Ob für eine begrenzte Zeit oder auf Dauer – wer sich als deutsche Pflegeperson für eine Berufstätigkeit im Ausland interessiert, hat gute Karten. Denn qualifizierte Fachkräfte werden in vielen Ländern gesucht. Bevor die Koffer gepackt werden, gibt es jedoch einiges zu bedenken und zu planen.
Vom Auswandern hatte Heike Penner immer geträumt. Schon während ihrer Kindheit im thüringischen Mühlhausen, dem Geburtsort des Erbauers der Brooklyn Bridge in New York, John August Roebling, wollte sie in die Fußstapfen des berühmten Sohnes ihrer Heimatstadt treten. „Ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie ich als kleines Mädchen mit meiner Großmutter durch die Roebling- straße in Mühlhausen lief und voller Faszination das Schild las, das auf seinem Geburtshaus angebracht war: ,Hier wohnte John August Roebling, der Erbauer der Brooklyn Bridge‘“, erzählt die heute 53-jährige Leiterin der Weiterbildung in der Intensiv- und Anästhesiepflege am Klinikum der Universität München. „Seitdem stand für mich fest: Da möchte ich auch hin!“
Zwei Jahre Vorbereitung
Doch: New York war aus der DDR-Perspektive schier unerreichbar, sodass Penner als junge Erwachsene mit Reisen innerhalb des „Ostblocks“ vorlieb nehmen musste. Die Wiedervereinigung ermöglichte der mittlerweile ausgebildeten Krankenschwester und verheirateten Mutter einer Tochter, den Traum vom Auswandern zu realisieren. Die Wahl fiel auf Neuseeland – Auslöser war ein Zeitungsartikel, der Penners Interesse für den fernen Inselstaat weckte.
Es begann eine fast zweijährige Vorbereitungszeit. „Alles begann damit, dass ich nach Neuseeland flog und das Nursing Council aufsuchte“, so Penner rückblickend. Dort wurde ihr geraten, einfach mal in Krankenhäuser reinzugehen und das Gespräch mit Mitarbeitern zu suchen, um ein Feeling für die neuseelän- dische Pflege zu bekommen. Genau dies tat die zielstrebige Frau. Kurze Zeit später war die Entscheidung in der Familie getroffen: Ja, wir wagen das Abenteuer – wir wandern aus!
Doch ganz so einfach war das nicht. Die Registrierung als Krankenschwester beim neuseeländischen Nursing Council erforderte ein komplexes, langwieriges und aufwendiges Procedere: Alle beruflichen Unterlagen – unter anderem die Berufszulassung, das Ausbildungszeugnis sowie sämtliche Nachweise über praktische Einsätze und theoretische Unterrichtseinheiten – mussten übersetzt und eingereicht werden. „Allein der Prozess der Registrierung dauerte fast ein Jahr“, sagt Penner. „Hinzu kamen zahlreiche medizinische Untersuchungen, Sprachtests und das Anmelden bei der Einwanderungsbehörde. Das nahm nicht nur viel Zeit in Anspruch, sondern kostete auch eine Menge Geld.“
1996 war es dann endlich soweit. Penner begann ihre Tätigkeit in einem kleinen Krankenhaus in Wanganoi, einem Ort an der Westküste des englischsprachigen Landes. Der Anfang war alles andere als leicht. „Ich befand mich am anderen Ende der Welt und hatte spätestens am zweiten Arbeitstag das Gefühl, verloren zu sein“, erinnert sich Penner. „Am Anfang habe ich nur Bahnhof verstanden. Es dauerte gut ein halbes Jahr, bis ich mich akklimatisiert und sprachlich Fuß gefasst hatte.“
Fünf Jahre später zog Penner mit ihrer Familie aus privaten Gründen zurück nach Deutschland. Doch die Faszination für fremde Kulturen und Länder war ungebrochen. So ging die mittlerweile reiseerprobte Weltenbummlerin 2006 für ein Jahr mit Ärzte ohne Grenzen ins bürgerkriegs-geschüttelte Darfur im Westen des afrikanischen Staates Sudan. „Auch das war eine sehr intensive Zeit“, sagt Penner rückblickend. „Die größte Herausforderung war sicher, häufig eigenverantwortlich Entscheidungen zu treffen, ohne sich sofort eine zweite Meinung einholen zu können. Das hat mir manchmal Kopfschmerzen bereitet, wobei mir meine Berufserfahrung als Intensivfachpflegende zugute kam.“
Weitere Auslandserfahrungen sammelte Penner im Sultanat Oman, wo sie im Rahmen des Internationalen Hospitationsprogramms Pflege und Gesundheit ein Stipendium der Robert Bosch Stiftung erhielt. Im Royal Hospital der omanischen Hauptstadt Maskat ging sie der Frage nach, welche Erwartungshaltung Patienten haben und inwieweit dies die Interaktion mit den Pflegenden beeinflusst. Ein weiteres Projekt der Robert Bosch Stiftung führte die weltoffene Frau diesen Sommer nach Stockholm. An der Karolinska-Universitätsklinik begutachtete sie zusammen mit einer Kollegin, wie Mediziner und Pflegende in gemeinsamen Seminaren interprofessionell lernen und arbeiten – mit dem Ziel, die gewonnenen Erkenntnisse als Impulse für die heimische Fort- und Weiterbildung zu nutzen.
Sich vorher gut informieren
Deutschen Pflegenden, die mit dem Gedanken spielen, ins Ausland zu gehen, rät Penner, sich im Vorfeld sorgfältig zu informieren. Hilfreich sei es auch, mit Personen zu sprechen, die diesen Schritt bereits gegangen sind. „Eine Berufstätigkeit im Ausland erfordert eine umfangreiche Vorbereitung, um Stolpersteine in der neuen Heimat zu vermeiden“, so Penner. Interessierte, die ihr Glück im Ausland versuchen wollen, sollen diesen Schritt wagen, so die Überzeugung Penners. Auch wenn der Weg holprig ist. „Die Mühen zahlen sich aus, denn man bekommt im Ausland so viele neue Ideen – beruflich wie privat.“
Egal, wie gut man sich vorbereitet – Pflegenden, die auswandern möchten, muss klar sein, dass eine Berufstätigkeit im Ausland eine Veränderung der bisherigen Lebensumstände darstellt. Je nach Zielland ist ein gewisses Maß an Anpassungsfähigkeit und Toleranz eine wichtige Grundvoraussetzung, um im neuen Umfeld Fuß zu fassen. Gründliche Über- legungen und Vorbereitungen im Vorfeld sind daher unbedingt notwendig, damit das Vorhaben gelingt.
Rechtliche Bestimmungen über Aufenthalts- und Arbeitsrecht, Anerkennung des deutschen Examens, Wohnungs- und Jobsuche sowie das unliebsame Thema des Versicherungsschutzes – all das sind wichtige Fragen, die in Ruhe geklärt werden müssen. Weiterführende Informationen hierzu, bezogen auf häufig nachgefragte Länder, können der Übersicht auf den Seiten 18 bis 21 entnommen werden. Detaillierte Informationen ist auch der Broschüre „Arbeiten im Ausland – Chancen und Perspektiven für deutsche Pflegefachpersonen“ des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe (DBfK) zu entnehmen.
„Ich liebe die britische Pflegekultur“
Auch Sabine Torgler hat nichts dem Zufall überlassen und sich gründlich vorbereitet, bevor sie vor 13 Jahren die Koffer packte und nach Großbritannien auswanderte. Sie ist mittlerweile Geschäftsführerin des internationalen Pflegenetzwerks English for Nurses und arbeitet als selbstständige Krankenschwester im University Hospital in Bristol, einer Großstadt im Südwesten Englands. Bereut hat die 43-Jährige diesen Schritt nie. „Meine Entscheidung hat sich bewährt, ich liebe die britische Pflegekultur und plane vorerst nicht, als Pflegeperson nach Deutschland zurückzugehen.“
Torgler hat der Liebe wegen ihre Heimat verlassen. Zudem war sie fasziniert vom Gedanken, den Blick über den Tellerrand zu wagen. „Schon während meines Pflegemanagement-Studiums hatte ich die großartige Chance, in ein anderes Pflegesystem einzutauchen“, erzählt Torgler. „2001 verbrachte ich ein Auslandssemester an der University of Sydney. Zurück in Bremen, um mein Diplom abzuschließen, konnte ich Bristol in aller Ruhe kennenlernen, da meine Partnerin aus dieser Stadt kam und ich häufig hin- und herreiste. Wir hatten uns in Sydney kennengelernt.“
Auch bei Torgler verschlang die Planung und Organisation mehr Zeit als vermutet. „Allein die Registrierung beim Nursing and Midwifery Council in London, der britischen Pflegekammer, ist ein aufwendiger Akt, den man nicht unterschätzen darf“, so Torgler. „Und das muss er auch sein. Denn als Registered Nurse muss man dem britischen Berufskodex gerecht werden und ein hohes Maß an Professionalität leisten.“
Die Professionalisierung der Pflege sei, so die Auffassung Torglers, in Großbritannien seit langem abgeschlossen. „Durch die Akademisierung der britischen Pflege stehen wir mit allen Berufsgruppen im Gesundheitssystem auf einem Level“, so die Mittvierzigerin. „Man hat sehr gute Chancen, sich weiterzubilden und es wird auch monetär ausge- glichen. Die Pflege kann in Groß-britannien autonom agieren, denn hier gibt es seit über 100 Jahren eine Pflegekammer.“
Gleichzeitig warnt Torgler deutsche Berufskollegen vor zu großen Erwartungen. „Es ist toll, in ein anderes Pflegesystem einzutauchen“, so die aufgeweckte Frau, „doch man muss realistisch bleiben. Zum Verdienst sage ich beispielsweise immer: Wir verdienen ein bisschen mehr als in Deutschland. Es ist aber kein großer Unterschied.“
Überblick: Hier finden Interessierte Beratung und Unterstützung
Die vielen Aspekte, die vor einer Berufstätigkeit im Ausland zu beachten sind, sind zunächst komplex und unübersichtlich. Es gibt daher verschiedene Programme und Dienstleistungen, die bei der Vermittlung von Arbeitsplätzen im Ausland behilflich sind:
Zentrale Auslands- und Fachvermittlung (ZAV): Die Berater der ZAV der Bundesagentur für Arbeit erteilen aktuelle Informationen über Stellenangebote, Einstellungs- und Arbeits- bedingungen, die Anerkennung von Berufsabschlüssen, Niederlassungsformalitäten, soziale Sicherung, Lebensbedingungen und Kontaktadressen. Die erste Anlaufstelle ist das Info-Telefon der ZAV, das unter der Telefonnummer (02 28) 7 13 13 13 erreichbar ist. Das Team beantwortet Fragen und versendet Informationsmaterial. Per E-Mail sind die Berater über zav@arbeitsagentur.de erreichbar.
EURES (European Employment Service): Aufgabe des EURES-Netzes ist es, Informationen, Beratung und Vermittlung für Arbeitskräfte und Arbeitgeber anzubieten, die vom Recht auf Freizügigkeit Gebrauch machen wollen. EURES wurde 1993 gegründet und ist ein Kooperationsnetz zwischen der Europäischen Kommission und den öffentlichen Arbeitsverwaltungen der EWR-Mitgliedstaaten (EU-Mitgliedstaaten plus Norwegen, Island und Liechtenstein) und anderen Partner- organisationen. Auch die Schweiz wirkt an der EURES- Kooperation mit. Zum Informationsangebot von EURES zählen unter anderem: Stellenangebote nach Land, Region, Beruf, Vertragsart; Anerkennung von Qualifikationen im Gastland; Form/Struktur des Lebenslaufes für die Bewerbung im Ausland; Vorstellungsgespräch im Ausland. EURES hat ein Netz von mehr als 700 EURES-Beratern, die in täglichem Kontakt mit Arbeitsuchenden und Arbeitgebern in ganz Europa stehen. EURES-Berater sind ausgebildete Fachkräfte, die den am europäischen Arbeitsmarkt interessierten Arbeitssuchenden und Arbeitgebern die drei grundlegenden EURES-Dienstleistungen – Information, Beratung und Vermittlung – anbieten. Auf der EURES-Homepage ec.europa.eu/eures/public/de/homepage finden Interessierte zusätzliche Informationen zu Lebens- und Arbeitsbedingungen in der EU sowie aktuelle Stellenangebote. Abrufbar sind ebenfalls Informationen zum zuständigen EURES-Berater der Heimatregion.
Private Arbeitsvermittler: Einzelne Arbeitsvermittler haben sich auf ausländische Märkte spezialisiert. Allerdings ist das Angebot insgesamt noch recht spärlich. Denn je nach Land dürfen die Vermittlungsagenturen nur mit einer speziellen Erlaubnis der nationalen Behörden arbeiten, wie zum Beispiel in Österreich und der Schweiz. Keine Beschränkungen gibt es dagegen in Dänemark. Die Agenturen unterscheiden sich nicht nur im Angebot, sondern auch danach, ob und wie viel Vermittlungsgebühr sie erheben. Gebühren für die Jobvermittlung zahlt bis auf wenige Ausnahmen nur der Arbeitgeber. Einzelne Anbieter sind im Telefon- und Branchenbuch zu finden, aber auch im Stellenteil von Pflege-Fachzeitschriften oder Online-Stellenbörsen.
„Ich gebe nicht auf“
Geld war für Anna Franziska Weiß kein Grund fürs Kofferpacken – im Gegenteil. Es war eher Neugier und Abenteuerlust, die sie dazu bewog, für ein humanitäres Hilfsprojekt für eine gewisse Zeit nach Tansania aufzubrechen. Im August dieses Jahres ging es los.
Die letzten Tage in Deutschland ließen der 23-Jährigen wenig Zeit für Aufregung. „Ich verbrachte allein viel Zeit mit Tschüss sagen“, so die Gesundheits- und Krankenpflegerin. „Da ich mich gegen eine große Abschiedsparty entschied, war es mir wichtig, mich von allen Freunden persönlich zu verabschieden. Das war gar nicht so einfach und ziemlich zeitintensiv.“
In den Monaten zuvor mussten viele Vorbereitungen getroffen werden: zum Beispiel sich gegen Tollwut und Gelbfieber impfen lassen, das WG-Zimmer kündigen, kurzfristig wieder bei den Eltern einziehen, um noch etwas Geld zu sparen. „All das nahm mehr Zeit in Anspruch, als man glaubt“, sagt Weiß. „Hinzu kommen Dinge, an die man zunächst gar nicht denkt, wie Visum beantragen und Geld umtauschen.“
Vor Ort sollte Weiß an zwei Tagen der Woche im zweitgrößten Krankenhaus Tansanias in der Stadt Moshi arbeiten und an den restlichen drei Werktagen in einer kleineren Klinik für Geburtshilfe tätig sein – so der Plan. Doch es kam anders: Unmittelbar nach Ankunft in der 150 000-Einwohner-Stadt Moshi wurde Weiß und anderen Freiwilligen mitgeteilt, dass die Regierung Tansanias von heute auf morgen allen ausländischen Medizinstudenten und Freiwilligen verboten hat, im Krankenhaus zu arbeiten. „Aus verschiedenen Gründen“, wie es offiziell heißt.
„Das war natürlich eine herbe Enttäuschung“, sagt Weiß, die vor Ort in einer Wohnung mit vier anderen Volunteers untergebracht ist, die jedoch alle in unterschiedlichen Projekten arbeiten. „Ich hoffe, dass ich noch einiges regeln kann, sodass es mit meinem Einsatz im Krankenhaus doch noch klappt. Aufgeben werde ich ganz sicher nicht.“