Die Pflegestufen und übergeleiteten Pflegegrade können die erfasste Pflege- und Betreuungszeit nur zu einem geringen Teil erklären. Das ist ein zentrales Ergebnis einer Studie der Philosophisch-Theologischen Hochschule Vallendar (PTHV). Wissenschaftler haben darin zusammen mit 58 stationären Pflegeeinrichtungen und 54 Pflegeschulen den Zusammenhang von Pflegebedürftigkeit, Pflegequalität und Personalausstattung in der stationären Pflege untersucht.
Die Pflegegrade könnten die erfasste Pflege- und Betreuungszeit nur zu 21 Prozent erklären, sagte Studienleiter Albert Brühl in der vergangenen Woche.
Mit der Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs im Jahr 2017 habe sich für die ausschließlich nach dem neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff eingestuften Bewohner nur ein Anteil von 10 % der Zeitunterschiede in Pflege- und Betreuungszeit auf den Pflegegrad zurückführen lassen.
Pflegebegutachtung führt nicht zu einer der Pflegepraxis entsprechenden Einschätzung von Pflegebedürftigkeit
Im Umkehrschluss bedeute dies, dass ein Bewohner mit einem hohen Pflegegrad nicht zwingend mehr Pflege- und Betreuungszeit erhalten müsse als ein Bewohner mit einem niedrigen Pflegegrad. Die Kriterien der Pflegebegutachtung führten also nicht zu einer der Pflegepraxis entsprechenden Einschätzung von Pflegebedürftigkeit.
"Die Tatsache, dass der Erklärungsgehalt des Pflegegrades an der Pflege- und Betreuungszeit einen so geringen Anteil hat, wird insbesondere vor dem Hintergrund problematisch, dass die Pflegegrade zur Berechnung der Personalausstattung der Heime herangezogen werden."
Die personelle Ausstattung und damit die für die einzelnen Bewohner zur Verfügung stehende Pflege- und Betreuungszeit hänge also von der Fähigkeit einer Einrichtung ab, die Bewohner in einen möglichst hohen Pflegegrad eingestuft zu bekommen, so Brühl weiter.
Das mehr als 2 Jahre dauernde Forschungsprojekt "Pflege in Baden-Württemberg. Entwicklung struktur- und prozessorientierter Qualitätsindikatoren in der Langzeit-Pflege in Baden-Württemberg" ist nun abgeschlossen. Es wurde zusammen mit der Hochschule Esslingen umgesetzt.