Am 3. Oktober 1990 trat die Deutsche Demokratische Republik (DDR) der Bundesrepublik Deutschland (BRD) bei. Die Zeitschrift Schwester | Der Pfleger beschäftigte sich in den folgenden Monaten mehrmals mit der Frage, welche Herausforderungen sich aus der Wiedereinigung für die berufliche Pflege ergeben.
Die ostdeutsche "Diplom-Krankenschwester" Siegrun Schön beschrieb in der Juni-Ausgabe 1991 ausführlich die Strukturen der Pflege in der ehemaligen DDR. Denn: Wolle man in der Bundesrepublik die Entwicklung des Berufs im „anderen“ Deutschland verstehen, sei es wichtig zu wissen, wie und wo die Pflege im Bereich des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung eingebunden war. Nur so sei es möglich, schrieb die Autorin, „auch die Denkweisen und Wertvorstellungen der Pflegeberufe selbst besser zu verstehen“.
In der DDR gab es zwei Pflegeberufe: die Krankenpflege und die Kinderkrankenpflege. Beide waren wie in Westdeutschland dreijährige Ausbildungen. Der theoretische Unterricht erfolgte an „medizinischen Fachschulen“, die „Ausbildungsvereinbarungen“ mit Krankenhäusern abschlossen, wo die „berufspraktische Ausbildung“ erfolgte. Der Autorin zufolge sei die Ausbildung durch ein „hohes Maß an Praxisanteilen“ charakterisiert gewesen, für die die „leitende Schwester“ des Hauses verantwortlich gewesen sei. Dabei sei „nicht nur das Wie der Pflegetätigkeiten, sondern auch das Warum“ von Bedeutung gewesen.
Für die Praxiseinsätze der Auszubildenden habe die leitende Schwester „Ausbildungsstationen“ ausgewählt und „Lehrbeauftragte“ benannt – die heutigen Praxisanleiter. Für die Auswahl der Ausbildungsstationen galten bestimmte Kriterien wie eine gute personelle Besetzung, eine „hohe fachliche Qualifikation der Schwestern“ und der „berufsethische Reifegrad des Teams“. Die Lehrbeauftragten hätten die Aufgabe gehabt, so Siegrun Schön, „zielgerichtet mit den Fachschülern entsprechend dem Praktikumsauftrag zu arbeiten. Sie leiteten die Fachschüler bei den praktischen Tätigkeiten an und kontrollierten die selbstständig durchgeführten Arbeitsaufgaben.“ Lehrbeauftragte waren erfahrene Krankenschwestern und -pfleger, die möglichst die „Fortbildung Pädagogisches Minimum“ absolviert haben sollten.
In der DDR gab es Weiterbildungsmöglichkeiten in den Bereichen Stationsleitung, Anästhesie und Intensivpflege, Dialyse/Nierentransplantation, Neurologie/Psychologie, OP und Gemeindekrankenpflege. Als „höchste Form der Weiterbildung“ bezeichnete Siegrun Schön die Studiengänge Medizinpädagogik und Diplom-Krankenpflege an der Berliner Humboldt-Universität. Der Studiengang Diplom-Krankenpflege habe zum Ziel gehabt, „sowohl die Pflegekompetenz zu erweitern als auch die Leitungskompetenz zu erwerben beziehungsweise zu optimieren, um auf alle beruflichen Anforderungssituationen in den Krankenpflegeleitungen wirkungsvoll zu reagieren“.
Mit Blick auf die Wiedervereinigung Deutschlands sah die Autorin eine „wichtige Aufgabe“ in der „einheitlichen Vertretung des Krankenpflegeberufes“. Wichtig sei zudem die „Formulierung der Ziele, in welcher Qualität und Quantität die Versorgung der Patienten erfolgen soll“. Siegrun Schön plädierte zudem für den „Erhalt der universitären Ausbildungsmöglichkeiten“.