In der Praxis ist zunehmend zu beobachten, dass die Umsetzung der Vorbehaltsaufgaben zur kleinteiligen Tätigkeitsfixierung führt – anstatt zur beabsichtigten eigenverantwortlichen Steuerung komplexer Pflegeprozesse. Die Einführung der Personalbemessung in der Langzeitpflege verstärkt diesen Irrweg – im Krankenhaus ist im Zuge der Einführung der PPR 2.0 eine ähnliche Entwicklung zu erwarten. Das Autorenteam konkretisiert diese Problematik anhand eines Fallbeispiels.
In bereits zwei Beiträgen in Die Schwester | Der Pfleger [1, 2] wurden die in § 4 des Pflegeberufegesetzes festgelegten Vorbehaltsaufgaben für Pflegefachpersonen aufgegriffen und in ihren Konsequenzen beleuchtet.
Die Festschreibung der Vorbehaltsaufgaben ist vor allem erfolgt, um Personen vor unsachgemäßer Pflege und daraus resultierenden Schäden zu schützen [3, 4]. Die Vorbehaltsaufgaben gehen somit in erster Linie mit der Aufforderung an Pflegefachpersonen einher, Pflegeprozesse so zu gestalten, dass sie zu guten Ergebnissen führen und Schäden aufgrund unsachgemäßer Pflege abgewendet werden. Dass der Gesetzgeber Vorbehaltsaufgaben für Pflegefachpersonen definiert hat, kann als eine „merkliche Aufwertung des Pflegeberufes“ [5] angesehen werden, ist jedoch nicht Hauptzweck der gesetzlichen Regelung.
Unsicherheiten in der Praxis
Mittlerweile wird die Diskussion um Vorbehaltsaufgaben auf immer breiterer Ebene und zunehmend auch innerhalb der pflegerischen Praxis geführt. Dabei werden Unsicherheiten und Verständnisschwierigkeiten deutlich, die sich beispielsweise in dem Bemühen äußern, kleinteilig Einzeltätigkeiten und Alltagsverrichtungen aufzulisten und diese unterschiedlich qualifizierten Pflegepersonen zuzuschreiben. Am deutlichsten ist dieser Irrweg aktuell im Rahmen der Umsetzung des neuen Personalbemessungsverfahrens in der stationären Langzeitpflege nach § 113c SGB XI zu beobachten. Vermutlich wird es in Krankenhäusern im Zuge der Einführung des Personalbemessungsverfahrens PPR 2.0 zu einer ähnlichen Entwicklung kommen.
Ein Thinktank aus juristischen, pflegerischen und pflegewissenschaftlichen Expertinnen und Experten begleitet die Diskussion zum Thema Vorbehaltsaufgaben seit einiger Zeit auf unterschiedlichen Ebenen. Die Arbeitsgruppe hat es sich unter anderem zur Aufgabe gemacht, strittige Fragen, die aus unterschiedlichen Feldern der Pflegepraxis zurückgemeldet werden, aufzugreifen und beispielhaft aufzuzeigen, wie ausgewählte Konstellationen im Hinblick auf Vorbehaltsaufgaben zu bewerten sind. Interessant ist dabei vor allem, dass einige Diskussionen aus der Praxis nichts mit den gesetzlich beschriebenen Vorbehaltsaufgaben zu tun haben, sondern eher im Bereich der Koordination der Versorgung oder der interdisziplinären Zusammenarbeit angesiedelt sind. Zwei Beispiele, die im April dieses Jahres in Die Schwester | Der Pfleger aufgegriffen wurden, befassen sich etwa mit der Kooperation zwischen der Physiotherapie und Pflege im Pflegeheim sowie einer Auseinandersetzung zwischen einer Pflegefachperson und einem Arzt auf einer onkologischen Station im Krankenhaus. Beide Beispiele zeigen, dass eine Auseinandersetzung mit der Zielsetzung und dem Inhalt der Vorbehaltsaufgaben klärend sein kann, jedoch nicht notwendigerweise bestehende Probleme in der Alltagspraxis unmittelbar löst.
Da sich anhand von Fallbeispielen jedoch sehr gut verdeutlichen lässt, wie Vorbehaltsaufgaben zu verstehen sind und welche Bedeutung sie haben, soll im Folgenden ein weiteres Beispiel aus der Praxis aufgegriffen werden, um die begonnene Reflexion der Vorbehaltsaufgaben in der pflegerischen Praxis auszubauen und zu vertiefen. Zudem werden Diskussionen um das neue Personalbemessungsverfahren in der stationären Langzeitpflege aufgegriffen, um vor dem Hintergrund der gesetzlich verankerten Vorbehaltsaufgaben auf problematische Entwicklungen aufmerksam zu machen (siehe Textkasten).
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