen Sie „Sprachschätze"

Ein Schlüsselbund für Ruhe und Entschleunigung

Tatsächlich gibt es Möglichkeiten, sich im Strom der Anforderungen und im Strudel der steigenden Verantwortung zu orientieren. Je höher die Stressoren im Außen, umso wesentlicher scheinen eine innere Sammlung und Konzentration zu sein. Hier liegt ein reiches Potenzial an Schutz und Kraft für jeden Menschen bereit. Um es zu nutzen, heißt es: Ohren auf, die Sinne schärfen, die Worte wählen und wann immer möglich „bei sich bleiben". Wenn der äußere Stresspegel steigt, können Sie sich an dem einen oder anderen Schlüsselwort orientieren, um innezuhalten und bewusst wieder in Kontakt mit sich selbst zu gehen. Denn wer „außer sich ist", kann nicht „bei sich sein." Entlarven Sie stressauslösende Momente und begegnen Sie ihnen mit einem Bund an Schlüsseln, die helfen, Ruhe, Konzentration und damit Kompetenz zu bewahren. Die vorherrschenden Stimmungsbilder im Inneren nehmen Einfluss auf das Denken. Die Qualität der Gedanken fließt in die Körpersprache und ins eigene Sprachmuster ein, und alle folgenden Handlungen werden von diesen Qualitäten beeinflusst. Wer in Stresssituationen die Ruhe bewahrt, wirkt nach außen deutlich kompetenter und beruhigt damit auch das Umfeld. Interessant ist, dass sich die stressorientierten Stimmungs- und Kommunikationsmuster wiederholen und somit gut zu entdecken sind. Prüfen und entdecken Sie acht Schlüsselsituationen, die Ihnen sicherlich bekannt vorkommen:

Bleiben Sie sachlich: Schlüssel Nummer 1 ist hilfreich in den Situationen, in denen Druck und Stress im Umfeld ansteigen und fast unbemerkt auch das eigene Befinden in Besitz nehmen. Ehe man sich versieht, steigen auch die eigene Reizbarkeit, Nervosität und Unruhe an. Bleiben Sie aufmerksam, wenn Sie häufig folgende Worte hören oder auch selbst sagen: müssen, schnell, Stress, Problem. Dies sind Ihre Schlüsselworte, die ein klares Anzeichen für steigenden Druck und Stress für Sie sind. Sie finden sich in vielen Sätzen und wirken ansteckend. Widerstehen Sie der Versuchung, zu stark damit in Resonanz zu gehen und in gleiche Sprechmuster zu fallen. So aktivieren Sie weiteren Stress: „Da muss ich schnell nachschauen", „Was müssen wir noch machen?", „Die Tochter macht Stress". So bleiben Sie kompetent: „Ich schaue nach, Frau Weiß und gebe Ihnen Rückmeldung". „Helga, was ist noch zu tun?" „Die Tochter ist ängstlich und stellt viele Fragen". Ihr entspannendes Schlüsselerlebnis wird sein, dass Sie mit großer Wahrscheinlichkeit sachlich bleiben, Konzentration bewahren und persönliche Wertungen weglassen. Sie tauschen Wesentliches aus, sparen Kraft, Nerven und Zeit.

Geben Sie eindeutige Informationen: Schlüssel Nummer 2 entlarvt genau die Zeiten, in denen nicht nur keine Zeit, sondern gar keine Zeit spürbar ist. Zeit ist ein kostbares Gut für jeden Menschen und nichts verärgert ihn mehr, als wenn ihm jemand die Zeit stiehlt oder mit seiner Zeit wenig gut umgegangen wird. Wesentliche Schlüsselworte sind kurz, gleich, später, mal, schnell, einen kleinen Moment, eine Sekunde, nachher und einen Augenblick. Diese Worte mogeln sich in viele Sätze der Pflegepraxis und fördern Stress und Hilflosigkeit. Den Sprechenden selbst treiben sie sprichwörtlich an.

So klingt es gehetzt: „Ich bringe das nur kurz weg", „Ich komme gleich nach", „Warten Sie eine Sekunde".

So bieten Sie Orientierung: „Ich bringe die Unterlagen zurück und komme dann zu Ihnen", „Ich rufe Sabine noch an und komme dann zu dir", „Bitte warten Sie hier. Ich frage nach."

Mit der bleibenden Klarheit in den Aussagen fördern Sie ein weiteres Schlüsselerlebnis für sich und Ihre Umgebung: Vollständige Aussagen und eindeutige Informationen bringen Ordnung in das Denken und Erleben der beteiligten Menschen. Sie beruhigen ein unruhiges und unsicheres Umfeld, und damit schützen Sie sich selbst.

Meiden Sie Ironie und Doppeldeutigkeiten: Mit Schlüssel Nummer 3 wird ein Gesprächs- und Ausdrucksmuster bewusst, in denen pathologische Wortbilder, Sprachbilder von Unfällen und Verletzungen umgangssprachlich genutzt werden. Die Pflegenden sind sich dessen oft gar nicht bewusst. Selten meinen sie wirklich, was sie sagen. So klingt eine krankheitsorientierte Sprache: der Wahnsinn, der Schwachsinn, ein Bein ausreißen, auf dem Zahnfleisch gehen und den Kopf zerbrechen. Da hat jemand leider nur zwei Hände, das sticht ins Herz und da dreht sich einem der Magen um. Da kriegt jemand „so 'nen" Hals, bricht zusammen oder dreht durch. So lieber nicht: „Ich werde noch verrückt", „Mich trifft der Schlag", „Da liegen die Nerven blank". So sprechen Sie gesundheitsfördernd: „Das schaffe ich nicht. Da brauche ich deine Hilfe". „Da braucht jemand Trost/Halt/Zuspruch." Ironie und Doppeldeutigkeiten sind in Krankheitsphasen selten eine gute Lösung. Die benannten Sprachbilder lösen belastende Assoziationen aus und beruhigen nicht wirklich. Hilfe kommt durch eindeutige Aussagen. Wiederstehen Sie dem Zynismus, dem Sarkasmus und den verschlüsselten Botschaften, wenn die Kraftressourcen begrenzt sind. So kann es zu Ihrem Schlüsselerlebnis werden, dass ein eindeutiges und gesundheitsorientiertes Denken und Sprechen auch Sie selbst stärkt und Ihre positive Außenwirkung erheblich steigert.

Bringen Sie Menschlichkeit in die Pflegesprache: Schlüssel Nummer 4 weist mahnend auf ein Kernthema des Berufsbildes hin: die Menschlichkeit. Obwohl alle Bestrebungen und Handlungen des Pflegealltages „den Menschen" im Blick haben wollen, geht er im täglichen Sprachgebrauch schlichtweg unter. Er verschwindet einfach und findet seinen Ausdruck stattdessen in Handlungen, Diagnosen, Zimmernummern, funktionalem Sprechen und Arbeitsabläufen.

Schlüsselsätze, wie Betten machen, Gänge versorgen, auf Glocken gehen oder Toilettengänge machen. Wir denken in Aufnahmen, Blutdruck und Wundversorgung und finden es nicht seltsam, dass Küchen sich beschweren, die Verwaltung drängelt und der Kollaps im Anmarsch ist. Wir denken in Zucker, bestellen Apotheken und telefonieren mit dem OP. Achtung!

So klingen Sie funktional: „Das Röntgen hat angerufen", „Gehst du auf Glocke?", „Die Hüfte auf der 3".

Besser und menschlicher formulieren Sie so: „Die Kollegin vom Röntgen hat angerufen", „Schaust du bitte, wer klingelt?", „Die Patientin in Zimmer 3".

Wenn Sie, wie viele unter uns, Sehnsucht nach Menschlichkeit im Pflegealltag haben, nutzen Sie jede nur erdenkliche Möglichkeit, Ihrem eigenen Denken und Sprechen diesen Raum zu geben. Ihr Schlüsselerlebnis wird sein, dass Sie starken Einfluss darauf haben, dass in ihrem direkten Umfeld dem Menschen bewusst Würde und Wertschätzung bereits durch Worte und Gesten erfährt.

Meiden Sie Sprachbilder der Gewalt: Schlüssel Nummer 5 sensibilisiert für ein weiteres Sprachmuster: Gewalt in Sprache und Gesprächen. Noch immer schleichen sich Sprachbilder und ein Wortfeld des Krieges und der Gewalt in alltägliche Gespräche und Dialoge. Im Gesundheitswesen wirkt dies oft völlig grotesk: Da rollen Köpfe ins CT, der Spieß wird umgedreht, am Telefon abgewürgt und an der Bettkante umgelegt. Menschen werden abgeführt, transportiert, gelagert und fertig gemacht. Totgelacht, abgeschossen oder auf die Folter gespannt, schießt etwas in oder durch den Kopf oder man muss höllisch aufpassen, dass der Schuss nicht nach hinten losgeht. Wir brauchen einen Schlachtplan, sind unterbesetzt und treffen uns am Stützpunkt. Achtung! So lieber nicht: „Schlag' mich tot, ich weiß es nicht", „Da können Sie Gift drauf nehmen", „Da kannst du warten bis zur Vergasung". So sind Sie dem Frieden näher: „Das habe ich völlig vergessen", „Da haben Sie völlig Recht", „Stell dich auf langes Warten ein." Umgangssprachliche Muster bedürfen in ernsten und belasteten Situationen einer selbstkritischen Reflexion. In Stress und Druck braucht es Wertschätzung und Einfachheit – bestenfalls Vertrauen und Sicherheit. Sprachbilder der Gewalt haben in der Gesundheitsförderung für alle Beteiligten keinen guten Platz. In der Pflege von hochbetagten und/oder demenzerkrankten Menschen bekommt dieses Schlüsselthema eine noch höhere Gewichtung.

Sparen Sie Zeit durch klare und eindeutige Aussagen: Schlüssel Nummer 6 bringt Licht in die Wirren von vielen Missverständnissen im Kontakt miteinander. Je mehr Gedanken-Spielraum Sie Ihrem Gesprächspartner bieten, umso wahrscheinlicher sind aufbrausende Emotionen und Unsicherheiten. Füllworte wie eigentlich, vielleicht und mal schmücken Sätze in der Umgangssprache, nehmen jedoch die Ausdruckskraft aus wichtigen Aussagen.

Das kostet Zeit und Kraft: „Eigentlich bin ich dafür nicht zuständig", „Kannst du dir das mal anschauen?", „Vielleicht haben wir morgen Zeit dafür."

Eindeutiger sind Sie so: „Bitte sprechen Sie dazu die Kollegin bei der Anmeldung an", „Katrin, bitte schau dir das heute noch an. Deine Meinung ist mir wichtig", „Lass uns morgen Vormittag Zeit dafür einplanen."

Ihr Schlüsselerlebnis wird sein, dass Füllworte Ihren Gesprächspartner verwirren. Die Sätze schwächen den Dialog, neue Fragen kommen auf. Wenn wenig Zeit, Personal und Spielraum zur Verfügung stehen, steigt die Nervosität an. Eindeutige und klare Aussagen werden Ihnen viel Zeit sparen. Sie bieten Orientierung und vermitteln Zuverlässigkeit in Ihrer Rolle als fachliche Ansprechpartnerin.

Konzentrieren Sie sich auf die Lösungen, nicht auf die Probleme: Die Pflege ist tendenziell problemorientiert. Schlüssel Nummer 7 eröffnet die Möglichkeit einer lösungsorientierten Sprache. Wann immer der Geist und die Aufmerksamkeit zu stark in den Mangel und das Defizit tendieren, beachten Sie folgende Schlüsselworte. Sie sind ein prägnanter Hinweis dafür, dass Gefühle der Hilflosigkeit, Unsicherheit und Belastungen noch verstärkt werden: nicht, kein, sogenannte Un-Worte wie unglücklich, unkompliziert oder unfair. Ich will Sie ja nicht überreden, das soll jetzt keine Kritik sein, schreib es auf, damit du es nicht vergisst, ich denke nicht, dass sie sich darüber ärgert, kein Problem … So formulieren Sie problemorientiert: „Keine Ahnung. Das weiß ich nicht", „Frau Seitz ist sehr unzufrieden", „Hier ist es nicht immer so hektisch." Besser: „Ich informiere mich, Susanne, und gebe dir Bescheid", „Frau Seitz hat immer noch starke Schmerzen und fragt häufig nach Medikamenten", „Hier gibt es auch ruhigere Zeiten und Abläufe. Nur Mut." Wenn bereits eine hohe Belastung und Anforderung um Sie herum pulsiert, hilft Ihrem Geist, Ihrem Gemüt und Ihrem körperlichen Befinden die Lösungsorientierung und die Einfachheit. Lenken Sie alle Sinne bewusst in die Möglichkeiten und Chancen. Sie werden staunen, wie sich der Puls beruhigt, die Sinne klar bleiben, kreatives Denken möglich bleibt.

Nutzen Sie „Sprachschätze": Als kleinen Geheimtipp bleibt Schlüssel Nummer 8. Er bringt Leben und Bewegung in den Erlebnisrahmen des Wortschatzes und der heilsamen Worte. Seine Schlüsselworte sind alle Worte, die in Ihnen positive, warme und stärkende Bilder erwecken und angenehme Gefühle aktivieren. Im Pflegeberuf fördern Sie mit Ihrem Ausdruck die Genesung, das Wohlbefinden und das so wesentliche Vertrauen in Ihre Kompetenzen. Reden IST pflegen, und Worte werden hier und da zur Medizin. Gehen Sie einfach auf „Schatzsuche" und bringen Sie den Schatz in den Satz. Hier finden Sie einige Wortimpulse: Wortbeispiele: fein, mild, kuschlig, froh, Lichtblick, durchatmen, geruhsam, liebäugeln, begeistern, ermutigen, genießen, duften, verwöhnen, kräftig, sanft, Schutz, Balsam für die Seele.

Schlüsselsätze sind: „Ach, ich bin heilfroh, dass es dir wieder gut geht", „Ich bin ganz behutsam mit Ihrem Arm, Frau Merz", „Guten Morgen Frau Niem, Sie sehen ja noch ganz verträumt aus."

Werden Sie zum Pionier des guten Dialogs

Sie werden staunen, wie einfach Sie einen menschlichen und ausgleichenden Impuls in sich selbst und auch im Umfeld aktivieren können. Wie immer passt nicht jeder Schlüssel in jedes Schloss und nicht jedes Thema zu jedem Menschen. Wählen Sie, prüfen Sie und werden Sie zum Pionier des guten Dialoges. Häufig sind es Feinheiten in kurzen Begegnungen. Ein Augenzwinkern, eine beruhigende Geste oder ein etwas anderer Gruß als sonst.

Je belasteter die Stimmungen um sie herum, umso empfänglicher sind die Menschen für menschliche Nuancen. Wenn der Laie schwankt und strauchelt, greifen Sie als Profi zu Ihrem Schlüsselbund der Möglichkeiten. Schon ein oder zwei Schlüssel können es sein, die gut zu Ihrer Persönlichkeit und zu Ihrer fachlichen Kompetenz passen. Vielleicht lassen Sie sich ja einen vergolden oder leihen ihn einfach mal an Kolleginnen und Kollegen aus.

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