• 16.08.2019
  • PflegenIntensiv
Postoperative Übelkeit und Erbrechen

Kleine Nadel – große Wirkung

PflegenIntensiv

Ausgabe 1/2019

Seite 62

Neben Schmerzen zählen postoperative Übelkeit und Erbrechen zu den häufigsten Beschwerden nach Operationen. Bei der nicht medikamentösen Prophylaxe gewinnt die Akupunktur an Bedeutung – eine Entwicklung, die durch neueste Studien vorangetrieben wird.

Die Häufigkeit von postoperativer Übelkeit und Erbrechen (postoperative nausea and vomiting, PONV) beträgt ohne Prophylaxe 30–80 %. Grund genug, Empfehlungen für die Prophylaxe und Therapie von PONV herauszugeben, wie in Deutschland 2009 durch ein Expertengremium in Frankfurt am Main geschehen (1). Neben dem Erkennen von Risikofaktoren, der Vermeidung emetogener Faktoren wie Bevorzugung von Regionalanästhesien, Opioid-Reduktion und dem Verzicht auf Lachgas sowie der medikamentösen Prophylaxe, z. B. durch Dexamethason, wird auch auf die adjuvanten nicht medikamentösen Maßnahmen eingegangen.

Während für die Gabe von Ingwer keine und für die Aromatherapie mit Isopropylalkohol keine ausreichende Wirksamkeit gezeigt werden konnte, verweisen die Experten auf ein Cochrane-Review, das die positive Wirkung einer Stimulation des Akupunkturpunktes P6 bezüglich der Prophylaxe von Übelkeit als auch von Erbrechen bestätigt. Die Autoren der Analyse kommen zu dem Schluss, dass die P6-Akupunktur einer medikamentösen Prophylaxe gleichwertig ist – und auch problemlos kombiniert werden kann. Dennoch wird die P6-Akupunktur in der Expertenempfehlung nur mit einem Grad B bewertet – mit der Begründung der heterogenen Datenlage und der Unklarheit des Wirkmechanismus.

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass Schulmediziner mit ihrem stetigen Ruf nach evidenzbasierter Medizin ein Verfahren, dass mehrere Cochrane-Reviews und Metanalysen besteht, nebenwirkungsarm und effektiv ist, letztendlich wegen eines vagen Gefühls ablehnen.

Klinik in Bayern führt SOP-Akupunktur ein

Mediziner der Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin am Klinikum Bayreuth um Professor Reutershan haben mit der Unterstützung von Professor Usichenko, einem Wegbereiter der innerklinischen Akupunktur, nun den ersten Schritt getan und die P6-Akupunktur als SOP zur PONV-Prophylaxe eingeführt.

Genadelt wird der Punkt, der sich dreifinger- oder zweidaumenbreit (Anatomie des Patienten, nicht des Anästhesisten) proximal der Handgelenksfalte zwischen den Sehnen der Mm. palmaris longus und flexor carpi radialis befindet, mit kleinen, auf Pflaster fixierten Dauernadeln vor der Narkoseeinleitung. Der Punkt wird 30 Sekunden massiert und der Patient wird angehalten, dies bei Bedarf im Aufwachraum selbst zu wiederholen. Die Akzeptanz seitens der Patienten ist sehr gut, die Ergebnisse sind ermutigend. Ähnliche Ergebnisse werden auch mit der Ohrakupunktur erzielt, allerdings ist hier die Datenlage noch nicht so dicht. In einer Studie von 2017 über die optimale Schmerztherapie bei Knieoperationen wird die Reduktion von PONV als erfreuliche Nebenwirkung der Ohrakupunktur beschrieben (2).

Bedingt delegierbar

Auch das Pain-Ear-Acupuncture- (P-E-AC-)Team um Dr. Carmen Dütsch und Pain Nurse plus Oliver Sablowski hat sich der Förderung der innerklinischen Akupunktur verschrieben (mehr Infos unter www.p-e-ac.com). Nach Ansicht des P-E-AC-Teams ist mit der Entscheidung mehrerer Gesundheitsministerien einzelner Länder, dass spezielle Formen der Ohrakupunktur unter bestimmten Umständen zu den ärztlich delegierbaren Leistungen an entsprechend geschulte Pflegefachpersonen zu zählen sind, ein großer Schritt in diese Richtung getan.

(1) Rüsch D., Eberhart LHJ., Wallenborn J., Kranke P: Nausea and vomiting after surgery under general anesthesia—an evidence-based review concerning risk assessment, prevention, and treatment. Dtsch Arztebl Int 2010; 107 (42): 733–741

(2) Terwaki AS. et al. Pain management modalities after total knee arthroplasty: a network meta-analysis of 170 randomized controlled trials. Anaesthesiology 5 2017; 126: 923–937

   

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