Personalmangel und chronische Unterbesetzung in der Pflege machen sich bereits in der Ausbildung bemerkbar: Von mehr als 3.000 befragten Auszubildenden und Studierenden in der Pflege ist nicht einmal die Hälfte zufrieden. Das geht aus dem aktuellen "Ausbildungsreport Pflegeberufe 2021" der Gewerkschaft Verdi hervor, dessen Ergebnisse die Interessensvertretung am Donnerstag bekanntgab.
Zeitdruck und fehlende Pausen belasten Azubis in der Pflege
Danach sind lediglich 42,7 % der befragten Auszubildenden mit ihrer Ausbildung zufrieden. Die Pflegeberufe schnitten damit deutlich schlechter ab als die klassischen dualen Ausbildungsberufe, urteilte Verdi. Denn nach dem Ausbildungsreport der DGB-Jugend seien 71,3 % der befragten Auszubildenden "sehr zufrieden" bis "zufrieden" mit ihrer Ausbildung.
Laut Verdi-Befragung fühlt sich fast die Hälfte der Auszubildenden in der Pflege aufgrund der Ausbildungsbedingungen häufig oder immer belastet. Viele klagten über hohen Zeitdruck (62 %), mangelnde Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben (48 %) sowie fehlende Pausen (43 %).
Über 58 % berichteten, dass sie immer oder häufig Probleme hätten, sich in ihrer Freizeit zu erholen – eine Verdoppelung gegenüber der letzten Befragung aus 2015 und weit mehr als in anderen Berufen, wie Verdi konstatiert.
Überstunden gehörten für viele Befragten zum Arbeitsalltag – und das, obwohl nach ausbildungsrechtlichen Grundlagen Überstunden nur ausnahmsweise zulässig seien. Ein Drittel (33,6 %) der Befragten müsse mehr Stunden als vertraglich vereinbart leisten. Besonders ausgeprägt sei dies in der Ausbildung zur Altenpflegerin bzw. zum Altenpfleger. Hier liege der Anteil bei 48,6 %. Hauptgründe für Überstunden seien Personalmangel (78,8 %) und Arbeitsbelastung (58,3 %).
Praxisanleitung erfolgt selten oder nie
Auch die Praxisanleitung scheint problematisch zu sein: Über 43 % der Auszubildenden berichteten, selten oder nie von Praxisanleiterinnen oder -anleitern an ihre beruflichen Aufgaben herangeführt worden zu sein.
Ein Zeichen knapper Personalbesetzung ist nach Verdi-Angaben auch die unplanmäßige und kurzfristige Versetzung. Mehr als die Hälfte der befragten Auszubildenden (55,6 %) erlebe dergleichen. Im Vergleich zum vorherigen Ausbildungsreport sei dieser Anteil leicht gestiegen (51,1 %). Besonders betroffen seien Auszubildende in der Gesundheits- und Krankenpflege (69,7 % zu 59,7 % in 2015).
Für Verdi-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler ist klar:
"Die hohe Unzufriedenheit von Auszubildenden in der Pflege ist ein Alarmsignal, das Arbeitgeber und politisch Verantwortliche nicht ignorieren dürfen."
Die Ergebnisse zeigten, dass die Ausbildungsbedingungen in der Pflege "dringend" attraktiver zu gestalten seien, damit künftig ausreichend Nachwuchs gewonnen und gehalten werden könne.
Bühler fordert gute Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen in der Pflege
Gleichwohl verwies Bühler auch auf zunehmende Ausbildungszahlen. Laut Statistischem Bundesamt hätten allein 2021 rd. 56.300 Menschen eine Pflegeausbildung begonnen, 5 % mehr als im Vorjahr.
"Ganz offensichtlich wollen viele junge Menschen in ihrem Berufsleben etwas Sinnstiftendes tun, etwas, das anderen hilft – das ist ermutigend."
Doch sie müssten auch langfristig in den Pflegeberufen gehalten werden.
"Wenn viele junge Menschen nachkommen und die Erfahrenen gehalten werden können, kann der Teufelskreis aus Überlastung, Berufsflucht und weiter steigender Belastung durchbrochen werden. Gute Bedingungen in der Ausbildung und im betrieblichen Alltag – das ist die Lösung."
2021 hatte Verdi in einer bundesweiten Erhebung Auszubildende in Pflegeberufen (n=2.790) bereits zum vierten Mal nach der Qualität ihrer Berufsausbildung im Rahmen einer Online-Umfrage befragt. Erstmals einbezogen wurden diesmal Studierende in den grundständigen Pflegestudiengängen nach dem neuen Pflegeberufegesetz (n=244).