Eine gute Kommunikation verbessert die Lebensqualität von Patienten und trägt zu besseren Behandlungsergebnissen bei. Aus diesem Grund wurde das Institut für Public Health und Pflegeforschung der Universität Bremen beauftragt, ein Mustercurriculum zur Förderung der kommunikativen Kompetenz in der Pflegeausbildung zu erstellen. Teilaspekte des Curriculums sollen an drei Modellschulen umgesetzt werden.
Pflegefachpersonen tragen über Information, Schulung und Beratung wesentlich dazu bei, die Situation von Patienten und ihren Bezugspersonen zu verbessern. Positive Effekte der Kommunikation sind empirisch hinsichtlich des Selbstmanagements, der Adhärenz und der Lebensqualität nachweisbar (Koutsopoulou et al. 2010, Müller-Mundt/Schaeffer 2011, McCarthy 2014). Empirische Studien geben jedoch auch Hinweise darauf, dass Pflegefachpersonen mit ihrer Kommunikation noch zu wenig dazu beitragen, die Selbstbestimmung der zu pflegenden Menschen zu fördern (Mazzola 2015, Richter 2015).
Seit 2008 wird an der Entwicklung und Umsetzung des Nationalen Krebsplans gearbeitet. Dieser zielt unter anderem auf eine Stärkung der Patientenorientierung ab, was unter anderem über eine bessere Kommunikation erreicht werden soll. Für die medizinische Ausbildung wurde inzwischen ein Mustercurriculum für die Vermittlung kommunikativer Kompetenzen erarbeitet.
Den am Nationalen Krebsplan beteiligten Pflegeverbänden – dem Deutschen Pflegerat und dem Deutschen Bildungsrat für Pflegeberufe, vertreten durch Axel Doll und Gertrud Stöcker – ist es nun gelungen, ein ähnliches Vorhaben für die Pflege zu initiieren: Das Bundesministerium für Gesundheit hat das Institut für Public Health und Pflegeforschung an der Universität Bremen damit beauftragt, ein Mustercurriculum zur Förderung der kommunikativen Kompetenzen von Pflegefachpersonen zu entwickeln.
Das zu entwickelnde Curriculum soll nicht nur auf die Kommunikation mit Krebspatienten beschränkt sein, sondern Menschen aller Zielgruppen einbeziehen. Es soll 180 bis 200 Stunden umfassen und ab Ende 2018 als Best-Practice-Beispiel zur Überarbeitung der schuleigenen Curricula zur Verfügung stehen. Vor dem Hintergrund, dass kommunikative Kompetenzen im Entwurf eines neuen Pflegeberufsgesetzes deutlich gestärkt wurden, kann das Curriculum auch für die Umstellung auf die generalistische Pflegeausbildung sinnvoll genutzt werden.
Halboffenes Curriculum geplant
Eine im Rahmen des Nationalen Krebsplans durchgeführte Ist-Analyse kam zu dem Ergebnis, dass die Vermittlung kommunikationsrelevanter Unterrichtsinhalte durchgehend curricular in der Pflegeausbildung verankert ist. Jedoch sind der zeitliche Umfang, die vorgeschlagenen Methoden und die Inhalte sehr heterogen (Weis et al. 2012). Daraus lässt sich schlussfolgern, dass es bislang an einheitlichen Standards zur Vermittlung und Überprüfung kommunikativer Kompetenzen fehlt.
Das Mustercurriculum soll vor diesem Hintergrund zu einer stärkeren Vereinheitlichung des Lehr- und Lernangebots führen. Geplant ist ein halboffenes Curriculum, das außerdem konkretisierende Vorschläge bis hin zur Gestaltung einzelner Unterrichtseinheiten enthält. Es wird aus mehreren Bausteinen mit steigendem Anforderungsniveau für das erste, zweite und dritte Ausbildungsjahr bestehen, die flexibel mit den an den Pflegeschulen vorhandenen Curricula kombinierbar sind. Auch Bezüge zur praktischen Ausbildung werden hergestellt.
Die Bausteine werden hinsichtlich ihrer curricularen Struktur variieren. Neben Bausteinen zur Wissensvermittlung wird es Bausteine geben, bei denen die Lernenden praktische Fähigkeiten, zum Beispiel im Rollenspiel oder mit Simulationspatienten, üben und reflektieren können. Weitere Bausteine sollen der Reflexion von authentischen Kommunikationssituationen mit dem Ziel dienen, die Sichtweisen der Beteiligten besser zu verstehen. Schließlich sollen Bausteine integriert werden, in denen die Lernenden Lösungen für widersprüchliche Anforderungen finden müssen, die ihnen im Pflegealltag begegnen. Didaktisch stützt sich das Mustercurriculum auf das Modell der Interaktionistischen Pflegedidaktik (Darmann-Finck 2010).
Eine zentrale Intention des Projekts besteht zunächst darin, Ziele und Aufgaben pflegerischer Kommunikation zu bestimmen. Hierzu wird in der ersten Projektphase ein theoretischer Begründungsrahmen auf drei Abstraktionsebenen konzipiert. Auf der obersten Abstraktionsebene sind pflegetheoretische Ansätze angesiedelt, die einen normativ gehaltvollen Rahmen pflegerischer Kommunikation bieten (z. B. Friesacher 2008). Wichtige Stichworte sind hier Verständigung, Anerkennung, Fürsorge und Anwaltschaft. Ein normativer pflegetheoretischer Bezugsrahmen ist unter anderem deswegen unabdingbar, weil die Pflege stark dadurch gekennzeichnet ist, dass die zu pflegenden Menschen in der Befriedigung ihrer Bedürfnisse von den Pflegefachpersonen abhängig sind und die Pflege insgesamt in einem Feld aktiv ist, das von Macht- und Herrschaftsbeziehungen durchdrungen ist. Mit einem normativen Rahmen soll sichergestellt werden, dass die ausgewählten praxisorientierten Ansätze angewendet werden.
Auf der zweiten Abstraktionsebene werden Theorien der interpersonellen Kommunikation und Beratungstheorien angeführt. Die derzeit vorhandenen Ansätze für Kommunikation und Beratung in der Pflege beziehen sich auf unterschiedliche theoretische Ansätze aus den Bezugswissenschaften. Diese werden im Rahmen des Projekts zunächst umfassend recherchiert, systematisiert und im Hinblick auf ihre Eignung für den Pflegeberuf geprüft.
Auf der dritten Abstraktionsebene werden konkrete Kommunikations- und Beratungskompetenzen abgeleitet, die für die Erstausbildung von Pflegefachpersonen relevant sind. Für die Ableitung werden inhaltliche und didaktische Kriterien genutzt.
Im Zuge der Erarbeitung des theoretischen Begründungsrahmens wurde der Schluss gezogen, dass psychologisch-therapeutische Ansätze nicht – wie vielfach üblich – auf die pflegerische Kommunikation übertragen werden können. Im Mustercurriculum soll daher stärker auf sozialpsychologische Ansätze zurückgegriffen werden, um den Aufbau von pflegerischen Beziehungen, deren Erhalt und Beendigung theoretisch begründen zu können. So geht es beispielsweise um die Fähigkeit, die eigene Sichtweise vom Blickwinkel anderer zu unterscheiden. Diese Fähigkeit stellt eine wesentliche Voraussetzung für Empathie und für eine Kommunikation dar, die an den Perspektiven und Wünschen der zu pflegenden Menschen ansetzt. Psychologisch-therapeutische Ansätze und psychodynamische Persönlichkeitstheorien sollten im Rahmen der Erstausbildung zwar dargestellt werden, können aber in der Regel erst im Prozess lebenslangen Lernens vertieft und für die pflegerische Praxis fruchtbar gemacht werden.
In der nächsten Projektphase schließen sich weitere vorbereitende Analysen und Recherchen an. Beispielsweise sollen anhand einer Literaturrecherche Best-Practice-Beispiele zur Förderung der kommunikativen Kompetenz ermittelt werden. Auf der Basis der Ergebnisse erfolgt dann die Entwicklung des Curriculums. Das Projektteam wird dabei von einem etwa 20-köpfigen Fachbeirat unterstützt. Dieser besteht aus Experten zu den Themen Kommunikation und Beratung sowie aus Verbands- und Behördenvertretern.
Modellhafte Implementierung geplant
Um sicherzustellen, dass das Curriculum zielführend und praktikabel ist, sollen Teile des Lehrplans im Umfang von 50 bis 100 Stunden an drei ausgewählten Krankenpflegeschulen implementiert und evaluiert werden. Dabei soll untersucht werden, ob das Curriculum an die Bedingungen in den Schulen anschlussfähig und die Umsetzung machbar ist. Zudem soll geklärt werden, ob zusätzliche Ressourcen erforderlich sind und welche Wirkungen auf die Auszubildenden resultieren.
Die Modellschulen werden vom Projektteam intensiv begleitet. Vorgesehen ist hierfür ein Zeitraum von etwa 15 Monaten. Zu Beginn der Implementierung sichtet das Projektteam zunächst die an den Schulen verwendeten Curricula, die praktizierten Konzepte zur Förderung der kommunikativen Kompetenz und weitere Rahmenbedingungen. Dann wird in enger Zusammenarbeit mit den Schulleitungen und interessierten Kollegen ein auf die Besonderheiten der jeweiligen Schule zugeschnittenes Konzept zur Integration des Mustercurriculums entwickelt. Die Schulen haben über die Teilnahme den Vorteil, für die ohnehin notwendige Weiterentwicklung ihrer schuleigenen Curricula eine fachkundige Begleitung zu erhalten und die Attraktivität ihrer Ausbildung zu steigern.
Die Evaluation setzt bereits parallel zur Implementation ein. Geplant sind in erster Linie Experteninterviews und Experten-Fokusgruppen. Aus den Ergebnissen der Evaluation werden Schlussfolgerungen zur Überarbeitung des Mustercurriculums gezogen und Empfehlungen für die Implementation abgeleitet.
Künftig werden beraterische und kommunikative Kompetenzen in der Pflegeausbildung deutlich aufgewertet. Das wissenschaftlich und fachdidaktisch begründete Mustercurriculum zur Förderung der kommunikativen Kompetenz wird voraussichtlich Ende 2018 vorliegen.
Die Autorengruppe: Prof. Dr. Ingrid Darmann-Finck, Sabine Muths, Sebastian Partsch