• 24.02.2023
  • Management
Praxisentwicklung in der Pflege

Innovativ und visionär

Die Pflegedirektion des Klinikum Oldenburg setzt auf das Konzept der Praxisentwicklung

Die Schwester Der Pfleger

Ausgabe 3/2023

Seite 62

Die Pflegedirektion des Klinikum Oldenburg setzt auf das Konzept der Praxisentwicklung, damit professionell Pflegende ihre Kompetenzen erweitern und ihr Rollenbild neu definieren können. Davon profitieren nicht zuletzt auch die Patienten.

Kliniken stehen heute mehr denn je in der Verantwortung, die medizinische, pflegerische und therapeutische Patientenversorgung interprofessionell und kompetenzorientiert auszurichten. Das wissenschaftlich fundierte Konzept der Praxisentwicklung ist hilfreich auf diesem Weg, da es die Interprofessionalität fördert, Pflegefachlichkeit unterstützt und Patientenoutcomes strukturiert verbessert. Auf diese Weise werden Innovation und Vision gefördert.

Praxisentwicklung erfordert wissenschaftliche Begleitung

Praxisentwicklung ist als Prozess zu verstehen, der von gemeinsamen Werten geprägt ist und eine individuelle, personenorientierte Versorgung zum Ziel hat. Dabei gilt es, die Kompetenzen der Mitarbeitenden gezielt zu nutzen und ihnen aktiv eine Entwicklungsperspektive anzubieten. Aus Sicht der Pflegedirektion kommt hierbei vor allem akademisch qualifizierten Pflegefachpersonen eine zentrale Bedeutung zu.

Am Klinikum Oldenburg erhalten die Pflegeteams Unterstützung von Pflegexpertinnen und -experten (im Folgenden: Pflegeexpertinnen), die im Sinne des internationalen Versorgungsansatzes Advanced Practice Nursing (APN) tätig sind. Deren fachliche Unterstützung ermöglicht es wiederum dem Pflegemanagement, die eigentlichen Aufgaben der Führung wie Teamentwicklung, Prozessorganisation und Personalentwicklung vermehrt in den Fokus zu nehmen.

Akademisch qualifizierte Pflegefachpersonen werden von ihren beruflich ausgebildeten Kolleginnen und Kollegin häufig noch mit Skepsis betrachtet. Um Widerstände abzubauen und Vorurteile zu entkräften, ist daher vor der Implementierung der Pflegeexpertinnen eine Vorbereitung notwendig. Dazu zählen die Vorstellung des APN-Konzepts und die klare Darstellung der unterschiedlichen Rollen in der pflegerischen Patientenversorgung. Denn dieser emanzipatorische Ansatz führt zu Veränderungen in den Teams und Strukturen.

Praxisentwicklung erfordert eine praxisorientierte, wissenschaftliche Begleitung. Neben den Pflegeexpertinnen begleiten im Klinikum Oldenburg daher zwei Pflegewissenschaftlerinnen die Stationen. Sie vermitteln zwischen der Pflegepraxis, dem Pflegemanagement und den anderen Berufsgruppen, vereinbaren mit den Teams Ziele, evaluieren diese und leiten Interventionen ab. Gemeinsam mit den Stationsleitungen und den Pflegeexpertinnen besprechen die Pflegewissenschaftlerinnen deren Umsetzung und fördern in Zusammenarbeit mit der Ausbildungsko­ordinatorin Angebote zur Wissensvermittlung. Hierzu zählen Instrumente wie „Journal Club“ und „One Minute Wonder“ sowie Schulung, Fortbildung und Workshops.

Positive Führung ist Voraussetzung

Ein strukturelles Empowerment versetzt die Pflegenden in die Lage, gemeinsam mit der Medizin, Physio- und Ergotherapie individuelle Therapieansätze für Patientinnen und Patienten zu entwickeln und umzusetzen.

Strukturelles Empowerment ist dabei kein Selbstläufer, sondern wird durch visionäre und unterstützende Führungspersonen ermöglicht und nachgehalten – auch im Falle knapper finanzieller und personeller Budgets. Diese vermitteln durch transformative, sinnstiftende und involvierende Führung eine tragfähige Vision der Zukunft, die für die Mitarbeitenden so attraktiv ist, dass sie den Weg mitgehen und auch andere davon begeistern. Auch diese Führungstheorie ist seit Jahren wissenschaftlich belegt und dient hier als theoretische Grundlage des Konzepts der Praxisentwicklung.

Die Herausforderung besteht darin, dieses Changekonzept gemäß den Rahmenbedingungen im Gesundheitswesen praxisorientiert umzusetzen sowie die organisationale Ambidextrie zu verstehen und zu berücksichtigen. Innovativ am Konzept der Praxisentwicklung ist die veränderte Denkweise: Trotz Hindernissen – formaler Regularien und betrieblicher Routinen – gilt es, an die Umsetzung zu glauben, diese zu vertreten und die notwendigen Ressourcen zur Verfügung zu stellen.

Das setzt voraus, dass die Beteiligten des Wandels flexibel, mutig und anpassungsfähig sind und auch das Umsetzungstempo für ihre Klinik adaptieren können, um mittelfristig erfolgreich in der Umsetzung zu sein.

Das Konzept der Praxisentwicklung

Die Praxisentwicklung ist ein kontinuierlicher Prozess, der im Zusammenspiel verschiedener Methoden die Pflege effektiver gestaltet und eine personenzentrierte Versorgung zum Ziel hat. Rebecca Palm, Professorin für Pflegewissenschaft mit dem Schwerpunkt Praxisentwicklung an der Universität Witten/Herdecke, hat in der Mai-Ausgabe 2021 von Die Schwester | Der Pfleger einen Artikel über dieses Thema geschrieben.

bit.ly/3Iqj07o

Patienten profitieren

Die Implementierung der Pflegeexpertinnen mit Bachelorabschluss in die Praxis ist am Klinikum Oldenburg vor Kurzem gestartet. Das PEPPA-Framework (Participatory, Evidencebased, Patient-focused Process for Advanced Practice Nursing Role Development) wurde zur Vorbereitung der Implementierung genutzt und an die Pflegeexpertinnen angepasst. Die Evaluierung erfolgt anhand des Cosolidated-Framework for Implementation Research (CFIR), das der Auflistung von Einflussfaktoren – Personen, Örtlichkeiten und andere Rahmenbedingungen – dient und so den Implementationserfolg ermitteln kann. Leitfragen dieses Instruments sind unter anderem folgende:

  • Intervention Characteristics. Was setzt die Pflegeexpertin in der Praxis um?
  • Outer Setting. Welche äußeren Einfluss­faktoren gibt es auf das Krankenhaus?
  • Inner Setting. Was ist relevant innerhalb des Krankenhauses?
  • Characteristics of the Individuals. Über welche Kompetenzen verfügt die Pflege-expertin?

Parallel zu den Pflegeexpertinnen definieren die Pflegewissenschaftlerinnen neben den bereits bestehenden pflegesensitiven Qualitätsindikatoren Dekubitus und Sturz weitere Indikatoren. Diese ermöglichen es, Ziele abzuleiten und Interventionen zu evaluieren. Dadurch ließ sich unter anderem eine signifikant geringere Sturzprävalenz erreichen. Der Methodenmix ermöglicht eine ganzheitliche Sicht, um Probleme bei der Umsetzung besser anzugehen. Die Patientinnen und Patienten erhalten dadurch eine evidenzbasierte Versorgung.

Die Rahmenbedingungen für Kliniken unterliegen einem umfassenden Wandel. Um hier zukunftsfähig aufgestellt zu sein, müssen Einrichtungen Lösungen entwickeln, die die Komplexität der Gesundheitsbranche abbilden und dennoch offen für weitere noch nicht absehbare Tendenzen sind. Die Einflüsse von Wissenschaft und Forschung bewirken auch eine Weiterentwicklung von beruflichen Identitäten – vor allem in Gesundheits- und damit auch in der professionellen Pflege.

Nach einer Analyse des Ist-Zustands hat die Pflegedirektion eine Pflegestrategie entwickelt, die darauf abzielt, Bindung und Gewinnung von Pflegefachpersonen zu gewährleisten, Versorgungsqualität zu garantieren und eine werteorientierte Führung – das sogenannte Positive Leadership – umzusetzen.

Da noch nicht alle Managementebenen und im Krankenhaus tätigen Berufsgruppen die Akademisierung und Professionalisierung der Pflege befürworten, bedarf es einer aufklärenden Kommunikation. Daher haben der Vorstand und das Aufsichtsratsgremium die Pflegestrategie genehmigt. Auch die Stationsleitungskonferenz und das ärztliche Direktorium haben sie verabschiedet, sodass sie nun Teil der Medizinstrategie ist. Die Innovation besteht darin, eine ganzheitliche Sicht auf die Patientenversorgung und ein modernes Berufsverständnis nicht nur in der Pflege zu realisieren.

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