• 23.11.2021
  • Praxis
Thinktank erarbeitet Vorschläge zur Umsetzung

Vorbehaltsaufgaben in der Praxis

Die im Pflegeberufegesetz festgelegten Vorbehaltsaufgaben bedürfen einer pflegefachlichen und juristischen Konkretisierung.

Die Schwester Der Pfleger

Ausgabe 12/2021

Seite 20

Die im Pflegeberufegesetz festgelegten Vorbehaltsaufgaben bedürfen einer pflegefachlichen und juristischen Konkretisierung: Gelten sie auch für nichtgeneralistisch ausgebildete Pflegende? Ist zwischen beruflich und hochschulisch Ausgebildeten zu unterscheiden? Gehört die Pflegeplanung als wichtiger Schritt des Pflegeprozesses tatsächlich nicht zu den Vorbehaltsaufgaben? Um diese und weitere Fragen zu klären, hat sich ein interdisziplinärer Thinktank gebildet. Unser Autor gehört dieser Arbeitsgruppe an und stellt die bisherigen Ergebnisse vor.

Das Pflegeberufegesetz (PflBG) regelt erstmals pflegerische Vorbehaltsaufgaben – dies sind bestimmte berufliche Aufgaben, die nur von Pflegefachpersonen ausgeführt werden dürfen. § 4 PflBG ist mit dem Begriff „Vorbehaltene Tätigkeiten“ überschrieben; im weiteren Verlauf des Gesetzestextes ist aber von „Vorbehaltsaufgaben“ die Rede. Diesen Begriff nutzt auch der Thinktank, da er diesen angesichts der Komplexität der Anforderungen für angemessen hält.

Grundlegende Überlegungen

Zu den Vorbehaltsaufgaben laut PflBG gehören die Erhebung und Feststellung des individuellen Pflegebedarfs, die Organisation, Gestaltung und Steuerung des Pflegeprozesses sowie die Analyse, Evaluation, Sicherung und Entwicklung der Qualität der Pflege.

Die Vorbehaltsaufgaben stehen damit in engem Zusammenhang zum Pflegeprozess, der, wie es im Begründungstext zum Gesetzentwurf heißt, als „professionsspezifische, analytische Arbeitsmethode der systematischen Strukturierung und Gestaltung des Pflegearrangements“ verstanden wird.

Dem Gesetzgeber geht es bei den Vorbehaltsaufgaben in erster Linie um pflegerische Aufgaben, die für die Pflegequalität und den Patientenschutz von besonderer Bedeutung sind. Zugleich soll mit der gesetzlichen Regelung eine merkliche Aufwertung der Pflegeberufe erreicht werden, da eine prozessbezogene Fachpflege nur noch durch zielgerichtet ausgebildetes Personal mit den erforderlichen Kompetenzen wahrgenommen werden darf. So handeln Arbeitgeber, die nicht- oder anders qualifizierten Personen vorbehaltene Aufgaben nach § 4 PflBG Abs. 2 übertragen oder die Ausübung durch sie dulden, ordnungswidrig. Die Vorbehaltsaufgaben gelten zudem absolut; das heißt, anderen Berufsgruppen, auch Ärztinnen und Ärzten, ist die Verantwortungsübernahme untersagt.

Die Vorbehaltsaufgaben werfen zahlreiche Fragen auf, die einer pflegefachlichen und juristischen Klärung bedürfen. Beispielsweise ist zu konkretisieren, ob die Vorbehaltsaufgaben nur für generalistisch ausgebildete Pflegefachfrauen und -männer gelten oder ob sie auch auf Kinderkranken- und Altenpflegepersonal in vollem Umfang zutreffen. Ebenfalls ist die Frage zu beantworten, ob bei der Ausübung vorbehaltender Aufgaben zwischen beruflich und hochschulisch qualifizierten Pflegefachpersonen zu unterscheiden ist.

Darüber hinaus ist die Besonderheit zu klären, dass die Pflegeplanung laut PflBG nicht zu den Vorbehaltsaufgaben zählt, obwohl sie fest zum Pflegeprozessgeschehen gehört.

Zur Beantwortung dieser und weiterer Fragen hat sich seit Ende vergangenen Jahres ein interdisziplinärer Thinktank gebildet. Die Arbeitsgruppe analysiert und diskutiert u. a. die Begründungs- und Wirkzusammenhänge der Vorbehaltsaufgaben und erarbeitet Vorschläge sowie Hinweise für deren Umsetzung im Versorgungsalltag.

Die Vorschläge und Empfehlungen werden dem Gesetzgeber zur Verfügung gestellt. Somit können die Arbeitsergebnisse des Thinktanks auch von der Konferenz der Arbeits- und Sozialminister (ASMK) der Bundesländer aufgegriffen werden, die bereits 2020 unter dem Eindruck der offenen Fragen angeregt hatte, eine gemeinsame Länderarbeitsgruppe „Vorbehaltsaufgaben für Pflegefachpersonen“ unter Einbezug der Gesundheitsministerinnen und -minister der Länder und weiterer Fachexpertinnen und -experten einzusetzen.

Ziel der Arbeitsgruppe ist es ebenfalls, die Herausforderungen und Zusammenhänge der pflegerischen Vorbehaltsaufgaben im Hinblick auf die Versorgung der Bevölkerung und den Pflegeberuf darzustellen, die Abgrenzung zu anderen Berufsgruppen wie der Medizin, Sozialberufen, anderen Gesundheitsfachberufen sowie Helfer- und Assistenzberufen heraus-zuarbeiten sowie Vorschläge für das weitere Verfahren einschließlich der praktischen Umsetzung zu entwickeln.

Mitglieder des Thinktanks

Dem Thinktank gehören folgende Expertinnen und Experten aus der Pflege/Pflegewissenschaft bzw. Rechtswissenschaft an:

  • Prof. Dr. habil. Thomas Klie (Evangelische Hochschule Freiburg)
  • Prof. Dr. Frank Weidner (Deutsches Institut für angewandte Pflegeforschung, Philosophisch-Theologische Hochschule Vallendar)
  • Prof. Dr. Erika Sirsch (Philosophisch-Theologische Hochschule Vallendar)
  • Bianca Jendrzej (Kuratorium Wohnen im Alter)
  • Prof. Dr. Dr. h. c. Andreas Büscher (Hochschule Osnabrück)
  • Bernhard Krautz (Vereinigung der Pflegenden in Bayern)
  • Prof. Dr. Thomas Weiß, Kiel

Begründungszusammenhänge

Zunächst diskutierte der Thinktank die verschiedenen Begründungszusammenhänge der Vorbehaltsaufgaben aus pflegefachlicher und rechtlicher Sicht. Neben den Grundlagen aus dem PflBG und den damit verbundenen Verordnungen und Rahmenempfehlungen wurden pflegewissenschaftliche und professionstheoretische Expertise sowie Vorarbeiten, etwa zur Strukturierung und Beschreibung pflegerischer Aufgabenfelder, einbezogen und diskutiert. Weitere relevante Aspekte bestehen in den berufs-, leistungs-, leistungserbringungs- und haftungsrechtlichen Bezügen.

Dieser interdisziplinäre Diskurs war und ist von großer Bedeutung für die Verständigung über und die Entwicklung von gemeinsamen und weiterführenden Vorschlägen.

Einzelne Ergebnisse und Empfehlungen des Thinktanks werden im Folgenden in der gebotenen Kürze vorgestellt.

Pflegeplanung gehört zu den Vorbehaltsaufgaben – nicht die Durchführung. Die Vorbehaltsaufgaben gemäß PflBG basieren, wie bereits ausgeführt, auf dem Pflegeprozess. Das WHO-Modell beschreibt die vier Phasen des Pflegeprozesses als Einschätzung, Planung, Durchführung und Überprüfung. Im PflBG tauchen „Planung der Pflege“ und „Durchführung der Pflege“ bei den Vorbehaltsaufgaben aber nicht auf.

Während aus pflegewissenschaftlicher Sicht die Durchführung der Pflege nicht zwingend eine Vorbehaltsaufgabe für Pflegefachpersonen sein muss bzw. wegen rechtlicher Implikationen gar nicht sein kann, sondern auch an Helfer- oder Assistenzberufe delegiert werden kann, muss die „Planung der Pflege“ der Auffassung des Thinktanks zufolge zwingend unter fachlichen Vorbehalt gestellt werden. Denn aus der Erhebung und Feststellung des Pflegebedarfs folgt stets die Klärung erreichbarer Ziele und die Planung der dafür erforderlichen Pflegemaßnahmen.

Aus rechtlicher Sicht ist der Sachverhalt komplizierter. So kann es sein, dass der Gesetzgeber die Problematik der fehlenden Pflegeplanung entweder schlicht übersehen hat. In diesem Fall würde es sich um eine sog. „planwidrige Regelungslücke“ handeln. Oder aber der Gesetzgeber hat absichtlich auf die Aufzählung der Pflegeplanung als Vorbehaltsaufgabe verzichtet. Sollte Letzteres zutreffen, hätte es aber wegen der besonderen Tragweite der Entscheidung eigens einer Begründung bedurft.

Da aber in der Gesetzesbegründung keinerlei Hinweise durch den Gesetzgeber gegeben werden, warum der Schritt der Pflegeplanung nicht hinzugenommen wurde, anders als bei der Nichtaufnahme der Durchführung der Pflege, kann nach Auffassung des Thinktanks von einer planwidrigen Regelungslücke ausgegangen werden. Zwar gilt auch hier grundsätzlich, dass der Gesetzgeber den Umfang des Vorbehalts differenziert festzulegen hat – gleichwohl bleibt aber zu prüfen, ob die Folgen dieser Regelung insgesamt berücksichtigt worden sind. Ein bewusstes Weglassen der Pflegeplanung durch den Gesetzgeber ist bislang jedenfalls nicht zu erkennen.

Somit ist in Bezug auf die pflegefachliche Beurteilung und unter rechtlicher Berücksichtigung einer fehlenden Gesetzesbegründung der Schritt, die Pflegeplanung in die Vorbehaltsaufgaben der Pflege bzw. Pflegefachpersonen einzubeziehen, dringend geboten. Dem Gesamtziel der Vorbehaltsaufgaben, Pflegequalität und Patientensicherheit zu gewährleisten, wird mit dem Einbezug der Pflegeplanung insbesondere dann Rechnung getragen, wenn die pflegerische Kompetenz zur Planung des Versorgungsprozesses im interdisziplinären Gefüge zukünftig regelhaft und hinreichend Berücksichtigung findet. Gleichwohl sei darauf hingewiesen, dass diese Zusammenhänge ggf. noch einer verfassungsrechtlichen Überprüfung bedürfen.

Vorbehaltsaufgaben sind an Qualifikation und Fachlichkeit gebunden. Bereits 2019 hatte sich eine ähnlich wie der jetzige Thinktank besetzte interdisziplinäre Arbeitsgruppe intensiv mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Vorbehaltsaufgaben gemäß § 4 PflBG in Bezug auf alle Altersgruppen unabhängig vom jeweiligen Berufsabschluss gelten können. Die Expertinnen und Experten sind nach reiflicher Abwägung zu dem Schluss gekommen, dass die Ausübung der Vorbehaltsaufgaben für die Pflegeberufe, die sich nach bisherigem und auch neuem Berufsrecht auf bestimmte Altersgruppen von Patientinnen bzw. Patienten und Pflegebedürftigen beziehen – also für die Kinderkranken- und Altenpflege – im Unterschied zur Krankenpflege und zu den zukünftig generalistisch qualifizierten Pflegefachfrauen und -männern nur eingeschränkt – eben auf diese Altersgruppen bezogen – gelten können. Für die Ausweitung auch auf andere Altersgruppen wurden u. a. entsprechende Zeiträume der Berufserfahrung oder Anpassungsqualifizierungen für Kinderkranken- und Altenpfleger vorgeschlagen. Diese Auffassung wird vom Thinktank geteilt.

Eine grundsätzliche Auftrennung pflegerischer Aufgabenbeschreibungen und Vorbehaltsaufgaben nach den Versorgungsbereichen des SGB V und des SGB XI, also nach akut- oder langzeitpflegerischer oder nach ambulanter und stationärer Versorgung, wird vom Thinktank hingegen als nicht praktikabel und sinnvoll angesehen, obgleich pflegerische Aufgaben und Maßnahmen i. d. R. stets personen- und situationsorientiert spezifiziert werden müssen.

Der Thinktank spricht sich auch gegen eine formale Unterscheidung der Verantwortlichkeit für Vorbehaltsaufgaben zwischen beruflicher und hochschulischer Pflegeausbildung aus. Zwar befähigt die hochschulische Pflegeausbildung nach § 37 PflBG zur Steuerung und Gestaltung hochkomplexer Pflegeprozesse auf der Grundlage wissenschaftsbasierter bzw. -orientierter Entscheidungen. Das PflBG macht allerdings an keiner Stelle Aussagen zu einer unterschiedlichen Verantwortungsaufteilung. Und auch in der Gesetzesbegründung ist nicht vermerkt, dass hochschulisch qualifizierte Pflegefachpersonen über erweiterte Vorbehaltsaufgaben verfügen sollten. Vielmehr geht es dem Gesetzgeber bei der Regelung der Vorbehaltsaufgaben, wie gezeigt, um die Abgrenzung der Verantwortung von Pflegefachpersonen zu Pflegehelfern und -assistenten sowie zu anderen Berufsgruppen. Dennoch bedarf es jeweils fall- und situationsbezogen angemessener Begründungen und Entscheidungen in unterschiedlich komplexen pflegerischen Versorgungssituationen.

Vorbehaltsaufgaben in der Praxis

Nicht nur aus rechtlicher Perspektive, sondern auch im Hinblick auf eine konkrete Leistungserbringung ist die Frage interessant, inwieweit davon ausgegangen werden kann und sogar muss, dass die pflegerischen Vorbehaltsaufgaben tatsächlich auch im Leistungserbringungsrecht Anwendung finden, denn bislang ist das Sozialrecht nicht entsprechend angepasst worden.

Der Thinktank hat diese Frage sowohl unter juristischen als auch unter pflegefachlichen Gesichtspunkten betrachtet. Im Ergebnis ist die Arbeitsgruppe übereingekommen, dass das Berufsrecht und damit die Formulierungen zu den Vorbehalten im PflBG bestimmend sind; d. h.wenn im Leistungsrecht von „geeigneter Pflegekraft“ gesprochen wird, muss nun auch in betreffenden Fällen und Situationen die Befähigung zur Ausübung von Vorbehaltsauf- gaben einbezogen werden. Somit kann und muss die Auslegung des Begriffs der „geeigneten Pflegekräfte“ im Sozialrecht durch die Regelungen des Berufsausübungsrechts nach dem PflBG hinzugedacht – also ergänzt – werden.

Dies wird im Folgenden exemplarisch an der Richtlinie zur Verordnung häuslicher Krankenpflege (HKP-Richtlinie) des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) beleuchtet. Die HKP-Richtlinie regelt die Verordnung häuslicher Krankenpflege nach § 37 SGB V, deren Dauer und Genehmigung durch die Krankenkasse sowie die Zusammenarbeit der verordnenden Ärztinnen und Ärzte mit den die HKP durchführenden ambulanten Pflegediensten.

Bei der häuslichen Krankenpflege geht es darum, Menschen den Verbleib oder die Rückkehr in die häusliche Umgebung zu ermöglichen (Krankenhausvermeidungspflege), die ambulante ärztliche Behandlung zu unterstützen und deren Ergebnis zu sichern (Sicherungspflege) oder die Versorgung bei schwerer Krankheit, insbesondere nach einem Krankenhausaufenthalt oder einem vergleichbaren Ereignis sicherzustellen (Unterstützungspflege).

Hinsichtlich der Zusammenarbeit zwischen verordnenden Ärztinnen und Ärzten und ambulanten Pflegediensten geht die HKP-Richtlinie bislang unmissverständlich von einem Delegationsmodell aus, nach dem ärztlicherseits die Voraussetzung für die Verordnung häuslicher Krankenpflege festzustellen, Beginn, Häufigkeit und Dauer festzulegen sowie der Erfolg der verordneten Maßnahmen zu prüfen ist. Entsprechend liegt auch die Koordination der Zusammenarbeit beim Vertragsarzt. Die ambulanten Pflegedienste haben lediglich die Berichtspflicht bei Veränderungen der häuslichen Pflegesituation aufgrund der HKP inne. Entscheidungen über notwendige Maßnahmen, die sich aus Veränderungen ergeben, dürfen aktuell nur von den Vertragsärztinnen und -ärzten getroffen werden.

Gemäß der HKP-Richtlinie werden Maßnahmen der sog. „medizinischen Behandlungspflege“, Maßnahmen der Grundpflege sowie Maßnahmen der hauswirtschaftlichen Versorgung umfasst. Charakteristisch ist, dass diese Maßnahmen immer in direktem Zusammenhang mit der medizinischen Behandlung stehen und diese in der Häuslichkeit absichern und fortführen sollen. Allerdings wird in der HKP-Richtlinie auch in Bezug auf die medizinische Behandlungspflege auf die „Maßgabe der individuellen Pflegesituation“ abgestellt, die zu berücksichtigen ist. Dies kann Anlass dafür sein, von der Häufigkeit und Frequenz der verordneten Leistungen abzuweichen und den Umfang der pflegerischen Prophylaxen, z. B. Positionswechsel oder Hilfen bei der Mobilität, im Hinblick auf deren Wirksamkeit neu festzulegen. Dies sind elementare Bestandteile des Pflegeprozesses. Zudem sind die im Leistungsverzeichnis der HKP-Richtlinie aufgeführten Einzelleistungen in nicht wenigen Bereichen Gegenstand des Pflegeprozesses, wobei die Komplexität dieser Maßnahmen sehr unterschiedlich ist. Vereinfacht lässt sich sagen, dass mit der Steigerung der Anforderungen an die einzelnen Maßnahmen auch von eigenständigen Pflegeprozessen auszugehen ist.

Die Leistungen der sog. „Grundpflege“ in der HKP-Richtlinie beinhalten hingegen ausschließlich Maßnahmen, die der Versorgung von Grundbedürfnissen dienen. Die Erhebung entsprechender Versorgungsbedarfe sowie deren Planung und Evaluation sind originärer Gegenstand des Pflegeprozesses und damit gemäß PflBG nunmehr Aufgaben, die den Pflegefachpersonen vorbehalten sind.

Unabhängig von der leistungsrechtlichen Zuweisung des Verordnungsrechtes ist somit festzuhalten, dass die konkrete Bedarfsfeststellung, Planung und Evaluation dieser Leistungen zwingend pflegerische Fachkompetenz erfordert und berufsrechtlich nicht mehr von Ärztinnen und Ärzten geleistet werden darf. In der Gesamtbetrachtung der HKP-Richtlinie zeigt sich also, dass viele der dort aufgeführten Leistungen ohne die selbstständige Beurteilung, Planung und Evaluation durch Pflegefachpersonen nicht mehr vorstellbar sind.

Gerade angesichts der gesetzlich nunmehr vorgegebenen pflegerischen Vorbehaltsaufgaben, der unterschiedlichen Komplexität der verordnungsfähigen Leistungen der HKP und der häufig untrennbaren Zusammenhänge zum Pflegeprozess geht der Thinktank davon aus, dass es zukünftig neben der ärztlichen Verordnung und Veranlassung von Leistungen gemäß der HKP-Richtlinie einer selbstständigen Einschätzung, Planung und Evaluation durch Pflegefachpersonen zwingend bedarf.

Ausblick

In diesem Fachbeitrag wurden die pflegerischen Vorbehaltsaufgaben aus interdisziplinärer Sicht grundlegend angesprochen und die Auswirkungen auf die HKP exemplarisch dargelegt. Es ist davon auszugehen, dass es in allen ambulanten und stationären Versorgungsbereichen, in denen professionelle Pflege eine Steuerungsfunktion im Pflegeprozessgeschehen übernimmt bzw. übernehmen muss, zu einer entsprechenden Anpassung von Begründungs- und Entscheidungsprozessen unter Berücksichtigung der pflegerischen Vorbehaltsaufgaben kommen dürfte. Diese berufsrechtlich bestimmten und leistungsrechtlich zu berücksichtigenden Aspekte werden letztlich auch Auswirkungen auf haftungsrecht- liche Fragen haben. Wenn ein Mensch aufgrund von vermeintlichen oder tatsächlichen Versorgungs- oder Pflegefehlern zu Schaden kommt, dann wird von Gerichten zukünftig auch die Frage der korrekten Anwendung der Bestimmungen zu den pflegerischen Vorbehaltsaufgaben gemäß § 4 Abs. 2 PflBG zu prüfen sein.

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Autor

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