• 06.02.2018
  • Praxis
Online-Befragung

Pflegende gehen häufig krank zur Arbeit

Die Schwester Der Pfleger

Ausgabe 1/2018

Seite 34

Die Nase läuft, der Hals schmerzt und man fühlt sich elend und schlapp. Trotzdem scheint es für viele Pflegende selbstverständlich, zur Arbeit zu gehen, wie ein Forschungsprojekt von Studierenden zeigt. Dieses Phänomen ist besonders in der Altenpflege anzutreffen.

Die Anwesenheit am Arbeitsplatz trotz gesundheitlicher oder anderweitiger Beeinträchtigung wird in der Fachsprache als „Präsentismus“ bezeichnet (1). Das Phänomen ist von hoher ökonomischer Relevanz, denn erkrankte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter führen zu einem deutlichen Produktivitätsverlust und zu Mehrkosten für das Unternehmen, wie eine Vielzahl von Studien zeigt (2). Als Motive für dieses Phänomen werden Pflichtgefühl, Rücksicht auf Kollegen und Kolleginnen oder die Angst vor beruflichen Nachteilen am Arbeitsplatz angegeben (3).

Doch in welchen Tätigkeitsbereichen der Pflegenden tritt das Phänomen Präsentismus am häufigsten auf? Dieser Zusammenhang wurde bislang nicht erforscht und gab Studierenden im Studiengang Pflegemanagement, Pflegepädagogik der Katholischen Stiftungshochschule in München den Anstoß, das Thema in einem Forschungsprojekt aufzugreifen.

Ziel der Studie war es zu erfassen, ob es Unterschiede in der Ausprägung des Präsentismus zwischen den Tätigkeitsbereichen der Pflegenden – Gesundheits- und Krankenpflege, Gesundheits- und Kinderkrankenpflege, Altenpflege – gibt. Im Rahmen einer Online-Erhebung wurden Pflegende unterschiedlicher Fachrichtungen mittels eines standardisierten und validierten Fragenbogens (SPS-6-Fragebogen) zum Grad des Präsentismus befragt (4).

Der Fragebogen wurde durch ein Zusatz-Item („trotz Krankschreibung am Arbeitsplatz erschienen“) sowie durch soziodemografische Fragen zu Bildungsstand, Ausbildungsberuf, Berufsjahren und dem Arbeitsbereich ergänzt. Die Befragten sollten dazu auf einer fünfstufigen Skala das Zutreffen zu verschiedenen Facetten des Präsentismus bewerten. 1 489 Probanden nahmen an der Studie teil, davon waren 1 236 Daten verwertbar. Von den Befragten arbeiten 54,9 Prozent als Gesundheits- und Krankenpfleger, 5,8 Prozent als Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger, 43,2 Prozent als Altenpfleger und 1,6 Prozent waren nicht berufstätig (Mehrfachangaben).

Bei allen Items zum Präsentismus (SPS-Items) zeigten sich Unterschiede zwischen den Berufsfeldern. Das Phänomen war deutlich häufiger in der Altenpflege anzutreffen, was zwei Items verdeutlichen: Das Item „Ich bin trotz Krankheit am Arbeitsplatz erschienen“ wurde von 40,7 Prozent der Personen aus der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege mit „häufig/immer“ beantwortet. In der Gesundheits- und Krankenpflege waren es 51, 8 Prozent und in der Altenpflege 59,3 Prozent. Beunruhigende Zahlen ergaben sich vor allem bei dem Item „Ich bin zur Arbeit gegangen, obwohl ich krankgeschrieben war“. 2,6 Prozent der Gesundheits- und Kinderkrankenpflegenden antworteten hier mit „häufig/immer“. In der Gesundheits- und Krankenpflege waren es 3,3 Prozent und in der Altenpflege 9,3 Prozent (Abb. 1).

  Die Erhebung bestätigt den Befund, dass Präsentismus in der Pflege häufig anzutreffen ist. Neu ist die Erkenntnis, dass es einen Zusammenhang mit der Art des pflegerischen Tätigkeitsfeldes gibt. Es bleibt zu diskutieren, warum dieses Phänomen gehäuft in der Altenpflege vorzufinden ist. Hierzu werden in der Forschungsliteratur mögliche Bedingungsfaktoren identifiziert, zum Beispiel Gefährdung der Versorgung beim Fernbleiben von der Arbeit (3). Es handelt sich um Ergebnisse einer Online-Erhebung, die mit Verzerrungen einhergeht. So ist denkbar, dass besonders Personen, die von dem Phänomen betroffen sind, an der Erhebung teilnehmen. Das kann zu einer Überschätzung der Ergebnisse führen.

 

(1) Ulich, E. (2013). Präsentismus. In M. A. Wirtz (Hrsg.). Dorsch – Lexikon der Psychologie. 16. Auflage. Bern: Hans Huber. S. 1212.

(2) Baase C. M. (2006): Auswirkungen chronischer Krankheiten auf Arbeitsproduktivität und Absentismus und daraus resultierende Kosten für die Betriebe. In: Bandura B. et al. (2009): Fehlzeiten-Report. S. 45–59

(3) Vogt J. et al. (2009): Krank bei der Arbeit: Präsentismusphänomene. In: Böcker J. et al. (2009): Gesundheitsmonitor 2009. S. 184

(4) Koopmann C. et al. (2002): Stanford Presenteeism Scale. Health Status and Employee Productivity. In: Journal of Occupational and Environmental Medicine. 44 (1). S. 14 ff.

Das Autoren-Team: Katharina Bauer, Rosa Dragone, Kristin Maintz, Titiana Pelger, Eleonora Vidal, Aylin Wagner, Studierende des Pflegemanagements und der Pflegepädagogik an der Katholischen Stiftungshochschule in München. Mail: BauerPM@web.de  

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