Zur Wundreinigung kommt meist sterile Kochsalzlösung zum Einsatz. Doch eignet sich alternativ auch Leitungswasser? Ein aktualisiertes Review des Wissenschaftsnetzwerks Cochrane widmete sich dieser häufig diskutierten Frage.
Hintergrund. Die Heilung von Wunden wird durch verschiedene Faktoren beeinflusst; hierzu zählen koexistierende Krankheiten, Infektionen und ein ungünstiges Wundmilieu. Die Reinigung einer Wunde als wichtiger Teil der Wundbehandlung hat zum Ziel, Beläge, Nekrosen und überschüssiges Wundexsudat zu entfernen. Häufig wird zur Wundreinigung sterile isotonische Kochsalzlösung verwendet. Doch auch die Verwendung von Leitungswasser wird diskutiert, da es als leicht zugänglich und kostengünstig gilt [1]. Allerdings könnten bei der Verwendung von verunreinigtem Leitungswasser Keime in die Wunde gelangen und die Wundheilung verzögern beziehungsweise zu Wundinfektionen führen [2]
Methode. In einem aktualisierten Review von Cochrane wurde untersucht, wie sich verschiedene Wasserarten (Leitungswasser, destilliertes Wasser, abgekühltes abgekochtes Wasser) im Vergleich zu anderen Spül- und Reinigungslösungen beziehungsweise keiner Wundreinigung oder -spülung auf die Wundinfektionsrate und die Wundheilung auswirken [1].
Für den Review wurde eine systematische Literaturrecherche in elektronischen Fachdatenbanken und anderen Quellen durchgeführt. Eingeschlossen wurden ausschließlich randomisierte kontrollierte Studien. Studien zu Wundspüllösungen im Zusammenhang mit Operationen und ebenso Studien, die verschiedene Wundverbände verglichen, wurden ausgeschlossen. Der wichtigste Ergebnisparameter war die Rate der Wundinfektionen; sekundäre Parameter waren Wundheilungsrate, Veränderungen der Wundgröße, wundbezogene Schmerzen und die Zufriedenheit der Patientinnen und Patienten.
Ergebnisse. Das Review schloss 13 randomisierte kontrollierte Studien mit insgesamt 2.504 Teilnehmenden ein. Die Teilnehmenden hatten unterschiedliche Verletzungen, darunter offene Frakturen, chirurgische Wunden, traumatische Wunden, Analfissuren und chronische Wunden. Die Studien stammten hauptsächlich aus Indien und den USA; neun Studien waren im Krankenhaus und vier Studien im häuslichen Setting verortet. Die Wundreinigung erfolgte in zehn Studien durch Pflegende oder anderes medizinisches Personal, in drei Studien von den Teilnehmenden selbst. Die Beobachtungsdauer in den Studien reichte von zwei Tagen bis zu sechs Wochen.
Acht Studien mit 2.204 Teilnehmenden verglichen die Wundreinigung mit Leitungswasser oder steriler isotonischer Kochsalzlösung. Zwei Studien mit 152 Teilnehmenden verglichen die Wundreinigung mit destilliertem Wasser und isotonischer Kochsalzlösung. Eine Studie mit 51 Teilnehmenden verglich die Verwendung von abgekühltem abgekochten Wasser mit isotonischer Kochsalzlösung sowie die Wundreinigung mit destilliertem Wasser im Vergleich zu abgekühltem abgekochten Wasser. In drei Studien mit insgesamt 148 Teilnehmenden wurde die Wundreinigung mit Leitungswasser im Vergleich zu keiner Wundreinigung untersucht.
Die Ergebnisse des Reviews zu Wundinfektionsraten zeigten keine klaren Unterschiede bei der Verwendung von Leitungswasser, destilliertem Wasser oder abgekochtem Wasser im Vergleich zu isotonischer Kochsalzlösung. Auch für die anderen Ergebnisparameter fand das Autorenteam keine eindeutigen Unterschiede zwischen den verschiedenen Arten der Wundreinigung. Allerdings ist die Aussagekraft der Ergebnisse unsicher, da die Studien verschiedene methodische Limitierungen aufwiesen und die Zahl der Studien und Patienten für die einzelnen Vergleiche zum Teil gering waren. Außerdem bezogen sich die Studien auf unterschiedliche Settings und Teilnehmendengruppen, zum Beispiel Kinder und Erwachsene mit verschiedenen Wundarten.
Schlussfolgerung. Die Ergebnisse des Reviews geben keine klaren Hinweise, ob die Verwendung von Leitungswasser oder destilliertem Wasser im Vergleich zu isotonischer Kochsalzlösung Auswirkungen auf die Wundinfektionsrate oder die Wundheilung hat; es gibt aber auch keine Hinweise auf negative oder unerwünschte Effekte.
Aufgrund der potenziellen Gefahr der Einbringung von Keimen wird allerdings in der kürzlich aktualisierten S3-Leitlinie „Lokaltherapie schwerheilender und/oder chronischer Wunden aufgrund von peripherer arterieller Verschlusskrankheit, Diabetes mellitus oder chronischer venöser Insuffizienz“ der Einsatz von sterilen, wirkstofffreien Lösungen zur Reinigung von Wunden ohne klinische Zeichen einer Infektion empfohlen, da bei nicht sterilen Reinigungslösungen das Risiko besteht, Keime in die Wunde einzubringen. Außerdem sollen laut der Leitlinie Wunden im Rahmen der Körperpflege vor Kontakt mit unsterilem Wasser geschützt werden [2].
Der hier vorgestellte Cochrane Review wurde zwar in der Leitlinie noch nicht berücksichtigt; allerdings stehen die Ergebnisse nicht im Widerspruch zu den Empfehlungen. Auch wenn die Studienergebnisse keine Hinweise auf eine erhöhte Wundinfektionsrate aufzeigten, sind diese Ergebnisse aufgrund der genannten Limitierungen nicht verallgemeinerbar. Aufgrund der Unsicherheit der zugrunde liegenden Evidenz ist es ratsam, bei der Entscheidung über das Mittel der Wundreinigung andere Faktoren – zum Beispiel die Wünsche der Patienten, den Zustand der Wunde und die Verfügbarkeit von Spülflüssigkeiten – zu berücksichtigen. Das Risiko für die Einbringung von Keimen bei der Wundreinigung sollte jedoch ebenfalls berücksichtigt werden.
Für die Forschung zeigt sich wiederum dringender Bedarf nach methodisch gut geplanten und durchgeführten Studien, um den Nutzen von solchen essenziellen Pflegemaßnahmen zu überprüfen.
[1] Fernandez R, Green HL, Griffiths R, Atkinson RA, Ellwood LJ. Water for wound cleansing. Cochrane Database Syst Rev 2022; (9): CD003861
[2] Deutsche Gesellschaft für Wundheilung und Wundbehandlung. S3-Leitlinie Lokaltherapie schwerheilender und/oder chronischer Wunden aufgrund von peripherer arterieller Verschlusskrankheit, Diabetes Mellitus oder chronischer venöser Insuffizienz. Registernummer 091 – 001. Version 2.0, 2023. Im Internet: register.awmf.org/de/leitlinien/detail/ 091-001; Zugriff: 16.10.2023