Der im November 2020 wegen Mordversuchs verhaftete Münchener Krankenpfleger steht inzwischen offenbar wegen weiterer Fälle unter Verdacht. Das hat die Deutsche Presse-Agentur (dpa) vor wenigen Tagen berichtet und zitierte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft München I, Anne Leiding:
"In dieser Sache prüfen wir weitere Verdachtsfälle. Die Ermittlungen laufen auf Hochtouren."
Um wie viele Fälle es sich konkret handelt, ließ Leiding offen.
Motiv: Geltungssucht
Bislang hatte die Staatsanwaltschaft in 3 Fällen wegen des Verdachts auf versuchten Mord ermittelt. Sie wirft dem 24-jährigen Pfleger vor, 3 Personen im Alter von 54, 90 und 91 Jahren aus reiner Geltungssucht mit Medikamenten in Lebensgefahr gebracht zu haben, um dann bei ihrer Rettung zu glänzen.
Der ausgebildete Altenpfleger war seit Juli 2020 über eine Zeitarbeitsfirma in die Klinik gekommen und dort v. a. auf der Wachstation im Einsatz.
Die Klinik zeigte den Pfleger an. Dieser bestritt jedoch bei seiner Festnahme die Vorwürfe. Allerdings deuteten Nachrichten in Whatsapp-Gruppen darauf hin, "dass er möglicherweise Patienten vorsätzlich in einen kritischen Zustand versetzt hat, um sie anschließend reanimieren zu können und dafür Anerkennung von Kollegen zu bekommen", zitierte der Mannheimer Morgen am Mittwoch den Leiter der Münchener Mordkommission, Josef Wimmer.
Arbeitszeiten in anderen Kliniken werden geprüft
Wie die Zeitung weiter berichtet, prüfe eine Ermittlungsgruppe "Wachraum" derzeit nun auch Beschäftigungszeiträume in Nordrhein-Westfalen.
"Tötungsfälle in Krankenhäusern und Pflegeheimen sind Ausnahmen", betonte der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch. Niedere Motive seien meistens Machtfantasien, Eigensucht und Selbstüberschätzung.
Nicht die Pflege mache Menschen zu Mördern, doch sie mache es Einzeltätern zu leicht, gibt Brysch zu bedenken.
"Deshalb braucht es in Kliniken und Heimen eine Kultur des Hinschauens. Dabei sind alle gefragt – vom Pflegehelfer bis zur Geschäftsleitung."
Aber auch Bund und Länder seien gefordert, um Einzeltäter frühestmöglich zu stoppen. "Länderübergreifende, einheitliche Lösungen für alle 2.000 Kliniken und 15.400 Pflegeeinrichtungen müssen her. Dazu gehört ein unabhängiges und externes Whistleblower-System", so Brysch.
Brysch fordert verbindliche Leichenschauen und Schwerpunktstaatsanwaltschaften
Zudem sei eine lückenlose, standardisierte und elektronische Kontrolle der Medikamentenabgabe notwendig. Auch seien amtsärztliche, qualifizierte Leichenschauen verbindlich vorzuschreiben.
"Es wird Zeit, dass in allen Ländern endlich Schwerpunktstaatsanwaltschaften und zentrale Ermittlungsgruppen für Delikte in Pflege und Medizin eingerichtet werden."