Die Autorin der Autobiographie „Hommage an mein Bauchgefühl“ ist seit Jahren krank - nur eine Diagnose hat sie nicht. Unter dem Pseudonym „Martha Maschke“ schildert sie auf sehr persönliche Art ihre Erfahrungen aus unzähligen Klinikaufenthalten und das Leben mit einer namenlosen Erkrankung.
Frau Maschke, was bedeutet es, mit einer Erkrankung zu leben, für die es scheinbar keinen Namen gibt?
Es wird vermutet, dass es weltweit etwa 6000 bis 8000 unerklärbare Krankheiten gibt. Allein in Deutschland leben etwa drei bis vier Millionen Menschen mit einer solchen nicht diagnostizierbaren Erkrankung. Bei den meisten Patienten entstehen neben den bereits bestehenden, aber medizinisch nicht zu erklärenden Symptomen, wie Schmerzen oder Wundheilungsstörungen, auch Angst und Perspektivlosigkeit. Sie müssen mit einer Ungewissheit leben und zurechtkommen, die manches Mal schwer auszuhalten ist. Das bedeutet nicht nur für den Erkrankten, sondern auch für Angehörige, Freunde, Kollegen und auch besonders für medizinisches Personal, einen enormen Aufwand und die Nutzung sämtlicher Ressourcen. Der Ehrgeiz aller Beteiligten, den Kranken zu helfen, ist groß. Irgendwann kommen jedoch Zweifel und große Skepsis auf beiden Seiten auf.
Haben diese Zweifel dazu geführt, ein Buch darüber zu schreiben?
Ich lag wieder einmal im Krankenhaus, nachdem ich gerade zwei Wochen zu Hause war. Wie werde ich wieder gesund? Wieso ist das so schwierig? Beides Fragen, die mich dazu veranlasst hatten, den Stift in die Hand zu nehmen.
Wie war denn die Resonanz auf Ihr Schreiben?
Gesunde Menschen habe mich gefragt: Warum willst du eine Autobiographie über dein Kranksein schreiben? Das ist doch viel zu traurig! Von Erkrankten bekam ich dagegen zu hören: Das ist ein Buch über das Gesundwerden-wollen! Der täglich immer größer werdende Papierwust in und auf meinem Krankenhausbett sorgte nicht nur bei den Raumpfleger/Raumpflegerinnen, sondern auch bei medizinischem Personal für Aufmerksamkeit und Interesse.
Haben Ihnen diese dann auch den Input für Ihr Buch geliefert?
In gewisser Weise ja. Immer mehr Gespräche und Diskussionen entstanden vor und neben meinem Bett. Erstaunlicherweise hatte jeder, egal ob Mitpatient, Besucher, Ärzte und Pflegepersonal oder andere Krankenhausmitarbeiter - wirklich jeder hatte irgendetwas zu erzählen. So entstand aus diesem Konvolut an Gedanken, szenischen Beobachtungen, vielen Gesprächen und Dialogen ein teils trauriger, auf jeden Fall auch lustiger, manchmal skurriler, humoristischer Lebens- beziehungsweise Überlebenskrimi und damit ein Buch, das wohl jeder auf seine Art hätte schreiben können.
Warum schreiben Sie unter einem Pseudonym?
In meinem Buch beschreibe ich authentische, positive wie negative Situationen und Begegnungen mit Menschen, die mir während meiner Krankenhauszeit begegnet sind. Mir geht es aber nicht um die Verurteilung einzelner Personen. Mit dem Pseudonym möchte ich meine Mitmenschen schützen. Ich möchte niemanden bloßstellen, verurteilen oder dergleichen. Schließlich würde es ohne diese Menschen niemals ein Buch geben. Und Schuldzuweisungen führen in meinen Augen nicht weiter. Sie fügen aber Schaden zu und das möchte ich nicht.
Der Titel „Hommage an mein Bauchgefühl“ suggeriert, dass ihnen ihr Bauchgefühl immer weitergeholfen hat – ist dem so?
Ja, das Buch ist eine Signatur meines Bauchgefühls und auch eine Hommage an dieses. Während des Schreibens steckte ich teilweise gedanklich sehr tief in irgendwelchen Situationen. Dabei wurde mir immer bewusster, dass sich Vieles in meinem Leben verändert hat. Positiv genauso wie negativ. Soziale Kontakte, Familiäres, Berufliches. Selbst Gedanken, Lebenseinstellungen und Erwartungen verändern sich. Ich suchte nach etwas, was stetig und kontinuierlich geblieben ist.
Und das war ihr Bauchgefühl?
Genau. Obwohl ich es schon so oft in meinem Leben ignoriert habe, ist es immer da. Ich glaube, dieses instinktive, evolutionäre Gefühl zu besitzen, ist für jeden Menschen wahres Glück und hat ein eigenes Lobeslied verdient. Der Titel des Buches soll die Lesenden - und mich selbst - motivieren, nicht an seinem Bauchgefühl und damit zu sehr an sich selbst zu zweifeln. Einfach mutiger zu sein!
Ihre Zielgruppe sind „Herzens- und Helfermenschen“. Sie möchten also niemanden mit ihrem Buch bekehren?
Absolut nicht. Ganz im Gegenteil. Ich habe genau diesen Menschen mein Buch gewidmet aus Respekt vor deren Hochleistungen mir und anderen kranken Menschen gegenüber. Egal ob Herzens- oder Helfermensch – es muss extrem anstrengend, traurig und frustrierend sein, wenn man einer auf unerklärlicherweise erkrankten Person helfen möchte, es aber nicht kann. Ich kann nur erahnen, wie viele dieser Menschen gerne gegangen wären, aber doch geblieben sind.
Was ist Ihr Fazit aus derlei vielen Krankenhausaufenthalten?
Ein endgültiges Fazit in meiner momentanen Lebenssituation zu ziehen, fällt mir schwer. Vielleicht deshalb, weil meine Odyssee des Gesundwerdens noch nicht beendet ist. Aus den vergangen Jahren kann ich aber sagen, dass es enorm schwierig ist, alleine gesund zu werden. Gleichzeitig entfernt mich das Abgeben der Eigenverantwortung an andere, immer mehr vom Ziel des Gesundwerdens oder von der Akzeptanz des vielleicht nicht lösbaren Gesund-Krankseins-Zustands. Aus meiner Sicht ist es aber wichtig, trotz Rückschlägen positiv zu bleiben, denn: "Es kann doch nicht so schwer sein, einfach wieder gesund zu werden, oder?"
Ich danke Ihnen für das Gespräch, Frau Maschke.
Das Buch „Hommage an mein Bauchgefühl“ von Martha Maschke ist 2016 bei Lehmanns Media erschienen.