Das Vertrauen vieler Pflegender in die Politik hat seit der Corona-Pandemie stark gelitten. Mit dem Corona-Pflegebonus hatte die Regierung die pandemiebedingten Belastungen sowie die intensive Mehrarbeit des Pflegepersonals in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtung entschädigen wollen. Doch Mitte September stellte der Bundesrechnungshof (BRH) Mängel bei der Auszahlung der Prämie fest. Jetzt hat die Regierung Unstimmigkeiten eingeräumt und künftig bessere Kontrollen angekündigt. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage von CDU/CSU im Bundestag hervor.
Pflegepersonal hat Rechtsanspruch auf Prämie
Der gesetzlichen Regelung laufe es zuwider, wenn Beschäftigte im Gesundheitssystem keine Corona-Prämie erhalten haben sollten, schreibt die Regierung in ihrer Antwort. In welchem Umfang dies allerdings geschehen sei, sei der Bundesregierung nicht bekannt.
Arbeitgebende hätten den Anspruch ihrer Beschäftigten auf den Bonus bis spätestens 31. Dezember 2022 zu erfüllen. Nach diesem Zeitpunkt könne die Auszahlung von jeder Beschäftigten und jedem Beschäftigten völlig unabhängig von der Frage verlangt werden, ob der Arbeitgebende den Pflegekassen die Bonus-Beträge (rechtzeitig) gemeldet oder die Vorauszahlung erhalten habe.
Pflegebonus für 850.000 Beschäftigte im Krankenhaus
Im vergangenen Jahr hätten rd. 850.000 Beschäftigte in Krankenhäusern einen Corona-Pflegebonus erhalten. Der Antwort zufolge wurden 2021 450 Mio. Euro aus Bundesmitteln an 973 Krankenhäuser für Prämienzahlungen ausgegeben. Ein Jahr zuvor (2020) seien es 433 Krankenhäuser und 100 Mio. Euro gewesen. Für das laufenden Jahr 2022 seien weitere 500 Mio. Euro aus Bundesmitteln für 837 Krankenhäuser bereitgestellt worden.
Für die Prämienzahlungen im Krankenhaus war eine Antragstellung durch die Krankenhäuser nicht erforderlich. Die anspruchsberechtigten Krankenhäuser seien über das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus ermittelt worden.
Zahl für die Langzeitpflege unbekannt
Wie viele Beschäftigte der Langzeitpflege indes die Prämienzahlung erhalten haben, ist der Regierung nicht bekannt. Nach Angaben des Spitzenverbands Bund der Pflegekassen seien 60.685 Anträge von Einrichtungen und Arbeitgebenden zu 2 Antragszeiträumen im Jahr 2020 gestellt worden. Ausgegeben worden seien Corona-Prämien in Höhe von insgesamt 887 Mio. Euro.
Die Zahl der Anträge lasse aber "nur bedingt Rückschlüsse auf die Zahl der damit erfassten Einrichtungen zu". So sei denkbar, dass einzelne Einrichtungen mehrfache Mitteilungen oder mehrere Einrichtungen eines Trägers ihre Mitteilung gemeinsam abgegeben hätten.
Der Vorwurf des BRH, dass rd. 1.700 Pflegeeinrichtungen gar keine Prämienanträge gestellt hätten, ließe nur "sehr stark eingeschränkt Rückschlüsse auf den Umfang nicht ausgezahlter, aber berechtigter Corona-Prämien zu". Schließlich hätten die Verbände der Pflegekassen mitgeteilt, dass die für die Auswertung herangezogenen Institutionskennzeichen (IK) "nur bedingt aussagekräftig" seien. Es sei also "davon auszugehen, dass Prämienvorauszahlungen tatsächlich an mehr Pflegeeinrichtungen vorgenommen wurden, als über die gemeldeten IK dokumentiert ist".
Pflegende haben Anspruch auf Schadenersatz
Zudem soll nach Angaben des BRH in vielen Fällen eine Beantragung der Prämie unterblieben worden sein, obgleich diese zur Auszahlung an die berechtigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gelangt sei. Ein solches Verhalten von Einrichtungen, die eine rechtzeitige Beantragung der finanziellen Mittel zur Auszahlung der Corona-Prämie ggf. versäumt hätten, folge der Rechtslage, dass die Nichtbeantragung und der daran anknüpfende Wegfall des Prämienanspruchs die Verletzung einer arbeitsvertraglichen Nebenpflicht der Pflegeeinrichtung bzw. des Arbeitgebenden gegenüber den berechtigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern darstelle, so die Bundesregierung.
Beschäftigte könnten daher einen Schadenersatzanspruch in entsprechender Höhe gegen ihre Arbeitgebenden geltend machen.
"Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage ist die Bundesregierung der Auffassung, dass anspruchsberechtigte Beschäftigte, die noch keine Corona-Prämie erhalten haben sollten, diese von ihrem Arbeitgeber im Wege des Schadenersatzes einfordern können."
Der Anspruch der berechtigten Beschäftigten gegen ihre Arbeitgebenden auf den Corona-Pflegebonus bestehe unabhängig davon, ob der Arbeitgebende die Vorauszahlung des Bonus beantragt habe.
Missbrauch vermeiden mit besseren Kontrollen
Das gewählte Auszahlungsverfahren verteidigte die Bundesregierung. Nach dem Willen des Gesetzgebers habe die Auszahlung der Prämie "zügig und möglichst unbürokratisch" erfolgen sollen. Dies sei nur über ein Vorauszahlungsverfahren und eine summarische Antragstellung über die Arbeitgebenden zu bewerkstelligen gewesen.
Das Verfahren zum Nachweis geleisteter Sonderzahlungen sei nachjustiert worden. Aufgrund der vom BRH aufgeführten Unregelmäßigkeiten sei das Bundesgesundheitsministerium auf das Bundesamt für Soziale Sicherung zugegangen, "damit sich dieses im Kreise der Aufsichtsbehörden dafür einsetzt, die Pflegekassen für eine angemessene Prüf- und Stichprobengröße im Nachweisverfahren zur Auszahlung des Corona-Pflegebonus zu sensibilisieren".
Konkret sei nun vorgesehen, dass die Arbeitgebenden bis 15. Februar 2023 zusätzlich erklären müssen, an wie viele Beschäftigte und zu welchem Zeitpunkt die Bonuszahlungen genau erfolgt seien. Diese Angaben ließen sich dann "mit dem in den Vergütungsvereinbarungen festgelegten Personalaufwand von den Pflegekassen nachvollziehbar abgleichen". Zudem erhielten "Plausibilisierungs- und vertiefte Einzelfallprüfungen eine deutlich höhere Qualität", auch dadurch steige die Wahrscheinlichkeit der Aufdeckung von Missbrauch.