Krankenhäuser aus Deutschland, die an der Interventionsstudie Magnet4Europe teilnehmen, stellen in einer dreiteiligen Artikelserie ausgewählte Projekte, Interventionen und Erkenntnisse vor.
Herausragende Leistung sichtbar machen
„PflegeStar“ ist eine Auszeichnung der Pflegedirektion am Universitätsklinikum Freiburg (UKF), um herausragende Leistungen von Pflegenden und Hebammen zu würdigen. Patienten, Angehörige und Mitarbeitende aller Berufsgruppen können Einzelpersonen oder Teams für den Preis nominieren. Eine Jury wertet die Vorschläge aus und trifft eine Entscheidung. Neben dem Holzstern aus nachhaltiger Forstwirtschaft mit einer persönlichen Gravur wird immer auch eine PflegeStar- Torte aus der klinikeigenen Konditorei mit einem Blumenstrauß, auch aus der klinikeigenen Floristik, und ein Geschenk überreicht.
In vielen Magnet-Häusern wird der „Daisy Award“ an Mitarbeitende mit besonders guten Leistungen verliehen. Doch am UKF gab es den Wunsch nach einem eigenen Format und einer eigenen Bezeichnung. Die Bezeichnung PflegeStar wurde in einer der Shared-Governance-Gruppen des Klinikums geboren.
Zu Beginn waren die Reaktionen noch verhalten. Viele fragten sich: Macht ein Konzept aus den USA bei uns wirklich Sinn? Ist es okay, einzelne Personen hervorzuheben, obwohl Pflege eine Teamleistung ist? Heute zeigt sich: Ja, es ist okay – sogar sehr! Viele Mitarbeitende wollen bei den Preisverleihungen dabei sein und mitfeiern. Im Intranet werden die Auszeichnungen veröffentlicht und mit vielen positiven Kommentaren versehen.
Die Begründungen der Jury sind so vielfältig wie die Themen. In den Auszeichnungen finden sich die Elemente einer personenzentrierten Praxisentwicklung wider. Sie ist identitätserhaltend und -fördernd, zeugt von gegenseitigem Respekt; alle Beteiligten sind in die Prozesse einbezogen – ganz nach dem Kerngedanken des Magnet-Konzepts!
— Jorun Thoma, Dr. Johanna Feuchtinger
Zufriedenheit und Wertschätzung fördern
Am Deutschen Herzzentrum der Charité (DHZC) haben wir uns im Rahmen unserer Teilnahme an Magnet4Europe die Etablierung einer multiprofessionellen Visite vorgenommen, um künftig Informationsverluste zu vermeiden, professionelle Rollen klar zu definieren und Arbeitsprozesse zu verbessern.
Zunächst galt es, ein sinnvolles Rollenverständnis der ärztlichen und pflegerischen Berufsgruppen zu etablieren, aber auch örtliche Rahmenbedingungen und zeitliche Absprachen in den Blick zu nehmen. Eine evidenzbasierte Behandlung entsteht erst, wenn Behandlungsziele und die dazu notwendigen Schritte auf Augenhöhe miteinander besprochen und festgelegt werden. Alle beteiligten Berufsgruppen erreichen dadurch ein hohes Maß an Zufriedenheit und Wertschätzung.
Soweit die Theorie – doch in der Praxis merkten wir schnell, dass sich eine multiprofessionelle Visite in kurzer Zeit nicht zufriedenstellend umsetzen lässt. Zum einen liegt dies an der Natur des Menschen, der sich mit Veränderungen schwertut. Bis heute erkennen nicht alle Mitarbeitenden den Benefit einer multiprofessionellen Visite und es scheint, als hätten andere Themen Vorrang auf den Stationen. Hinzu kamen in unserem Fall Faktoren von außen: Aufgrund unserer Fusion mit der Charité standen schlicht und ergreifend nur begrenzte Ressourcen zur Verfügung.
Derzeit starten wir eine Befragung unter den Beschäftigten, um die bisherige Umsetzung zu evaluieren und Hemmschwellen zu identifizieren. Auch wenn wir heute noch nicht da stehen, wo wir sein wollen, ist ein Punkt sehr deutlich geworden: Der Weg zum Magnet-Krankenhaus ist nicht gradlinig. Vielmehr ist der Weg das Ziel und muss ständig überprüft werden.
— Sebastian Dienst, Annegret Schönfeld
Pflegende an Entscheidungsprozessen beteiligen
Am Robert-Bosch-Krankenhaus (RBK) in Stuttgart arbeiten wir gezielt an der Umsetzung der Magnet-Komponenten. Viele der Magnet-Kriterien beziehen sich auf die Einbindung von Pflegenden in Entscheidungen. Pflegefachpersonen sollen auf allen Ebenen die Möglichkeit und die Verantwortung haben, ihre Arbeitsumgebung mitzugestalten. Ein Weg, dies in eine Unternehmenskultur zu integrieren, ist die Einführung von Shared Governance, in Form einer Gremienstruktur.
Unsere Strategie sieht vor, zunächst abteilungsübergreifende Gremien mit pflegerelevanten Zielsetzungen und in einem nächsten Schritt Abteilungsgremien zu etablieren. Die Gremienarbeit am RBK soll dazu führen, dass gemeinsam getragene Entscheidungen getroffen werden, hierfür die Verantwortung übernommen und somit eine hohe Akzeptanz und Motivation bei der nachhaltigen Umsetzung erreicht wird.
Gremien können multi- oder monodisziplinär besetzt sein. Ein Teil der Gremiensitze wird aufgrund der fachlichen Expertise und ein anderer Teil aufgrund der Interessenbekundung und Bewerbung von interessierten Pflegefachpersonen vergeben. Für jedes Gremium wird zu Beginn ein Statut entwickelt, in dem die Rahmenbedingungen und die Zielsetzung klar definiert werden. Jedes Gremium hat sowohl eine verantwortliche Führungskraft, meist eine Pflegedienstleitung, und einen fachlichen Gremienvorsitz. Die verantwortliche Führungskraft sorgt dafür, dass das Gremium strukturell und organisatorisch arbeitsfähig ist und seine Ziele erreicht. Der Gremienvorsitz wird durch eine Expertin oder einen Experten in der jeweiligen Thematik besetzt und ist für die inhaltliche Arbeit zuständig.
Diese klare Rollenverteilung mit Definition der Verantwortung ist im Organigramm der Pflegedirektion verankert und ermöglicht eine strukturierte Erarbeitung und nachhaltige Umsetzung der Inhalte. Mit dem Aufbau der Gremienstruktur wurde eine Kommunikationsmatrix entwickelt, die den Informationsfluss der Ergebnisse sicherstellt.
Das erste von insgesamt sechs geplanten Gremien wurde bereits initiiert: Das Gremium Werte.Pflegen@BHC tagte erstmalig im März. Es verfolgt das Ziel, das Image der Pflege zu stärken und die interne und externe Sichtbarkeit der Pflege am RBK und dem Bosch Health Campus (BHC) zu erhöhen. Den Gremienvorsitz übernimmt die Inhaberin der Stabsstelle Pflegemarketing. Gemeinsam mit den Gremienmitgliedern plante sie in diesem Jahr bereits Aktionen am Tag der Pflege und setzte diese um. Weitere Initiativen wie die Verleihung eines Pflegepreises und eines Pflegesymposiums werden folgen. Bereits jetzt hat die Erfahrung gezeigt, wie produktiv der gemeinsame Austausch zwischen den Mitgliedern aus den unterschiedlichen Bereichen des Krankenhauses ist.
— Ralf Busse, Anna Christina Bruns, Eva-Verena Lindenau
Mitsprache aktiv gestalten
Am Klinikum Osnabrück gibt es circa monatlich einen „Mitsprache-Mittwoch“. Alle Mitarbeitenden sind eingeladen. Die Teilnahme kann spontan erfolgen, was zu wechselnden Gruppengrößen und bunten Zusammensetzungen führt. Diskutiert werden zuvor definierte Themen des Klinikalltags. Ziele sind, Optimierungsideen zu generieren und die kollegiale Vernetzung zu fördern. Im Sinne der transformationalen Führung soll Mitsprache gefördert und aktiv gestaltet werden.
Ein Beispiel: Im Mitsprache-Mittwoch zum Thema Essensversorgung regten Teilnehmende aus der Pflege an, die auf den Stationen aufzuwärmenden Essensbeilagen zu kennzeichnen. Arbeitsprozesse werden so nicht unnötig gestört und die Patienten werden vor kulinarischen Herausforderungen wie eine kalte Suppe bewahrt. Auch das sensible Thema der Beinahe-Unfälle wurde aufgegriffen. Unser Partnerkrankenhaus aus den USA im Rahmen von Magnet4Europe gab einen inspirierenden Hinweis: Anstelle von Beinahe-Unfällen wird bei ihnen von „A good catch“ gesprochen. Typisch deutsch: Die Negativbezeichnung eines Beinahe-Unfalls verhindert möglicherweise die Meldung der eigentlich positiven Nachricht, dass ein Unfall vermieden wurde.
Jeder Mitsprache-Mittwoch wird evaluiert – mit bislang sehr positiven Ergebnissen – und das Protokoll wird im Intranet bereitgestellt. Ob und wie die Vorschläge umgesetzt werden, liegt in der Hand der betreffenden Abteilung.
Mit dem Mitsprache-Mittwoch konzentrieren wir uns zunächst auf übergeordnete Themen. Denkbar ist eine zunehmende Spezifizierung und Dezentralisierung im Hause – ganz nach dem Vorbild der Magnetkrankenhäuser, die eine gemeinsame Entscheidungsfindung in interprofessionellen Räten etablieren.
— Dr. Nadine Steckling-Muschack, Björn Kutzky, Achim Tangelder
Interprofessionalität und Praxisanleitung neu denken
Das „Interprofessionelle Unterrichtskonzept (IpUK)“ ist Teil der Magnet-Strategie am Universitätsklinikum Münster (UKM) und trägt maßgeblich zum Kulturwandel im interprofessionellen Miteinander bei. Der pflegerische und ärztliche Nachwuchs lernt in dieser Ausbildungseinheit gemeinsam und versorgt in interprofessionellen Tandems über vier Wochen eine fest zugeordnete Patientengruppe unter supervidierender pflegerischer und ärztlicher Lernbegleitung.
Im Fokus des IpUK stehen selbst gesteuerte Lern- und Entscheidungsprozesse. Die Teilnehmenden berichten von einem deutlichen Lernzuwachs. Die persönliche Entwicklung, die Teamarbeit und das gemeinsame Wachsen miteinander führt zu einem anderen Berufsverständnis und löst tradierte mentale Hierarchiemodelle im Miteinander auf.
Mit der Abteilung für Praxisanleitung konnte ein weiterer Innovationsbaustein auf dem Weg zum Magnet-Krankenhaus etabliert werden. Auszubildende und Praxisanleitende werden für eine Dienstplanperiode gemeinsam vorgeplant. Dies ermöglicht eine hohe Dienstplansicherheit und eine hochwertige Praxisanleitung. In die inhaltliche Ausgestaltung der Praxisanleitertage werden alle Stakeholder einbezogen. Ein Curriculum für die praktische Ausbildung sorgt für mehr Qualität und Zufriedenheit. Das Team der Abteilung für Praxisanleitung entwickelt viele professionelle Ideen und setzt diese um. So wurden beispielsweise ein „Escape Room“, eine Schnitzeljagd und weitere kreative Ausbildungsinhalte eingeführt.
— Angelika Maase, Marcel Scheiwe, Madeleine Barthmuß
„Nursing Councils“ verbessern die Arbeitszufriedenheit
Ein zentraler Aspekt des Magnet-Konzepts besteht darin, Pflegefachpersonen in Entscheidungen einzubeziehen. Shared Decision Making ist sicherlich einer der wesentlichen Gründe, warum die Arbeitsplatzzufriedenheit von Pflegefachpersonen in Magnet-Krankenhäusern deutlich höher und die Burn-out-Rate niedriger ist als in Vergleichskliniken. Zudem resultiert daraus eine Verbesserung der Patientenversorgung.
Um Shared Decision Making am Deutschen Herzzentrum München (DHM) weiter zu verbessern, wurde ein „Nursing Council“ etabliert. Dabei handelt es sich um ein Forum für Pflegefachpersonen aller Bereiche, in dem aktuelle Informationen geteilt, Erfahrungen ausgetauscht, aktuelle Probleme besprochen und die Vernetzung gefördert werden. Aktuelle Themen, die für die Pflegefachpersonen gerade von besonderer Bedeutung sind, werden aufbereitet und direkt mit der Pflegedirektion besprochen. Dabei wird gemeinsam entschieden, wie mit diesen Aspekten weiter verfahren werden soll. Hier können und sollen explizit auch Themen angegangen werden, die über die Stationsorganisation hinausgehen. So können Pflegefachpersonen durch ihre Repräsentanten im Nursing Council auch auf organisatorischer Ebene mitentscheiden.
Das erste Nursing Council am DHM fand im Mai dieses Jahres statt. 25 Pflegefachpersonen nahmen teil. Zunächst begrüßte der Pflegedirektor und ehrte alle Weiterbildungsabsolventinnen und -absolventen des vergangenen Jahres. Input gab es durch eine Beschreibung des beruflichen Alltags einer Kollegin der chirurgischen Normalstation und Informationen zum SBAR-Übergabekonzept. Es folgten Gruppendiskussionen zu aktuellen Problemfeldern, die dann mit der Pflegedirektion diskutiert wurden, unter anderem zum Stress- und Ausfallmanagement. Daraus entstanden zwei Arbeitsgruppen.
Wichtige Erkenntnisse waren, dass man die Dauer des Nursing Councils von fünf auf sieben Stunden erweitern und mehr Zeit für die Gruppendiskussionen sowie den Austausch mit der Pflegedirektion geben sollte. Es wird angestrebt, das Nursing Council vierteljährlich abzuhalten. Insgesamt war das Feedback durchweg sehr positiv. Das Ziel und der Nutzen waren klar erkennbar. Das Nursing Council soll daher eine feste Größe am DHM werden, um sowohl die Arbeitsbedingungen der Pflegefachpersonen als auch die Patientenversorgung zu verbessern.
— Stefan Landgraf, Bernhard Löser, Gabriele Kraft