• 21.12.2022
  • Praxis
Erfahrungen mit der digitalen Patientenkurve

"Wir gewinnen Zeit"

Das St. Josefs-Hospital Wiesbaden hat 2021 auf ausgewählten Stationen die digitale Patientenkurve eingeführt.

Die Schwester Der Pfleger

Ausgabe 1/2023

Seite 38

Das St. Josefs-Hospital Wiesbaden hat 2021 auf ausgewählten Stationen die digitale Patientenkurve eingeführt. Stationsleiterin Katharina Neufurth hat den direkten Vergleich zwischen analoger und digitaler Dokumentation erlebt – mit allen Vor- und Nachteilen.

Frau Neufurth, welche Vorteile sehen Sie in der digitalen Patientenkurve gegenüber der anlogen Variante?

Wir gewinnen Zeit. Auf der Station 47 für Kardiologie und Herzchirurgie mit 28 Betten summiert sich die Zeitersparnis durch die Digitalisierung pro Schicht auf eine Stunde. Die digitale Patientenkurve – im Wesentlichen die Abbildung einer papiergebundenen Patientenkurve – ist sozusagen immer präsent und ermöglicht paralleles Arbeiten. Sie kann jederzeit von jedem PC, Laptop oder Tablet vom pflegerischen und ärztlichen Personal gleichzeitig genutzt werden und gewährt Zugriff auf alle Daten. So können während der Visite Medikamente gestellt oder dokumentiert werden, weil wir parallel arbeiten können. Das war in analogen Zeiten nicht möglich.

Inwiefern profitieren die Patientinnen und Patienten?

Wir erhöhen die Patientensicherheit. Da keine manuelle Datenübertragung per Hand mehr stattfinden muss, werden Fehlerquellen vermieden. Und gleichzeitig sparen wir auch hier wieder Zeit. Der digitale Medikationsplan gibt uns Sicherheit. Es können keine Übertragungsfehler mehr passieren, da die ärztliche Anordnung digital übertragen wird. Bei jeder digitalen Anordnung werden automatisch mögliche Wechselwirkungen der Wirkstoffe geprüft. Das System ersetzt keine erfahrene Fachkraft, aber es kann wichtige Warnsignale in Bezug auf die Kompatibilität verschiedener Medikamente geben. Für das Pflegepersonal sehe ich einen weiteren Vorteil darin, dass immer ein Beipackzettel digital hinterlegt ist und wir die Wirkstoffe nachsehen können. Auch ein ärztliches Konsil ist einfacher, da jederzeit digital möglich.

Welche Nachteile hat die analoge Patientenkurve aus Ihrer Sicht?

Eine Akte kann verlegt werden oder verloren gehen. Sie kann nur an einer Stelle sein und nur von einer Person bearbeitet werden. Das manuelle Übertragen birgt Fehlerquellen. Außerdem benötigt das manuelle Anlegen aller Blätter viel Zeit. Vor OPs zum Beispiel kommt die analoge Patientenakte am Vortag um 17 Uhr auf die Station. Dann müssen mehrere Dokumentationsbögen manuell in einer Mappe angelegt werden. Diesen Bürokratieaufwand können wir durch die Digitalisierung vermeiden.

Sehen Sie bei der digitalen Patientenkurve auch Nachteile?

Ja, wenn der Server abstürzt oder das Internet ausfällt. Den möglichen negativen Auswirkungen haben wir jedoch vorgesorgt, indem wir alle zwei Stunden PDF-Listen als Sicherung ziehen. Auf diese Listen kann jede Station zu jeder Zeit am Stations-PC zugreifen.

Geben Sie bitte ein Beispiel, wie sich Ihre Arbeit durch die digitale Patientenkurve verändert hat.

Es hat viel Positives mit dem Personal gemacht. Der Zeitgewinn bringt etwas Ruhe in den oft sehr hektischen Klinikalltag. Das hilft dem Pflegepersonal, auch in stressigen Situationen einen klaren Kopf zu bewahren. Bei der digitalen Vitalzeichenmessung zum Beispiel haben wir Spotmonitore, mit denen wir den Patienten über sein Armband und uns scannen, die Messwerte wie Blutdruck und Temperatur beim Patienten ermitteln und diese sofort automatisch in die digitale Patientenkurve übertragen. Kugelschreiber und Papier sind überflüssig. So können keine Übertragungsfehler passieren und unsere FSJler können die Vitalmessungen übernehmen. Die Pflegenden können sich darauf verlassen und haben alles im Blick. Das spart viel Zeit, die die Pflege dann an anderer Stelle hat, zum Beispiel für die Patientinnen und Patienten. Wir können natürlich jederzeit zusätzliche Werte, zum Beispiel zusätzliche Blutdruckmessungen, manuell nachtragen.

Wie ist die IT-Ausstattung auf der Station 47?

Wir haben auf der Station 47 mit 28 Betten drei feste PCs, einen Laptop, an dem wir die Tabletten richten, ein Tablet für die Wund­dokumentation oder schnelles Nachsehen und vier Visitenwagen mit jeweils einem PC. Damit sind wir sehr gut ausgestattet, was zum Teil auch dem Personalschlüssel der Station für Kardiologie und Herzchirurgie geschuldet ist, da jede Pflegefachperson bei ihren Rundgängen einen Visitenwagen haben sollte.

Wie geht es mit der Digitalisierung weiter?

Wir sind gerade dabei, alle Stationen des sogenannten Westflügels zu digitalisieren. Im ersten Schritt haben die Stationen mobile Visitenwagen mit PC bekommen. EKG sollen direkt in die digitale Fieberkurve übertragen werden. Zwei Geräte im Haus können das bereits und wir etablieren es gerade auf weiteren Stationen. Mit dem Umzug des Haupthauses in den Neubau in circa ein bis eineinhalb Jahren können wir die letzten Stationen dann auf die digitale Patientenkurve umstellen.

Wie bekommen Sie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an Bord?

Es ist sehr wichtig, dass wir die Kolleginnen und Kollegen richtig abholen. Für die Einführung der digitalen Fieberkurve und des Medikationsplans wurde ich als Key-User ausgebildet und habe mich von Grund auf in das neue System eingearbeitet. Ich habe dann alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter intensiv geschult und im Umstellungsprozess eng begleitet und unterstützt. Auf die Weise hat die Umstellung sehr gut geklappt und das Personal hat die Vorteile und Arbeitserleichterung sehr schnell erkannt. Das machen wir in den anderen Abteilungen weiter so.

Worauf sind Sie besonders stolz?

Dass wir unser Ziel schneller als geplant erreicht haben. Bei der Einführung der digitalen Patientenkurve auf der Station 47 war unser Ziel, nach vier Wochen umgestellt zu haben. Die Umstellung war bereits nach zwei Wochen vollzogen und wir waren digital. Alle Kolleginnen und Kollegen waren hochzufrieden und keiner hat sich die analoge Patientenkurve zurückgewünscht.

Was ist Ihr Wunsch für die nahe Zukunft?

Ich vermisse das digitale Arbeiten auf meinen beiden anderen Stationen sehr! Und ich freue mich, wenn wir die digitale Patientenkurve mit Medikationsplan bald auf allen Abteilungen, also auch auf meinen beiden anderen Stationen, eingeführt haben. Mit der digitalen Patientenkurve inklusive Medikation sind wir der digitalen Patientenakte und dem digitalen Krankenhaus einen großen Schritt nähergekommen.

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