Exoskelette sollen Pflegepersonal mechanisch unterstützen, um körperliche Fähigkeiten zu verbessern und Belastungen zu verringern. Ein narratives Review beschäftigte sich mit Effektivität, Benutzerfreundlichkeit und Auswirkungen der Exoskelett-Technologie auf die Arbeitsqualität von Pflegepersonal.
Der Einsatz von Exoskeletten in der Pflegepraxis hat als mögliche Lösung für die mit dem Pflegeberuf verbundenen körperlichen Anforderungen und Risiken Aufmerksamkeit erregt. Im Review hat der Verfasser verschiedene Studien zu Exoskeletten analysiert und die wichtigsten Ergebnisse zusammengefasst [1]. Einige dieser Studien haben die Wirksamkeit von Exoskeletten zur Reduzierung der körperlichen Belastung des Pflegepersonals beim Heben und Transportieren von Patienten untersucht [2] (Textkasten: Exoskelett entlastet Pflegepersonal [3–5]).
Diese Geräte sind so konzipiert, dass sie den unteren Rücken, den Oberkörper und die Extremitäten stützen und dadurch die Belastung des Bewegungsapparats reduzieren. Die verminderte Muskelaktivierung und die Verringerung der auf den Körper ausgeübten Kräfte können das Risiko von Muskel-Skelett-Verletzungen und Überlastungsverletzungen verringern [6].
Usability und Akzeptanz
Komfort und Passform. Exoskelette müssen über einen längeren Zeitraum bequem zu tragen sein [7, 8]. Gerätegewicht, Verstellbarkeit und ergonomisches Design beeinflussen den Komfort. Leichte und richtig angepasste Exoskelette vermeiden Beschwerden, Hautreizungen und eingeschränkte Mobilität, sodass sich das Pflegepersonal frei bewegen und seine Aufgaben ungehindert ausführen kann. Auch sollten die Geräte über intuitive Bedienelemente verfügen und schnell und effizient an- und abzulegen sein.
Umgekehrt sollten Exoskelette aufgrund ihres zusätzlichen Gewichts und ihrer Steifigkeit die Ausübung der Pflegeaufgaben nicht behindern oder beeinträchtigen [2].
Erfahrung und Schulung. Eine positive Erfahrung des Pflegepersonals im Umgang mit Exoskeletten ist entscheidend für deren Akzeptanz [2, 8]. Umfassende Schulungen helfen zu verstehen, wie Exoskelette effektiv und sicher einzusetzen sind. Kontinuierlicher Support und Möglichkeiten für Feedback und Fehlerbehebung können ebenfalls zu einer höheren Akzeptanz und Integration in die tägliche Praxis führen.
Exoskelett entlastet Pflegepersonal
Eine Pilotstudie am Hôpital Foch in Suresnes, Frankreich [2], untersuchte im Zeitraum von Januar 2022 bis Januar 2023 die Anwendung eines aktiven Exoskeletts. Ziel war, die Körperhaltung des Pflegepersonals zu verbessern sowie Schmerzen und Ermüdung während der Arbeit zu reduzieren. Teilnehmende waren 14 Pflegende (86 % Frauen, Alter 23 bis 58 Jahre) aus den Fachabteilungen Innere Medizin, Intensivstation und Geriatrie, die das Gerät insgesamt 36 Stunden lang trugen. Die Studie ergab eine mediane Gesamtzufriedenheit mit dem Exoskelett von 6 auf einer Skala bis 10, wobei 36 % der Teilnehmenden eine Zufriedenheit von über 7 von 10 angaben. Der Einfluss des Exoskeletts auf die Ermüdung wurde mit einem Medianwert von 7 von 10 bewertet. Alle Pflegenden bestätigten, dass das Exoskelett ihre Rückenhaltung verbessert, und 93 % erklärten, dass das Gerät sie daran hindert, Risikohaltungen einzunehmen. Zudem berichteten 86 %, dass das Exoskelett Müdigkeit und Schmerzen im unteren Rückenbereich reduziert. Hinsichtlich der Bedienbarkeit gaben 100 % an, dass sich das Exoskelett einfach einstellen und fest- ziehen lässt. 79 % fühlten sich in ihren Bewegungen durch das Gerät unterstützt. Den Tragekomfort betreffend empfanden 72 % das Exoskelett als bequem. Allerdings berichteten 57 % von Überhitzungs- problemen. Außerdem empfanden 64 % das Exoskelett als nicht diskret genug. Die Zufriedenheit der Pflegekräfte korrelierte signifikant mit einer guten Anpassung des Geräts an die Arbeitsumgebung, uneingeschränkter Beweglichkeit, schneller Ausführung von Bewegungen, dem Wohlbefinden und leichter Transportierbarkeit.
Kompatibilität mit der Arbeitsumgebung. Exoskelette sollten mit den spezifischen Anforderungen unterschiedlicher pflegerischer Fachrichtungen und Arbeitsumgebungen kompatibel und somit anpassbar sein [2]. Allerdings ist das Design nicht immer perfekt auf die ergonomischen Bedürfnisse aller Nutzer abgestimmt. Unbehagen, eingeschränkte Mobilität oder eine schlechte Passform können zu verminderter Akzeptanz und somit zu zurückhaltender Nutzung der Technologie führen.
Auch können Exoskelette bestimmte Pflegeaufgaben beeinträchtigen, insbesondere solche, die Feinmotorik oder eine enge körperliche Interaktion mit dem Patienten erfordern. Denn für allgemeine Betreuungsaufgaben konzipierte Geräte sind meist nicht für spezialisierte Einheiten wie Intensivstationen oder Operationssäle geeignet.
Die falsche Wahl des Exoskeletts kann die Leistung des Pflegepersonals und damit den gesamten Arbeitsablauf beeinträchtigen [3, 9]. Exoskelette sollten sich daher auf die individuellen Bedürfnisse verschiedener Pflegerollen und -umgebungen anpassen lassen, um die Benutzerfreundlichkeit und Akzeptanz zu verbessern.
Vor- und Nachteile
Wohlbefinden. Exoskelette sollen die körperliche Belastung und Ermüdung verringern und zu einer verbesserten Ausdauer, weniger Muskelkater, einem erhöhten allgemeinen körperlichen Komfort und somit zu erhöhter Arbeitszufriedenheit beitragen. Sie können auf diese Weise auch psychologische und psychosoziale Vorteile für das Pflegepersonal haben [7, 9] und zu einer Verringerung des Stressniveaus und zu einer allgemeinen Verbesserung des psychischen Wohlbefindens beitragen. Zudem gewährleisten Wohlbefinden und geringere Belastung eine sichere und qualitativ hochwertige Patientenversorgung [3].
Verletzungsgefahr. Hingegen kann die unsachgemäße Nutzung zu Verletzungen führen, anstatt sie zu verhindern. Beispielsweise verringert eine langfristige Abhängigkeit von Exoskeletten zur Haltungsunterstützung die natürliche Kraft und Konditionierung des Körpers, sodass das Pflegepersonal möglicherweise anfälliger für Verletzungen ist, sobald das Gerät nicht getragen wird.
Diese können auch auftreten, wenn das Exoskelett nicht richtig sitzt – viele Geräte sind mangels individueller Einstellungsmöglichkeiten nicht für alle Körpertypen oder körperlichen Verfassungen geeignet [2]. Die infolge des Gewichts und der Steifigkeit des Exoskeletts eingeschränkte natürliche Bewegung kann ebenfalls sehr belastend sein oder neuartige Verletzungen des Bewegungsapparates hervorrufen [10]. Dies betrifft auch und insbesondere die Anpassungsphase, wenn sich das Pflegepersonal an die neue Dynamik der Bewegung und die Gewichtsverteilung beim Tragen des Exoskeletts noch gewöhnen muss [10].
Vielversprechende Ergebnisse
Die Bewertung der Arbeitsqualität von Pflegepersonal unter Einsatz von Exoskeletten zeigt vielversprechende Ergebnisse: Diese reduzieren die körperliche Belastung, verbessern die Körperhaltung und verringern die Ermüdung. Exoskelette haben das Potenzial, arbeitsbedingte Verletzungen zu minimieren, das körperliche Wohlbefinden, die Arbeitszufriedenheit und die Leistungsfähigkeit des Pflegepersonals zu erhöhen.
Sie können somit eine sichere sowie qualitativ hochwertige Patientenversorgung ermöglichen und zu besseren Patientenergebnissen und höherer -zufriedenheit führen.
Herausforderungen
Die bisher vorliegenden kleinmaßstäblichen Studien bestätigen zwar die positive Wirkung von Exoskeletten, doch die Evidenz ist noch sehr gering. Weitere Forschungen mit größeren, randomisiert kontrollierten Studien sind unerlässlich, um eine robustere Evidenz zur langfristigen Wirksamkeit von Exoskeletten in der Patientenversorgung zu liefern und um die Effektivität, Benutzerfreundlichkeit und Akzeptanz von Exoskeletten weiter zu verbessern.
Typen von Exoskeletten
Tragbare Exoskelette lassen sich in verschiedene Typen einteilen, die sich vor allem in ihrer Funktionalität und ihrem strukturellen Design unterscheiden: aktive, passive Exoskelette sowie harte und weiche Robotik [11]. Aktive Exoskelette sind motorisiert und verfügen über Sensoren, Antriebe und Steuerungsalgorithmen. Diese Geräte sind batteriebetrieben und bieten physische Unterstützung. Sie sind besonders nützlich beim Heben von schweren Gewichten und zur Verbesserung der Kraft und Ausdauer des Nutzers. Passive Exoskelette verfügen über keine motorisierten Teile. Sie unterstützen ihre Trägerin oder ihren Träger mithilfe mechanischer Mittel wie Federn, Dämpfer und elastischer Elemente, sind leichter, weniger komplex und benötigen keine externe Stromquelle. Sie reduzieren die Belastung bestimmter Körperteile, verbessern die Körperhaltung und reduzieren die Ermüdung bei sich wiederholenden Aufgaben. Zu harter Robotik zählen Exoskelette aus starren Materialien wie Metall oder Hartplastik. Harte Roboter-Exoskelette sind häufiger in der Industrie oder beim Militär im Einsatz und dienen insbesondere dazu, schwere Gewichte zu heben. Weiche robotische Exoskelette oder Exosuiten bestehen aus flexiblen, oft textilbasierten Materialien. Sie sind leichter und bieten im Vergleich zu harten Exoskeletten mehr Flexibilität und Komfort. Sie lassen sich unter der persönlichen Schutzausrüstung (PSA) tragen und werden laut Review in der medizinischen Rehabilitation und bei der Unterstützung alltäglicher Aufgaben immer beliebter.
Das Feedback von Pflegepersonal, das Exoskelette nutzt, sollte gezielt in die Weiterentwicklung dieser Technologie einfließen, um Design und Praxistauglichkeit zu optimieren. Daher ist es wichtig, Pflegepersonal aktiv in die Entwicklung und Evaluierung einzubeziehen, damit die Exoskelette seinen Bedürfnissen und Präferenzen bestmöglich entsprechen.
[1] Vallée A. Exoskeleton technology in nursing practice: assessing effectiveness, usability, and impact on nurses’ quality of work life, a narrative review. BMC Nurs 2024 Mär 5; 23: 156. doi: 10.1186/S12912-024-01821-3
[2] Farah L, Roll D, Sorais A, Vallée A. Assessment of exoskeletons on nurses’ quality of Work Life: a pilot study at Foch Hospital. Nurs Rep 2023; 13: 780–791. doi: 10.3390/NursREP13020068
[3] Rayssiguie E, Erden MS. A review of exoskeletons considering nurses. Sensors 2022; 22: 7035. doi: 10.3390/S22187035
[4] Cha JS, Monfared S, Stefanidis D et al. Supporting Surgical teams: identifying needs and barriers for exoskeleton implementation in the operating room. Hum Factors 2020; 62: 377–390. doi: 10.1177/0018720819879271
[5] Gonzales A, Barbieri DF, Carbonell AM et al. The compatibility of exoskeletons in perioperative environments and workflows: an analysis of surgical team members’ perspectives and workflow simulation. Ergonomics 2023; 0: 1–21. doi: 10.1080/00140139.2023.2240045
[6] Bär M, Steinhilber B, Rieger MA, Luger T. The influence of using exoskeletons during occupational tasks on acute physical stress and strain compared to no exoskeleton– a systematic review and meta-analysis. Appl Ergon 2021; 94: 103385. doi: 10.1016/J.Apergo. 2021.103385
[7] Maurice P, Cuny-Enault F, Ivaldi S. Influence of a passive back support exoskeleton on simulated patient bed bathing: results of an exploratory study. Ergonomics 2023; 66: 859–873. doi: 10.1080/00140139.2022.2129097
[8] Settembre N, Maurice P, Paysant J et al. The use of exoskeletons to help with prone positioning in the intensive care unit during COVID-19. Ann Phys Rehabil Med 2020; 63: 379–382. doi: 10.1016/J.Rehab.2020.05.004
[9] Zheng L, Hawke AL, Evans K. Critical review on applications and roles of exoskeletons in patient handling. Int J Ind Ergon 2022; 89: 103290. doi: 10.1016/j.ergon.2022.103290
[10] Flor-Unda O, Casa B, Fuentes M et al. Exoskeletons: contribution to Occupational Health and Safety. Bioengineering 2023; 10: 1039. doi: 10.3390/bioengineering10091039
[11] de Looze MP, Bosch T, Krause F et al. Exoskeletons for industrial application and their potential effects on physical work load. Ergonomics 2016; 59: 671–681. doi: 10.1080/00140139.2015.1081988