• 08.09.2017
  • Management
Krankenpflegehelfer

"Eine in Vergessenheit geratene Größe"

Die Schwester Der Pfleger

Ausgabe 9/2017

Seite 72

Das Universitätsklinikum Halle (Saale) hat zum 1. September erstmals eine Ausbildung für Krankenpflegehelfer gestartet. Ziel ist, den Qualifikationsmix unter den Pflegeberufen auszubauen und „innovative Versorgungsstrukturen“ zu installieren. Was hat es damit auf sich? Ein Gespräch mit Pflegedirektorin Christiane Becker.

Frau Becker, die etwas in Vergessenheit geratenen Krankenpflegehelfer erleben eine Renaissance: Derzeit stellen sie immer mehr Häuser ein oder bilden sie aus. Auch an Ihrem Klinikum ist nun erstmals eine einjährige Ausbildung gestartet. Was ist der Grund?

Am Universitätsklinikum Halle (Saale) arbeiten wir daran, einen sinnvollen Qualifikationsmix zu etablieren. Dazu gehört zum einen der Einsatz von mehr akademisch ausgebildeten Pflegenden und zum anderen der Einsatz von Pflegenden mit geringerer Qualifikation, die einfache pflegerische Tätigkeiten mit hoher Qualität übernehmen. Wir haben uns in den vergangenen Jahren Gedanken darüber gemacht, wie dies in der Praxis konkret umgesetzt werden kann. Diese Überlegungen brachten uns auf die Krankenpflegehelfer – eine Berufsgruppe, deren Potenzial in der Tat etwas in den Hintergrund geraten war. Wir haben uns schließlich dazu entschlossen, an unserem Ausbildungszentrum selbst Krankenpflegehelfer auszubilden. So können die Auszubildenden von Anfang an in ihre spezifische Rolle innerhalb eines Systems vielfältiger pflegerischer Qualifikationen hineinwachsen. Auf unseren Stationen soll es künftig einen ausgewogenen Qualifikationsmix aus ein- und dreijährig Examinierten sowie aus akademischen Pflegenden geben. Anders als in anderen Krankenhäusern ist der Einsatz von Krankenpflegehelfern eine strategische Entscheidung und keine Entscheidung zur Kompensation eines Personalnotstands.

Welche Aufgaben sehen Sie für Krankenpflegehelfer?

Krankenpflegehelfer übernehmen eigenverantwortlich die Grundpflege und führen Prophylaxen durch. Diese grundlegenden pflegerischen Tätigkeiten sind der Kern der einjährigen Ausbildung, die am 1. September gestartet ist. Auch für die Dokumentation der durchgeführten Tätigkeiten übernehmen Krankenpflegehelfer die volle Verantwortung. Das Anreichen von Nahrung kann ebenfalls von ihnen übernommen werden, wenn dies die Patientensituation erfordert. Bei Tätigkeiten wie das Austeilen und Einsammeln der Mahlzeiten sowie Patiententransporte werden die Pflegenden an unserem Klinikum von Servicekräften unterstützt.

Wie wird sich das Aufgabengebiet der dreijährig ausgebildeten Pflegenden verändern?

Das Aufgabengebiet der dreijährig Examinierten wird sich in die Richtung der Behandlungspflege und der Übernahme ärztlicher Tätigkeiten verschieben. Sie sind zudem dafür zuständig, dass eine adäquate pflegerische Patientenversorgung gewährleistet ist und verantworten damit auch die Tätigkeit der Krankenpflegehelfer. Akademisch qualifizierte Pflegende, die mittlerweile auf fast allen Stationen unseres Klinikums arbeiten, verantworten die Gesamtheit des Pflegeprozesses. Sie identifizieren Pflegeprobleme und wählen geeignete Maßnahmen aus. Zudem sind sie dafür verantwortlich, pflegewissenschaftliche Erkenntnisse an die Krankenpflegehelfer und dreijährig ausgebildeten Pflegenden weiterzugeben. Damit leisten sie einen wichtigen Beitrag, dass evidenzbasierte Pflege umgesetzt wird.

Die Krankenpflegehelfer-Ausbildung ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich geregelt. Wie sieht Ihr Curriculum aus?

Die Ausbildung von Krankenpflegehelfern ist in unserem Bundesland, Sachsen-Anhalt, nicht komplett vorgegeben. Das Landesrecht macht zwar bestimme Vorgaben – zum Beispiel zur Ausbildungsdauer und zum zeitlichen Umfang von Unterrichtsinhalten –, daneben bleibt aber ein gewisser Spielraum. Diesen möchten wir nutzen, um Krankenpflegehelfer als sehr selbstständig tätige Pflegende in ihrem Aufgabenfeld zu qualifizieren und ihnen zu vermitteln, dass sie trotz ihres Helferstatus eine wichtige Aufgabe im Gesamtpflegeprozess übernehmen.

Sie haben also ein eigenes Curriculum entwickelt?

Ja, wir haben ein eigenes Curriculum entwickelt und uns dabei an den Curricula anderer Schulen orientiert, weil es bereits viele Erfahrungen mit der Ausbildung dieser Qualifikation gibt. Daneben haben wir unsere spe­zifischen Bedarfe einfließen lassen, natürlich unter Berücksichtigung der landesrechtlichen Vorgaben von Sachsen-Anhalt. Das Curriculum wurde von den Lehrenden unseres Ausbildungszentrums für Gesundheitsfachberufe entwickelt.

In welcher Größenordnung werden Sie künftig Krankenpflegehelfer ausbilden?

Pro Jahr bilden wir 20 Krankenpflegehelfer aus. Zum Vergleich: In der Gesundheits- und Krankenpflege stehen 40 Ausbildungsplätze und im primärqualifizierenden Studiengang „Evidenzbasierte Pflege“, der in Kooperation mit der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg erfolgt, stehen ebenfalls 40 Studienplätze zur Verfügung. Damit sind die Voraussetzungen für einen ausgewogenen Qualifikationsmix auf den Stationen erfüllt.

Haben Sie bislang schon mit Krankenpflegehelfern gearbeitet?

Hier und da schon, aber ihr Aufgabenspektrum war bislang nicht eindeutig definiert. Dies wird sich nun ändern. Zur Sicherstellung von Kontinuität haben wir unter anderem eine spezielle Springerpoolgruppe aus Krankenpflegehelfern eröffnet. Denn es ist sinnvoll, den Ausfall eines Krankenpflegehelfers mit einem Kollegen derselben Qualifikation zu kompensieren. Mit Blick auf die Einführung von Personaluntergrenzen werden wir es uns künftig nicht leisten können, eine dreijährig examinierte Pflegeperson für Tätigkeiten einzusetzen, für die sie formal eine zu hohe Qualifikation besitzt.

Setzen Sie auch Hilfspersonal ohne Ausbildung ein?

Nein, mit ungelernten Pflegehelfern arbeiten wir grundsätzlich nicht zusammen. Auch das ist eine ganz klare Entscheidung, die wir getroffen haben.

Nicht nur am Universitätsklinikum Halle (Saale), auch in zahlreichen anderen Häusern werden derzeit Krankenpflegehelfer ausgebildet. Wie erklären Sie sich diese Tendenz?

Bei vielen anderen Häusern – bei uns wohlgemerkt nicht – hat es mit dem Fachkräftemangel zu tun. Viele Kliniken finden nicht mehr genügend dreijährig examiniertes Personal und überlegen sich, wie sie dennoch die Pflegequalität aufrechterhalten können. Hier sind Krankenpflegehelfer eine bis vor kurzem in Vergessenheit geratene Größe gewesen. Denn es handelt sich um wertvolle Mitarbeiter, die dazu ausgebildet worden sind, eine gute pflegerische Grundversorgung zu leisten. Hinzu kommt, dass der Arbeitsmarkt für Krankenpflegehelfer nicht derart ausgeschöpft ist wie für Gesundheits- und Krankenpfleger. Das macht die Berufsgruppe für viele Kliniken attraktiv.

Wie war die Resonanz auf die neue Ausbildung? Lagen ausreichend Bewerbungen vor?

Ja, hier gab es keine Probleme. Der Kurs war schnell voll, und auch nach Beendigung des Auswahlverfahrens erhielten wir immer noch zahlreiche Bewerbungen. Das zeigt auch, dass wir hier einen Bedarf im Ausbildungsspektrum decken können und damit mehr Menschen für die Pflege begeistern und ausbilden können.

Welche Personen haben sich beworben?

Es hat sich eine große Bandbreite von Personen beworben; viele von ihnen verfügen über den erforderlichen Hauptschulabschluss oder einen höheren Schulabschluss. Es waren auch einige Bewerber mit Migrationshintergrund unter ihnen, die sich in den deutschen Arbeitsmarkt integrieren wollen. Es haben sich sowohl sehr junge als auch ältere Menschen beworben. Von 16 bis Mitte 30 war alles dabei.

Wie sieht für Sie ein idealer Bewerber für die Krankenpflegehelfer-Ausbildung aus?

Besonders geeignet sind Personen, die fürsorglich und hilfsbereit sind. Das Fachwissen und die Fertigkeiten eignen sich die Bewerber im Laufe der Ausbildung an, aber die grundsätzliche soziale Kompetenz, empathisch mit anderen Menschen umzugehen, setzen wir voraus.

Ist mit dem Einsatz von Krankenpflegehelfern zu befürchten, dass das pflegerische Qualitätsniveau im Universitätsklinikum Halle (Saale) sinkt?

Nein, im Gegenteil. Es ist ein maximaler Qualitätsgewinn zu erwarten, wenn sich Pflegende unterschiedlicher Qualifikationsniveaus auf ihre jeweiligen Kompetenzen und Ausbildungsschwerpunkte konzentrieren. Denn würde eine akademisch ausgebildete Pflegeperson ihre Arbeitszeit mit einfachen grundpflegerischen Tätigkeiten füllen, fehlte ihr die Zeit für ihre eigentlichen Aufgaben – wie dem Übertragen wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Praxis oder der Evaluation des Pflegeprozesses.

Gehen nicht viele wichtige pflegerische Informationen verloren, wenn die Grundpflege ausschließlich von Krankenpflegehelfern geleistet wird?

Nein, denn Krankenpflegehelfer werden gezielt dahingehend ausgebildet, eine gute Krankenbeobachtung zu leisten. Zudem ist es eindeutig Aufgabe der dreijährig examinierten und akademischen Pflegenden, Krankenpflegehelfer gut über die Patientenfälle zu informieren. Ein Krankenpflegehelfer muss genau darüber Bescheid wissen, wann ein examinierter Kollege hinzugezogen werden muss – beispielsweise wenn es darum geht, einen Dekubitus zu beurteilen. Wie ich bereits sagte: Die Fachaufsicht und Verantwortung für die adäquate pflegerische Versorgung eines Patienten bleibt bei der dreijährig examinierten Kraft. Insofern kann sie sich nicht komplett aus der Grundpflege herausziehen, denn sie muss den Krankenpflegehelfer begleiten, anleiten und supervidieren. Natürlich geht dies mit enormen Herausforderungen für Gesundheits- und Krankenpfleger einher. Doch das ist eine Frage der Organisation und Qualifikation. Wir setzen alles daran, dass die Ausbildung und der Einsatz von Krankenpflegehelfern für alle Seiten gewinnbringend sein wird.

Frau Becker, haben Sie vielen Dank für dieses Gespräch.

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