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Multiperspektivische Fallanalyse in der Pflegepraxis

Wege zu ganzheitlichem Verständnis, zu Resilienz und Entscheidungsstärke

Wie durch unterschiedliche Blickwinkel auf eine anspruchsvolle Situation im Pflegeheim Lösungen und neue Handlungsansätze entwickelt werden können.

Die multiperspektivische Betrachtung von Fallsituationen bietet Pflegefachpersonen entscheidende Vorteile, um komplexe Situationen im Berufsalltag besser zu bewältigen. Sie ermöglicht nicht nur ein tiefgehendes Verständnis, sondern fördert auch Empathie, reflektiertes Handeln und eine gestärkte Resilienz. Dieser Artikel betrachtet eine anspruchsvolle Situation im Pflegeheim aus stoizistischer sowie energetischer Perspektive und zeigt, wie durch unterschiedliche Blickwinkel Lösungen und neue Handlungsansätze entwickelt werden können.

Die Betrachtung von Fallsituationen aus unterschiedlichen Perspektiven ist in vielen Bereichen des beruflichen und privaten Lebens von großer Bedeutung. Im beruflichen Kontext kann dies in der beruflichen Pflege, in der Bildung oder in der Forschung von großer Relevanz sein und vielfältige Vorteile mit sich bringen:

  1. Ganzheitliches Verständnis: Die Betrachtung eines Falles aus verschiedenen Blickwinkeln führt zu einem umfassenderen und tieferen Verständnis der Situation. Dadurch sind die Komplexität und die verschiedenen Facetten eines Problems besser zu erfassen.
  2. Vermeidung eines Tunnelblicks: Wer nur eine Perspektive einnimmt, läuft Gefahr, einen Tunnelblick zu entwickeln und wichtige Aspekte zu übersehen. Mehrere Perspektiven helfen, blinde Flecken zu vermeiden und eine ausgewogenere Sichtweise zu entwickeln.
  3. Förderung des Einfühlungsvermögens: Das Einnehmen verschiedener Perspektiven fördert die Empathie, da man sich in andere Personen hineinversetzen muss. Dies ist besonders in der Pflege und sozialen Bereich wichtig, um die Bedürfnisse und Gefühle der Betroffenen besser zu verstehen.
  4. Bessere Entscheidungsfindung: Durch die Berücksichtigung verschiedener Perspektiven lassen sich fundiertere und ausgewogenere Entscheidungen treffen. Dies ist besonders wichtig in komplexen Situationen, in denen es keine einfachen Lösungen gibt.
  5. Theorie-Praxis-Transfer: In der Ausbildung, insbesondere in der Pflege, ermöglicht die multiperspektivische Fallanalyse einen verbesserten Theorie-Praxis-Transfer. Studierende können theoretisches Wissen auf reale Praxissituationen anwenden und so ihre Handlungskompetenz verbessern.
  6. Reflexion und Lernen: Die Betrachtung von Fallsituationen unterschiedlicher Perspektiven fördert die Reflexion und das Lernen. Es ermöglicht eine kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Praxis und hilft, kontinuierlich dazuzulernen und sich zu verbessern.
  7. Entwicklung von Handlungsalternativen: Anhand der Analyse eines Falls aus unterschiedlichen Blickwinkeln können verschiedene Handlungsalternativen entwickelt und bewertet werden. Diese Alternativen ermöglichen die notwendige Flexibilität und Anpassungsfähigkeit in der Praxis.

Die multiperspektivische Betrachtung von Fallsituationen ist ein wertvolles Instrument, um ein tieferes Verständnis zu erlangen, bessere Entscheidungen zu treffen und die eigene Praxis kontinuierlich zu verbessern. Sie fördert Empathie, Reflexion und die Entwicklung von Handlungsalternativen, was in vielen Bereichen von unschätzbarem Wert ist.

Im Folgenden wird eine Problemsituation aus der beruflichen Pflege aus zwei unterschiedlichen Perspektiven betrachtet, um die genannten Vorteile zu erzielen.

Situationsbeschreibung

Die Wohnbereichsleiterin ist 42 Jahre alt und alleinerziehend mit einer 11-jährigen Tochter. Sie ist sehr pflichtbewusst und verantwortungsvoll. Ihre einfühlsame Fürsorge schätzen alle sehr. Sie ist stets bemüht, den Menschen in ihrem Umfeld gerecht zu werden – auch wenn sie dabei manchmal über ihre eigenen Grenzen geht und es sie schon schlaflose Nächte und Magenschmerzen gekostet hat.

Auch zu Hause ist sie für fast alles zuständig. Unterstützung erhält sie von ihrer Mutter, die allerdings 150 Kilometer entfernt wohnt und daher im Alltag keine große Hilfe ist.

Manchmal, wenn sie ganz allein ist, lässt sie ihren Gefühlen und den Tränen freien Lauf, um dann im Alltag immer lächelnd und scheinbar positiv ihre Frau zu stehen.

Beruflich leitet sie seit drei Jahren einen gerontopsychiatrischen Wohnbereich in einem Seniorenheim am Rande einer Großstadt.

Vor fast 20 Jahren hat sie ihre dreijährige Ausbildung zur Altenpflegerin abgeschlossen und ist mit Leib und Seele in ihrem Beruf engagiert.

Seit einigen Monaten ist in ihrem Wohnbereich sehr viel zu tun. Die Bewohner:innen sind fordernd, es gibt einige Abgänge und entsprechend viele Neuaufnahmen mit Unruhe und Aufregung, da jede Neuaufnahme die fragile Stabilität im Wohnbereich beeinträchtigt. Zusätzlich belastet seit einigen Wochen ein hoher Krankenstand unter Fach- und Aushilfskräften die Gesamtsituation. Die Stimmung des Personals ist daher nicht besonders gut.

Zu dieser arbeitsreichen und anstrengenden Situation ist nun noch ein weiteres Problem hinzugekommen: Der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) hat vor zwei Wochen bei seiner (unangemeldeten) Prüfung und Begehung nicht nur die Unterlagen, sondern auch den Pflegezustand der Bewohner:innen inspiziert. Dabei wurden zahlreiche Pflegemängel und Sicherheitsbeeinträchtigungen identifiziert. Bei einer Bewohnerin wurde ein Dekubitus festgestellt, der weder dokumentiert noch pflegerisch behandelt wurde.

Der MDK hat dem Wohnbereich und dem Seniorenheim eine Frist bis Ende nächsten Monats gesetzt, um die gravierendsten Mängel vollständig zu beseitigen. Sollte dies bis zum Ablauf der Frist nicht geschehen sein, werde ein empfindliches Bußgeld verhängt, heißt es in der MDK-Begutachtung an die Heimleitung.

Die Einrichtungsleitung hat die Wohnbereichsleiterin daraufhin zum Rapport zitiert und um Stellungnahme gebeten. Die Situation im Wohnbereich mit Personalmangel und permanenter Überlastung wurde von der Einrichtungsleitung brüsk abgetan. Sie solle sich nicht so anstellen und stattdessen „den Laden auf Vordermann bringen“. Es gäbe finanzielle Schwierigkeiten und ihr Wohnbereich müsse sogar in anderen Wohnbereichen aushelfen, in denen die Situation noch schlimmer sei. So sei die Situation. Das sei nicht zu ändern.

Als die Wohnbereichsleiterin heute nach dem Gespräch mit der Heimleiterin auf ihren Wohnbereich zurückkehrt, steht eine aufgebrachte Angehörige der Bewohnerin mit dem Dekubitus im Flur und greift sie verbal massiv an. Sie droht mit Anzeige, Anwalt und Polizei.

Die Wohnbereichsleiterin ist verzweifelt und möchte sich am liebsten – obwohl das gar nicht ihre Art ist – am nächsten Tag krankmelden.

Stoizistische Perspektive: Achtsamkeit stärken

Die Wohnbereichsleiterin sieht sich schwierigen bis unverantwortlichen Zuständen gegenüber. Sie hat der Einrichtungsleitung ihr Leid geklagt und die Umstände umfassend beschrieben. SIe selbst kann die Situation nicht verändern. So schwer es auch sein mag, sie sollte lernen, die Unveränderbarkeit der Situation so zu akzeptieren, wie sie ist.

Dazu kann sie sich mit Freund:innen und Bekannten, ihrem Kind sowie ihrer Mutter besprechen und um (psychische) Unterstützung bitten. Sie kann sich auch an den Betriebsrat oder die Mitarbeitervertretung wenden, um die Situation transparent zu machen.

Darüber hinaus kann sie persönlich Folgendes tun:

Tagebuch schreiben: Sie sollte täglich in ein Tagebuch schreiben, um zu reflektieren und zu erkennen, was in bestimmten Situationen kontrollierbar ist und was nicht. Sie sollte die Ereignisse des Tages aufschreiben und jeden Eintrag entsprechend kennzeichnen: Ist die Situation oder ihre Reaktion darauf kontrollierbar? Sie könnte entdecken, dass viele der Stressoren in ihrem Leben tatsächlich außerhalb ihrer Kontrolle liegen, und dies könnte Sie dazu ermutigen, mehr Energie auf die Dinge zu konzentrieren, die sie tatsächlich beeinflussen kann. Indem Sie Ihre Erfahrungen, Gefühle und Gedanken aufschreibt, kann sie ein tieferes Verständnis für Ihre Reaktionen auf die Herausforderungen entwickeln.

Morgens sollte sie den Tag mit einer ruhigen Reflexion beginnen, um ihre Gedanken und Gefühle zu zentrieren. Diese Zeit kann sie nutzen, um stoische Texte zu lesen oder zu meditieren. Das könnte ihr helfen, ihre Ziele und Werte klar zu sehen. Sie sollte sich zunächst in einen ruhigen, entspannten Zustand versetzen. Sie sollte darüber nachdenken, wie sie am nächsten Tag Akzeptanz üben kann, besonders in Bezug auf die Dinge, die sie nicht kontrollieren kann.

Reframing: Ein anderer Ansatz könnte darin bestehen, die Situation im Sinne von „Reframing“ neu zu bewerten. Diese Technik zielt darauf ab, die Art und Weise, wie wir unkontrollierbare und nicht oder kaum beeinflussbare Ereignisse wahrnehmen, neu zu rahmen. Anstatt ein unkontrollierbares Ereignis als negative oder bedrohliche Situation zu betrachten, sollte die Wohnbereichsleiterin versuchen, diese als Chance für Wachstum, Lernen, persönliche Entwicklung und positive Herausforderung zu sehen. Sie könnte dies als Chance sehen, ihre Fähigkeiten zu verbessern, ihre innere Stärke und Gelassenheit zu stärken oder neue Strategien zu entwickeln, um in Zukunft erfolgreicher zu sein. Auch wenn es angesichts der katastrophalen Situation im Wohnbereich fast zynisch klingen mag, ist die Technik des Reframing eine gute (Überlebens-)Methode, um in scheinbar unerträglichen Situationen psychisch und mental gesund zu bleiben.

Wenn die Wohnbereichsleiterin mit einem aktuellen, unkontrollierbaren Ereignis konfrontiert wird, kann sie sich auch einige Sekunden Zeit nehmen, um tief durchzuatmen und ihre Gedanken zu sammeln, bevor sie reagiert. Dabei sollte sie mit Achtsamkeit in ihren Atem gehen.

Manchmal kann die Konzentration auf die negativen Aspekte eines unkontrollierbaren Ereignisses unseren Blick verengen und uns daran hindern, das ganze Bild zu sehen. Die Praxis der Dankbarkeit kann helfen, die Aufmerksamkeit auf die positiven Aspekte des Lebens zu richten. Die Wohnbereichsleiterin sollte versuchen, jeden Tag drei Dinge aufzuschreiben, für die sie dankbar ist. Das kann dazu beitragen, eine positive und optimistische Einstellung zu fördern und die negativen Auswirkungen unkontrollierbarer Ereignisse abzuschwächen.

Energetische Perspektive: Grenzen erkennen und sich selbst wertschätzen

Alles im Universum ist Energie und Schwingung. Unser Körper, Tiere, Pflanzen und sogar scheinbar leblose Gegenstände sind Energie. Auch unsere Gedanken und Gefühle sind Schwingungen, die wir aussenden und empfangen.

Unsere Identität setzt sich aus unseren genetischen Veranlagungen und Konditionierungen zusammen. Gedanken sind Reaktionen auf vergangene Erfahrungen, die bestimmte Gefühle in uns auslösen. Oft reagieren wir auf äußere Reize (Reiz-Reaktion), anstatt aus unserem Inneren, aus unserem Herzen heraus zu handeln, was unserem wahren Selbst entspräche.

Es ist wichtig zu erkennen, dass wir Gedanken und Gefühle haben, aber nicht unsere Gedanken und Gefühle sind. Da wir ständig Signale aussenden und dadurch Menschen und Situationen in unser Leben ziehen, sollten wir uns bewusst machen, was wir in unserem Leben haben wollen und unsere Gedanken und Gefühle danach ausrichten. Wir können unsere Gedanken und Gefühle jederzeit steuern und verändern.

Viele Menschen glauben, dass sie glücklich wären, wenn sich eine Person oder eine Situation ändert. Aber das ist ein Irrtum. Das Leben funktioniert von innen nach außen. Veränderung muss zuerst in uns selbst stattfinden, damit sich im Außen etwas ändern kann.

Achtsamkeitsübungen: Für die Wohnbereichsleiterin im Beispiel es wichtig, ihre persönlichen Grenzen zu erkennen und bei sich selbst anzukommen. Dies kann durch Achtsamkeit, wie kurze Atemübungen und das Spüren des eigenen Körpers, geschehen. Aufgaben zu delegieren bedeutet auch, Kontrolle abzugeben und loslassen zu können.

Es ist wichtig, die eigene Energie zu stärken und zu lernen, diese Energie zu halten, was Sicherheit gibt. Ein tägliches Morgenritual, wie eine kurze Erdungsübung, kann die Wohnbereichsleiterin in eine positive Energie versetzen.

Wenn die Wohnbereichsleiterin von Unvorhergesehenem überrascht wird, sollte sie versuchen, die Situation nicht zu bewerten. Bewertungen führen oft dazu, in einer Situation stecken zu bleiben. Stattdessen sollte sie wertfrei bleiben und die Situation als "interessant" betrachten, um Raum für Möglichkeiten zu schaffen. Fragen zu stellen, wie "Wie kann es besser/einfacher gehen?" oder "Was braucht es jetzt, um...?" kann hilfreich sein.

Warum macht dieser Ansatz Sinn? Unser Verstand ist immer auf der Suche nach Antworten und Lösungen, und diese werden kommen – vielleicht in Form eines beiläufigen Satzes, einer Schlagzeile, eines Zitats, eines Lieds oder eines Buchs.

Dankbarkeitsübungen: Dankbarkeit ist eine sehr mächtige Kraft. Dankbarkeitsübungen, wie täglich zehn Dinge aufzuschreiben, für die man dankbar ist, können den Fokus und die Energie in eine höhere Schwingungsfrequenz bringen.

Die Wohnbereichsleiterin sollte darauf achten, gut für sich zu sorgen, sich bewusst Zeit dafür zu nehmen und liebevoll mit sich umzugehen – gegebenenfalls mit Unterstützung anderer Instanzen. Dazu gehört auch, sich der eigenen Selbstgespräche bewusst zu werden und sich selbst täglich anzuerkennen und wertzuschätzen.

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