Viele träumen davon, doch nur wenige trauen sich – im Ausland zu arbeiten, ob für eine begrenzte Zeit oder auf Dauer. Wir haben mit Pflegenden gesprochen, die den Schritt gewagt haben.
„Die erste Zeit war hart"
Ein bisschen Abenteuer, mal im Ausland wohnen, Land und Leute kennenlernen, etwas für den Lebenslauf tun – dies waren Jasmin Müllers Beweggründe, als sie vor 13 Jahren ihre Koffer packte und nach Stockholm zog. Geplant war maximal ein Jahr.
„Schweden hat damals – wie auch heute – händeringend ausländisches Pflegepersonal gesucht. Mir wurde deswegen eine Wohnung, ein Job im Krankenhaus und ein Schwedisch-Sprachkurs angeboten", erinnert sich Jasmin Müller. „Wir wurden bei der Integration und den Formalien sehr unterstützt. Weil wir sofort eine Arbeit hatten, waren wir auch schnell drin im System und die Integration lief fast wie von selbst."
Für Jasmin Müller hat sich die Entscheidung bewährt, sie bereut nichts. Dennoch war die erste Zeit hart. „Ich bin durch diesen Schritt unheimlich gewachsen, habe viel dazugelernt, bin offener geworden", sagt die alleinerziehende Mutter einer achtjährigen Tochter. „So eine Entscheidung muss von innen kommen und man muss bereit sein, das Vertraute zu verlassen, neuen Welten zu begegnen, sich zu verändern. Das ist nicht immer leicht und auch mit Rückschlägen verbunden."
Jasmin Müller arbeitet seit vier Jahren an einer Hochschule im mittelschwedischen Skövde. Als Krankenschwester hatte sie nur ein Jahr gearbeitet und sich dann rasch weiterentwickelt. „An Schweden schätze ich sehr, dass man auch als alleinerziehende Mutter Karriere machen kann, weil das Betreuungssystem optimal ausgebaut ist", so Jasmin Müller.
Ihre Arbeit empfindet sie als vielseitig und herausfordernd. Unter anderem begleitet sie werdende Krankenpflegerinnen in unterschiedlichen Kursen und schreibt an ihrer Doktorarbeit. Zurückkehren nach Deutschland möchte Jasmin Müller vorerst nicht.
Jasmin Müller, 48, lebt als alleinerziehende Mutter mit ihrer Tochter in Schweden
„Bis zu 16 Stunden täglich gearbeitet"
Svenja Pistek, 26, ist eine von drei Rotkreuzschwestern, die die Schwesternschaft München vom Bayerischen Roten Kreuz dieses Jahr für die Flüchtlingshilfe nach Griechenland entsandte. Für Svenja Pistek war es der erste humanitäre Auslandseinsatz, wobei sie schon Vorerfahrungen sammeln konnte bei Einsätzen in Erstaufnahmelager für Flüchtlinge im oberbayerischen Feldkirchen.
Svenja Pistek war Teil eines Teams, das die Basisgesundheitsstationen in den beiden nordgriechischen Lagern Nea Kavala und Cherso aufbaute. Am Tag ihrer Ankunft waren die benötigten Hilfsgüter noch nicht alle eingetroffen. „Wir haben dann zunächst eine Bestandsaufnahme der vorhandenen Hilfsgüter gemacht und überlegt, wie wir sie auf die beiden Camps aufteilen", erinnert sich Svenja Pistek.
Ein Teil ihres Teams fuhr in das Lager Idomeni, in dem sich damals rund 14 000 Menschen aufhielten, um sich vor Ort ein Bild der Lage zu machen und im Medizinzelt des Griechischen Roten Kreuzes zu helfen.
„Als am zweiten Tag der LKW aus Berlin eintraf, war jede Hand gefragt", erzählt Svenja Pistek. Ladung abladen, Zelte aufbauen, Hilfsgüter einsortieren. „Um schnell einen geregelten Betrieb aufzunehmen und medizinische Hilfe leisten zu können, haben wir alle bis zu 16 Stunden am Tag gearbeitet. Nach zwei Wochen, als mein Einsatz zu Ende ging, fuhr ich zwar erschöpft, aber in dem Bewusstsein, ein kleiner Baustein in einem weltweiten Netzwerk zu sein, nach Hause."
Die Münchner Rotkreuzschwester Svenja Pistek, 26, leistete Flüchtlingshilfe in Griechenland
„Der Verdienst ist in Luxemburg doppelt so hoch"
Michael Dewes, 43, ist ein sogenannter Grenzgänger. Der Fachkrankenpfleger für Intensivpflege und Anästhesie pendelt täglich zwischen seinem Wohnort im Saarland ins rund eine Autostunde entfernte Esch-sur-Alzette in Luxemburg. Dort arbeitet der zweifache Familienvater in einem mehrheitlich französischsprachigen Team auf einer interdisziplinären Intensivstation. Die Fremdsprache war für ihn kein Problem, „schon nach einem Jahr ist man drin im Fachvokabular", so Michael Dewes. „Viel herausfordernder ist es, auch beim Smalltalk mit den Kollegen mitzuhalten, besonders wenn sie schnell sprechen."
Michael Dewes genießt die deutlich besseren Rahmenbedingungen der Pflege im Großherzogtum. „Vor allem ist es finanziell ein großer Unterschied, im Vergleich zu einer vergleichbaren Stelle in Deutschland verdiene ich hier ungefähr das Doppelte", so Michael Dewes. Beim Lohn komme es in Luxemburg jedoch sehr auf die Berufsjahre, absolvierte Weiterbildungen und andere Einflussfaktoren an. Das Gehalt könne von Person zu Person daher unterschiedlich ausfallen.
Weitere Vorteile sind für ihn die deutlich besseren Personalschlüssel und kaum vorhandenen Hierarchien. „Das in Deutschland gängige Top-Down-System aus Chefarzt, Oberarzt, Assistenzarzt und Pflegendem ist in Luxemburg unbekannt", so Michael Dewes. „Daher wird die Kommunikation zwischen Ärzten und Pflegenden eher von zwischenmenschlichen Aspekten bestimmt."
Beeindruckt zeigt sich der Saarländer auch vom hohen Organisationsgrad der luxemburgischen Pflegenden. „Allein die Fachpflegenden sind zu 80 bis 90 Prozent im Berufsverband ALIAR – Association luxembourgeoise des Infirmier(e) en Anesthésie et Réanimation organisiert – davon können wir in Deutschland nur träumen", gibt Michael Dewes zu bedenken. Das Land sei halt klein, man lerne sich schnell kennen. Aber auch die Mentalität der Pflegenden im Großherzogtum sei eine andere als in Deutschland. Michael Dewes: „In Luxemburg warten Pflegende nicht darauf, dass es andere Berufsgruppen für sie richten. Für sie ist es selbstverständlich, dass sie sich selbst stark machen."
Michael Dewes, 43, arbeitet als Fachkrankenpfleger in der zweitgrößten Stadt Luxemburgs, Esch-sur-Alzette