Fast 13 % der Stellen in der außerklinischen Intensivpflege sind unbesetzt und knapp 20 % der dort tätigen Pflegefachpersonen haben vor, das Arbeitsverhältnis zu beenden oder den aktuellen Stellenumfang zu reduzieren. Das sind Ergebnisse des aktuellen Pflege-Thermometers 2022 – der bislang größten Befragung im Feld der häuslichen Intensivversorgung.
Mehrheit muss Versorgungsanfragen ablehnen
Das Deutsche Institut für angewandte Pflegeforschung (DIP) hat dafür sowohl pflegebedürftige Personen und ihre Angehörigen als auch Pflegefachpersonen selbst und Einrichtungsleitungen befragt. Für letztgenannte hat das DIP eigenen Angaben zufolge 303 Datensätze als Nettostichprobe ausgewertet, 94 Leitungen von ambulanten Diensten, Wohngemeinschaften oder stationären Einrichtungen eingeschlossen. Die Ergebnisse seien als Querschnittsergebnisse der konkreten Stichprobe zu werten und nicht als eine repräsentative Untersuchung mit einer Übertragung und Verallgemeinerung zu verstehen, betont das DIP in der Einleitung seiner in der Vorwoche veröffentlichten Studie.
Der Leiter der Studie, Michael Isfort, fasste die Ergebnisse wie folgt zusammen:
"Der Fachkräftemangel ist auch in diesem Bereich deutlich zu spüren und belastet die Dienste und Einrichtungen gleichermaßen wie die betroffenen Familien. So müssen sie immer häufiger unbesetzte Versorgungszeiten von Diensten ausgleichen und es wird für sie zugleich schwieriger, Dienste zu wechseln oder eigenes Pflegepersonal zu organisieren."
Die Mehrheit der Einrichtungsleitungen (85 von 94) gab demnach an, aktuell Pflegende zu suchen. Gemessen an der Zahl der beschäftigten Pflegenden in den Diensten (in der Stichprobe) ergebe sich daraus ein Anteil von 12,8 % offener Stellen, so das DIP.
V. a. Pflegende mit bereichsspezifischen Weiterbildungen fehlen
Das schlage sich auch auf die Kapazitäten in der Versorgung nieder: Nur 19 von 94 der Leitungspersonen gingen für ihre Region von ausreichend Pflegepersonal zur Sicherstellung der häuslichen Intensivversorgung aus. 68 von 94 antwortenden Leitungen müssten aktuell sogar Versorgungsanfragen ablehnen, weil nicht ausreichend Personal zur Verfügung stehe. In Einzelfällen hätten Kostenträger sogar angefragt, ob eine Versorgung in 340 Kilometern Entfernung übernommen werden könne.
Primär fehlten Pflegefachpersonen; Hilfspersonal mit niedrigeren Qualifikationen würde kaum aktiv gesucht. Insbesondere mangele es an Pflegenden mit bereichsspezifischen Weiterbildungen: Pflegefachpersonen für außerklinische Beatmung (83,5 %) sowie Pflegeexpertinnen und -experten für außerklinische Beatmung (70,6 %). Ebenso seien Personen gefragt, die über eine Basisqualifizierung für außerklinische Intensivpflege verfügten. Diese aber machten unter den antwortenden Pflegenden einen eher geringen Anteil aus, sodass sich eine „erhebliche Diskrepanz“ zeige zwischen dem von den Diensten präferierten Qualifikationsniveaus und den tatsächlich zur Verfügung stehenden Personengruppen, so das DIP.
Anwerbung von Pflegenden aus dem Ausland spielt noch keine große Rolle
Aufgrund des Personalmangels steige der Aufwand für die Personalgewinnung. Allerdings würden auch Abstriche in der Qualität der Bewerbenden in Kauf genommen. Gut jede zweite Leitung (50 von 94) habe angegeben, im Jahr 2020 Personen eingestellt zu haben, die sie vor 5 Jahren noch abgelehnt hätte.
Die Anwerbung von Pflegenden aus dem Ausland spiele insgesamt eine noch untergeordnete Rolle und sei lediglich in 10 von 94 Einrichtungen als eine Lösungsmöglichkeit genutzt worden. Perspektivisch aber wollten dies in 2022 erheblich mehr Einrichtungen (23) angehen.
Mehr als 17 % der Pflegenden wollen die häusliche Intensivversorgung verlassen
Ein weiteres Ergebnis der Pflege-Thermometers: Beinahe jede zweite Pflegefachperson (47,0 %) sei aktuell mit der Vergütung der Leistung unzufrieden. Zudem sei ca. ein Drittel der Pflegenden unzufrieden mit der Personalführung (36,6 %).
Nur 45,7 % der Befragten hätten keinerlei Absicht, an dem bestehenden Dienstverhältnis Änderungen vorzunehmen. Knapp jede fünfte Person (19,9 %) habe vor, das Arbeitsverhältnis zu beenden oder den aktuellen Stellenumfang zu reduzieren. 17,5 % planten, die häusliche Intensivversorgung gänzlich zu verlassen.
Tabellen und weitere Details hat das DIP in einem 80-seitigen Materialband zur Verfügung gestellt.