• 16.05.2019
  • Praxis
Studie

Nachts in deutschen Pflegeheimen

Die Schwester Der Pfleger

Ausgabe 11/2015

Mehr als 50 Bewohnerinnen und Bewohner betreut eine Pflegefachperson nachts durchschnittlich in einem Pflegeheim. Gespräche und Zuwendung, aber auch viele andere pflegerische Maßnahmen bleiben da oft auf der Strecke. Eine aktuelle Studie an der Universität Witten/Herdecke beleuchtet die nächtliche Versorgungssituation in deutschen Pflegeheimen und macht deutlich: Die schlechte personelle Besetzung ist das drängendste Problem.

Die Situation während der Nachtdienste in den Pflegeberufen ist bislang nur wenig wissenschaftlich untersucht. Die vorhandenen internationalen Studien konzentrieren sich dabei hauptsächlich auf die Nachtwache in Krankenhäusern und kommen zu dem Ergebnis, dass Nachtschichten mit einer höheren Arbeitsbelastung assoziiert sind (1). Dazu gehören beispielsweise Entscheidungsprozesse unter Müdigkeit (2), permanente Alarmbereitschaft (3), volle Verantwortung als einzige Pflegeperson im Dienst (4) und leises Arbeiten bei gedämmtem Licht (2).

Nachtdienstler haben geringere Möglichkeiten, an Fortbildungen teilzunehmen als Pflegende im Tagdienst (5, 6). Auch fühlen sie sich durch Vorgesetzte und Kollegen weniger wertgeschätzt als Pflegepersonen, die tagsüber arbeiten (7). Dies kann so weit gehen, dass Tätigkeiten des Frühdienstes gegen besseren Wissens bereits während der Nacht erbracht werden, zum Beispiel Ganzkörperpflege, um die Erwartungshaltung der Kolleginnen und Kollegen zu befriedigen (2).

Der Nachtdienst bringt aber auch positive Aspekte mit sich. Nachtdienstler schätzen den Wert ihrer Arbeit als sehr hoch ein, da sie alleine und eigenverantwortlich Entscheidungen treffen und Tätigkeiten selbstständig durchführen (8, 9). Die Beziehung zu ihren Patienten beschreiben sie im Vergleich zum Tagdienst als inniger und konzentrierter (3).

Die verfügbaren Studien beleuchten jedoch ausschließlich die Situation während der Nächte in Krankenhäusern. Daten über die Situation in Pflegeheimen liegen bislang nicht vor. Dies ist insofern interessant, da sich die Institutionstypen im Hinblick auf das Klientel – Bewohner versus Patienten – und die daraus resultierenden pflegerischen Tätigkeiten unterscheiden. Somit sind die Daten der Krankenhäuser nicht auf die Situation in Pflegeheimen übertragbar.

Ziel des Forschungsprojektes war es daher, Erkenntnisse über die Situation von Nachtdienstlern in deutschen Pflegeheimen zu gewinnen, um so einen eigenständigen Beitrag zur Diskussion zu leisten. Dabei wurde beispielsweise erhoben,

  • wie viele Bewohner durchschnittlich zu versorgen sind,
  • welche Tätigkeiten typischerweise durchgeführt oder auch ausgelassen werden müssen,
  • welche belastenden, aber auch positiven Faktoren das Arbeiten in der Nacht bereit hält und
  • welches Verbesserungspotenzial die Pflegenden für den Nachtdienst sehen.

Die Daten wurden über einen standardisierten Online-Fragebogen erhoben. Dieser bestand aus 36 überwiegend geschlossenen Fragen und wurde in Koopera- tion mit der Diakonie Düsseldorf erarbeitet.


Stichprobe
Insgesamt haben 276 Probanden an der Studie teilgenommen. Etwa 51,8 Prozent arbeiten in Heimen der Wohlfahrtsverbände, 35,5 Prozent arbeiten bei privaten Trägern. Häuser in kommunaler Trägerschaft sind mit 8,3 Prozent vertreten. Der überwiegende Teil der Probanden – 73,9 Prozent – hat eine dreijährige Pflegeausbildung abgeschlossen. 2,9 Prozent gaben an, keinerlei Pflegeausbildung abgeschlossen zu haben.

Die Befragten arbeiten hauptsächlich in Häusern mit 50 bis 150 Betten, in denen 75 bis 150 Bewohner leben.


Eine Pflegeperson für mehr als 50 Bewohner zuständig 

Der Fragebogen wurde von 1307 Personen aufgerufen. Von diesen haben insgesamt 276 Personen den Fragebogen vollständig ausgefüllt. Unter den Probanden befinden sich 221 Frauen und 55 Männer. Sie sind im Durchschnitt 44,2 Jahre alt und arbeiten seit durchschnittlich 18,1 Jahren in der Pflege. Davon wurden im Schnitt 9,9 Jahre im Nachtdienst erbracht.

Durchschnittlich sind die Probanden für 51,6 Bewohner verantwortlich, von denen sie 40,3 versorgen müssen. 8,7 Prozent sind für mehr als 100 Bewohner verantwortlich. Im Kommentarfeld zu dieser Frage haben einige der Befragten angegeben, für mehrere Häuser verantwortlich zu sein, und während der Nacht zwischen diesen Häusern zu pendeln.

Durchschnittlich arbeiten zwei Nachtdienstler im gesamten Haus. Auf den Wohnbereichen (bzw. Verantwortlichkeitsbereichen) arbeiten die Probanden hauptsächlich alleine. Etwas mehr als die Hälfte der Probanden kann in Notfällen nicht auf einen Hintergrunddienst zurückgreifen.

Abbildung 1 zeigt die Häufigkeiten von Bewohnern pro Pflegeperson, gruppiert nach Pflegestufen, Demenz und freiheitsentziehenden Maßnahmen (FEM). Der Anteil an Bewohnern mit einer Form von Demenz ist am größten. Freiheitseinschränkende Maßnahmen (FEM) werden von den Probanden in relativ geringen Häufigkeiten angegeben. Am häufigsten werden Schlafmittel verabreicht, gefolgt von Bettgittern. Bettgurte werden wesentlich seltener eingesetzt.

Auf die Frage „Mit welchen Tätigkeiten sind Sie während des Nachtdienstes besonders beschäftigt?" konnten die Probanden bis zu fünf Tätigkeiten benennen. Alle Probanden (100%) antworteten mit Inkontinenzversorgung. Dies schließt Antworten wie „Toilettengänge", „Intimpflege" oder „Vorlagenwechsel" mit ein. Es folgen Antworten der Kategorie Lagerung (72,8%), wie etwa „Positionswechsel", „Bewohner lagern" und „Betten und Lagern". Antworten der Kategorie Pflegedokumentation werden von 52,5 Prozent der Probanden genannt.

Die Kategorie Medikamente (50,4%) umfasst sowohl das Richten und Bestellen von Medikamenten wie auch deren Verabreichung in Form von Tabletten, Tropfen, Suppositorien, Injektionen und Infusionsbeigaben. Antworten der Kategorie Betreuung (27,5 %) waren beispielsweise „Bewohner beruhigen", „Demenzkranke betreuen", „um Bewohner kümmern, die nachts umherirren" und „auf Schlafstörung eingehen". 5,8 Prozent der Befragten geben an, während der Nacht Körperpflege wie beispielsweise „Ganzkörperwäsche im Bett", „Grundpflege" oder „Waschen" durchzuführen.

Betreuung und Gespräche entfallen aufgrund von Zeitmangel 

Auf die Frage „Gibt es Tätigkeiten, die Sie durchführen müssten, zu denen Sie aber während der Schicht nicht kommen?" wurden Antworten der Kategorie Betreuung von Bewohnern mit 26,8 Prozent am häufigsten genannt, wie etwa „Beschäftigung Demenzerkrankter, die nicht schlafen", „Gespräche führen", „Seelsorge" oder „unruhige Bewohner begleiten". 15,6 Prozent der Befragten geben Antworten in der Kategorie Pflegedokumentation. Es folgen Antworten der Kategorie Reinigung/Desinfektion (13,0 %), worunter beispielsweise Aussagen wie „Rollatoren putzen", „Pflegewagen abwaschen", „Reinigung von Hilfsmitteln" und „Instrumente sterilisieren" fallen. 9,8 Prozent der Probanden gaben Antworten wie „Sterbebegleitung" und „Palliativversorgung".

  Auf die Frage „Was belastet Sie im Dienst besonders?" antworteten 29,7 Prozent der Probanden in der Kategorie „zu wenig Zeit". Dies schließt Antworten mit ein wie „wenn ich Bewohner alleine lassen muss", „muss oft hetzen, wenn es klingelt" oder „nicht ausreichend Zeit für Bewohner zu haben". 18,8 Prozent der Probanden gaben Antworten der Kategorie zu wenig Personal, wie beispielsweise „dass ich alleine bin", „fehlendes Personal", „bin allein bei Notfällen", „ich muss so oft einspringen" oder „keine Hilfe ist da".

In der Kategorie unruhige Bewohner (17,4%) finden sich Antworten wie „häufiges Klingeln", „umherirrende Alzheimer-Bewohner" und „rufende Bewohner". Die Kategorie Probleme mit Kollegen (10,1%) enthält Antworten wie „schlechte Versorgung der Bewohner durch Spätdienst", „mangelnde Anerkennung durch Tagdienstmitarbeiter" und „Druck vom Tagdienst (waschen)".

In der Kategorie Notfälle antworten 8,3 Prozent der Befragten. 7,3 Prozent gaben an, dass sie körperliche Anstrengungen belasten, wie etwa „dass ich so viele schwere Bewohner allein versorgen muss", „alleine lagern" oder „schwere körperliche Tätigkeit". 3,3 Prozent der Probanden gaben an, im Dienst Angst zu haben, etwa „alleine im Haus macht mir Angst", und „Angst, dass es brennen könnte und ich alleine bin" und „Angst vor Stürzen".

Selbstständiges Arbeiten wird als Vorteil erlebt

Auf die Frage „Welche positiven Erfahrungen haben Sie im Nachtdienst gemacht?" konnten die Probanden bis zu drei Angaben machen. Antworten der Kategorie Arbeitsabläufe waren mit 37,7 Prozent am häufigsten vertreten. Dies schließt Antworten mit ein wie „ich kann selbstständig arbeiten", „ich kann Arbeitsabläufe selber planen", „eigene Zeiteinteilung", „autonomes Arbeiten" oder „ich habe meine eigene Reihenfolge".

34,8 Prozent der Probanden antworten in der Kategorie guter Bewohnerkontakt. Dies schließt Antworten mit ein wie etwa „gute Gespräche mit Bewohnern", „Bewohner öffnen sich besser", „Bewohner freuen sich, wenn ich komme", „ich lerne Bewohner anders kennen" und „Bewohner sind oft entspannter und ausgeglichener".

In der Kategorie Zeit (26,5 %) finden sich Antworten wie „mehr Zeit als am Tag", „Zeit für Bewohner", „kann mir Zeit für die Pflege nehmen" und „es besteht aufgrund ruhiger Abschnitte auch mal die Möglichkeit, mit Bewohnern zu reden, was am Tage nie möglich ist".

19,2 Prozent der Probanden gaben an, weniger Kollegenkonflikte zu haben. Dies schließt Antworten mit ein wie „keine Probleme mehr mit Kollegen", „keine Besserwisser", „keine Zickereien", aber auch „nette Nachtdienstkollegen".

In der Kategorie Ruhe (17,0 %) antworten die Probanden beispielsweise mit „ruhige Arbeitsumgebung", „alles verläuft ruhiger" und „weniger Hektik".

In der ähnlichen Kategorie kein stressiger Tagdienstzählen 17,0 Prozent der Probanden dann konkrete Punkte auf, wie etwa „keine Arztbesuche", „kein Telefon", „keine Besuche" und „weniger Transfers". Kein Angehörigenkontakt ist als eigene Kategorie mit 4,4 Prozent vertreten. Dankbarkeit nannten 10,9 Prozent der Probanden, etwa durch „Dankbarkeit der Bewohner", „dankbare Augen" und „wenn man ein zufriedenes Lächeln bekommt oder man einfach gedrückt wird".

Auf die Frage „Was würden Sie sich für Ihre Nachtdienste wünschen?" antworteten 75,4 Prozent in der Kategorie besserer Personalschlüssel. 11,6 Prozent der Befragten wünschen sich mehr Wertschätzung, was sie zum Beispiel durch Antworten wie „Wertschätzung durch Führungskräfte", „Achtung der Nachtarbeit vom Tagdienst" und „mehr positives Feedback durch PDL" äußern. Antworten in der Kategorie mehr Freizeit (11,6%) lauten beispielsweise „längere Ruhezeiten", „kürzere Arbeitszeiten", „garantiertes Frei nach den Nachtdiensten" und „echte Pausen machen können". 9,8 Prozent der Probanden wünschen sich mehr Geld, und 4,7 Prozent eine bessere Ausstattung. Letzteres schließt Antworten wie „ausreichend Inkontinenzmaterial für die Nacht", „genügend Bettwäsche", aber auch „Ruheraum für Pausen" mit ein.

Diskussion: Zeitmangel ist die größte Belastung

Die Studie ist die größte, die bisher zur Situation des Nachtdienstes in Alteneinrichtungen in Deutschland durchgeführt wurde. Ebenso wie in der Krankenhausstudie (Bienstein Mayer 2014) sind die Pflegenden rund 42 Prozent von 24 Stunden eines Tages für die Bewohnerinnen und Bewohner allein verantwortlich. Während im Krankenhaus im Durchschnitt 28 Patientinnen und Patienten in der Nacht von einer Pflegefachperson versorgt werden, versorgen Pflegende im Nachtdienst in Alteneinrichtungen 51,6 Bewohner.

Erschreckend ist, dass 8,7 Prozent der Pflegenden für über 100 Personen die Verantwortung tragen. Hier stellt sich die Frage, was unter „Versorgung" bei dieser Anzahl von Bewohnern überhaupt noch verstanden werden kann. Selbst bei 60 Bewohnern sehen sich die Pflegenden mehr als 30 Türen gegenüber, hinter denen sie jederzeit vermuten müssen, dass etwas passiert, ohne dass sie es sofort bemerken.

Dieses ist umso kritischer, da der Anteil von Menschen mit Demenz deutlich zugenommen hat. Mehr als 60 Prozent der zu betreuenden Bewohnerinnen und Bewohner verfügen über die Pflegestufen I bis III. Heute leben primär Menschen über 80 Jahre in einer Alteneinrichtung, sie sind auf die Unterstützung durch Dritte angewiesen. Neben dementiellen Prozessen leiden diese Menschen an verschiedenen chronischen Krankheiten wie Diabetes, Arthrose, Herzinsuffizienz oder Folgen eines Apoplex. Freiheitsentziehende Maßnahmen finden im Umfang von 25 Prozent statt, primär in der Anwendung von Schlafmitteln und Bettgittern.

Nicht einzuschätzen lässt sich das Verständnis der Antwortenden bezogen auf die erforderliche Pflegequalität. Indirekt wird dieses dadurch deutlich, dass beklagt wird, dass Sterbende nicht ausreichend begleitet werden und zu wenig Zeit für die individuelle Begleitung der Bewohner vorhanden sei. Dieses wird auch daran deutlich, dass die Antwortenden sich mehr Mitarbeiter, mehr Zeit und einen besseren Personalschlüssel wünschen. Die Nachtpflegenden können zumeist auch nicht auf einen Hintergrunddienst zurückgreifen. Das bedeutet, dass in ernsten Situationen keine Hilfe gerufen werden kann.

Die Studie macht deutlich, dass bei mehr als 51 Bewohner, die in der Nacht versorgt werden, pro Bewohner maximal eine Zeit von zwölf Minuten zur Verfügung steht. Auch hygienische Maßnahmen nehmen pro Tätigkeit jeweils mindestens zwei Minuten in Anspruch. Es muss davon ausgegangen werden, dass mehr als 100 körpernahe Tätigkeiten pro Nacht anfallen, was einen zeitlichen Aufwand, allein für die Händedesinfektion, von bis zu zwei Stunden beansprucht.

Weiterhin wiesen die Kolleginnen und Kollegen darauf hin, dass es sie belastet, bestimmte Maßnahmen nicht ausreichend ausführen zu können. Hierzu gehört unter anderem die Betreuung von Bewohnern, die eine höhere Aufmerksamkeit benötigen würden. Mehr als 65 Prozent der Kollegen im Nachtdienst beklagen auch, dass sie sich nicht ausreichend um sterbende Bewohner kümmern können. In Deutschland sterben zirka 25 bis 30 Prozent in einem Altenheim. Besonders in den frühen Morgenstunden nimmt die Anzahl der Verstorbenen zu. Ebenfalls fürchten die Pflegenden, dass Personen in der Nacht stürzen können. Es ist bekannt, dass besonders die Sturzgefahr in der Nacht deutlich ansteigt. Nicht zu wissen, ob in einem Zimmer bereits eine Person gestürzt ist und nicht sofort aufgefunden wird, stellt hierbei eine hohe psychische Belastung dar.

Besonders müssen sich die Pflegenden in der Nacht um Menschen kümmern, die herumirren (häufig/sehr oft bis zu 60 %) und Zwischenfälle abfangen (häufig/sehr oft bis zu 37 %). Die nächtlichen Tätigkeiten haben bezogen auf die Körperpflege deutlich abgenommen (5,8 %). Dafür steht die Versorgung mit Inkontinenzhilfsmitteln mit 100 Prozent an der obersten Stelle. Besonders problematisch erscheint es, dass immer noch in der Nacht Medikamente gestellt werden, obwohl bereits eindeutig belegt ist, dass durch den Konzentrationsverlust – Unterbrechungen, Müdigkeit – eine erhöhte Gefahr besteht, Medikamente fehlerhaft zuzuordnen.

Während die Anzahl der Teilzeitarbeitenden im Tagdienst geringer ist, arbeiten zirka 50 Prozent der im Nachtdienst Arbeitenden in einer Vollzeitstelle. Pflegende wählen häufig den Nachtdienst, weil ihnen dieser besser kompatibel mit den eigenen und familiären Anforderungen erscheint (33,3%). Vermutlich entsteht die recht positive Bewertung des Nachtdienstes durch diese Gruppe – trotz objektiv sehr herausfordernder und belastender Aspekte – aus dem Vergleich zum Tagdienst. Die Arbeitszeiten passen zu ihrem persönlichen Lebensentwurf. Aber auch die finanziellen Gründe bilden ein wichtiges Kriterium, sich für die Nachtarbeit zu entscheiden.

Deutlich wird, dass es für viele nicht möglich ist, eine ungestörte Pause zu verbringen. Dieses ist jedoch dringend erforderlich, da sich besonders in der Nacht die Konzentrationsfähigkeit verringert. Wissenschaftlich empfohlen werden sogar Kurzschlafmöglichkeiten von zehn bis 15 Minuten. Dieses setzt jedoch voraus, dass eine Vertretung vorhanden ist.

Mindestens zwei bis drei Pflegende pro 60 Bewohner

Aus den Ergebnissen lassen sich unterschiedliche Empfehlungen ableiten:

  • Die Anzahl der in der Nacht verantwortlich zu betreuenden Bewohnerinnen und Bewohner ist eindeutig zu hoch. Es muss gewährleistet sein, dass mindestens zwei bis drei Pflegende für 60 Bewohner in der Nacht anwesend sind.
  • Verantwortliche Pflegefachpersonen müssen über die beste Qualifikation verfügen, da sie schnell und alleine Situationen einschätzen und passgenaue Versorgungsmaßnahmen einleiten können müssen.
  • Jede Einrichtung muss es möglich machen, dass ein hoch qualifizierter Hintergrunddienst in der Nacht anwesend ist und jederzeit beratend und unterstützend eingreifen kann.
  • Notfallleitlinien, ein erreichbarer ärztlicher Hintergrunddienst und eine stetig lieferbereite Apotheke stellen eine erforderliche Grundlage dar.
  • Es muss gewährleistet sein, dass Nachtpflegende mindestens pro Nacht eine 30-minütige Pause haben, die sie ohne Störungen verbringen können.
  • Pflegende sollten nicht mehr als vier Nächte hintereinander die Verantwortung für die Bewohner übernehmen. Ab diesem Zeitpunkt lässt die Aufmerksamkeit nach, und die gesundheitlichen Risiken für die Nachtdiensttätigen steigen an.
  • Es muss sichergestellt werden, dass Pflegende des Nachtdienstes an den Fortbildungen teilnehmen können, ohne ihre Schlafzeit reduzieren zu müssen.
  • Die Wertschätzung der Kolleginnen und Kollegen im Nachtdienst muss deutlich spürbar sein. Sie sind mehr als 42 Prozent der Versorgungzeit für die Bewohnerinnen und Bewohner verantwortlich. Hierzu bedarf es gezielter Maßnahmen, die von allen sichtbar wahrgenommen werden können, zum Beispiel durch eine gezielte Begrüßung/Besuch der Nachdiensttätigen in der Woche durch Leitende des Hauses.


    „Hochgradig gefährlich"

    Wir sprachen mit Professorin Christel Bienstein, Initiatorin der Studie, über die Konsequenzen, die nun folgen müssen

    Haben die Ergebnisse der Studie Sie überrascht?

    Überraschend war für mich vor allem, für wie viele Bewohnerinnen und Bewohner eine einzelne Pflegeperson nachts zuständig ist. 8,7 Prozent der Pflegenden waren für mehr als 100 Personen verantwortlich! Das ist gar nicht leistbar. Interessant ist zudem die Intensität der pflegerischen Versorgung und dass viele Pflegende nachts mit umherirrenden Bewohnern zu tun haben. Das weist auch auf einen Rückgang der Schlafmedikation in deutschen Pflegeheimen hin, was wiederum eine sehr positive Entwicklung ist. Erschreckend fand ich, wie wenig Zeit nachts für Sterbende bleibt. Das belastet auch die Pflegenden sehr. Immerhin sterben 30 Prozent aller Menschen im Pflegeheim.

    Wo sehen Sie besonderen Handlungsbedarf?

    Ein besonderes Problem ist, dass die Pflegenden im Nachtdienst wirklich ganz allein auf sich gestellt sind. Sie können auf niemanden zurückgreifen, auch nicht, wenn es zu einem Zwischenfall oder Notfall kommt. Deshalb lautet auch unsere Empfehlung, dass jeder Nachtdienst mit mindestens zwei Pflegepersonen erfolgen sollte und dass ein hochqualifizierter Hintergrunddienst in der Nacht anwesend ist. Ein weiteres Problem ist die mangelnde Wertschätzung, die Pflegende im Nachtdienst erleben. Nachts findet quasi keine Förderung und Führung statt. Es sollte deshalb ein festes Ritual sein, dass in jeder Woche eine Führungsperson abends durch das Haus geht, die Nachtdienstler begrüßt, mit ihnen redet und als Ansprechperson vor Ort ist.

    Welche politischen Konsequenzen müssen folgen?

    Wir werden die Studie über den Deutschen Pflegerat und den DBfK in die Politik tragen. Das ist sehr wichtig, denn was im Moment in deutschen Pflegeheimen läuft, ist hochgradig gefährlich. Ich plädiere deshalb für gesetzliche Pflegeschlüssel pro Schicht und neue Personalbemessungsverfahren in Pflegeheimen. Hier muss man auch hinterfragen, ob es wirklich politischer Wille ist, die Versorgung in Pflegeheimen zu verbessern. Diesen Eindruck habe ich leider oft nicht. Weiterhin muss man sich natürlich Gedanken machen, wie man die Qualifikation der nächtlichen Kollegen steigern kann. Pflegeheime sind mittlerweile kleine Krankenhäuser mit vielen multimorbiden Patienten, die viel pflegerische Kompetenz erfordern. Verantwortliche Pflegefachpersonen sollten deshalb über die beste Qualifikation verfügen.

    Die Studie wurde gefördert über den Pflege e.V.: www.stiftung-pflege.de

    Das Interview führte Brigitte Teigeler


(1) Buja A, Zampieron A, Mastrangelo G et al.: Strain and health implications of nurses' shift work. International journal of occupational medicine and environmental health 2013, 26 (4): 511–521

(2) Nilsson K, Campbell AM, Andersson EP: Night nursing – staff 's working experiences. BMC nursing 2008, 7: 13

(3) Zannini L, Ghitti MG, Martin S et al.: Narratives, memorable cases and metaphors of night nursing: findings from an interpretative phenomenological study. Nursing inquiry 2015

(4) Bienstein C, Mayer H: Nachts im Krankenhaus. Die Schwester Der Pfleger 2014, 53 (5): 428–433

(5) Mayes P, Schott-Baer D: Professional development for night shift nurses. Journal of continuing education in nursing 2010, 41: 17–22; quiz 23–24

(6) Becker DM: Implementing a night-shift clinical nurse specialist. Clinical nurse specialist CNS 2013, 27: 26–30

(7) de Cordova PB, Phibbs CS, Stone PW: Perceptions and observations of off-shift nursing. Journal of nursing management 2013, 21 (2): 283–292

(8) Saiani L, Brugnolli A, Ghitti MG et al.: Nursing care during night shift: a narrative review of the literature. Assistenza infermieristica e ricerca : AIR 2010, 29 (3): 132–139

(9) von Treuer K, Fuller-Tyszkiewicz M, Little G: The impact of shift work and organizational work climate on health outcomes in nurses. Journal of occupational health psychology 2014, 19 (4): 453–461

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