• 25.09.2024
  • Management
Arbeitszeitgestaltung

Flexible Lösungen finden

Ein Forschungsprojekt zeigt: Individuelle Arbeitszeitlösungen sind möglich und sollten von den Mitarbeitenden auch eingefordert werden. 

Die Schwester Der Pfleger

Ausgabe 10/2024

Seite 58

Je nach Lebenssituation haben Pflegende unterschiedliche Bedürfnisse hinsichtlich ihrer Arbeitszeit. Ein Forschungsprojekt zeigt: Individuelle Lösungen sind möglich und sollten von den Mitarbeitenden auch eingefordert werden. 

Für gute Arbeitsbedingungen im Pflegeberuf spielen geeignete Arbeitszeitregelungen eine wichtige Rolle. Personen, die den Pflegeberuf verlassen haben, nennen unter anderem verlässliche Arbeitszeiten und die Berücksich­tigung privater Termine bei der Dienstplan­gestaltung als notwendige Bedingungen für eine Rückkehr in die Pflege [1].

In den meisten Pflegebereichen gehören der Schichtdienst sowie die Wochenend- und Feiertagsarbeit zum Alltag. Dabei kann es je nach Lebensphase und -situation wichtiger werden oder auch notwendig sein, die Arbeitszeiten an die Bedürfnisse der Beschäftigten anzupassen. Nur dann können die Pflegenden ihre Arbeit leisten und der Pflegeberuf verliert nicht an Attraktivität [2].

Für jüngere Beschäftigte ohne Kinder steht dabei die Work-Life-Balance im Vor­dergrund. Im Zuge der Familiengründung müssen hingegen eher die Versorgung und Betreuung der Kinder gewährleistet sein. Arbeitsplatzwechsel können erfolgen, damit Familie und Beruf miteinander in Einklang gebracht werden können. Ähnlich verhält es sich bei der Pflege von Angehörigen.

Der Pflegeberuf ist mit einer hohen psychischen und physischen Beanspruchung verbunden, die mit zunehmenden Berufs- und Lebensjahren zu einer immer stärkeren Belastung werden kann. Dies kann Berufsaustritte oder Wechsel des beruflichen Feldes vor dem Eintritt ins reguläre Rentenalter nach sich ziehen. Für einen Berufsverbleib bis zum Renteneintritt sind Anpassungen der Arbeitszeiten und -aufgaben förderlich.

Möglichkeiten der Mitgestaltung

Wie können nun flexible und bedarfsgerechte Arbeitszeiten in der Praxis angebahnt werden? In den Interviews zum Forschungsprojekt „Lebensphasengerechte Personalentwicklung mit abgestimmten Qualifikations- und Tätigkeitsprofilen und Berufslaufbahn“ (Textkasten) wurden Pflegefach- und Leitungspersonen dazu befragt.

Forschungsprojekt „Lebensphasengerechte Personalentwicklung mit abgestimmten Qualifikations- und Tätigkeitsprofilen und Berufslaufbahn“

Das Forschungsprojekt „Lebensphasengerechte Personalentwicklung mit abgestimmten Qualifikations- und Tätigkeitsprofilen und Berufslaufbahn“ verfolgt das Ziel, Wege für eine lebensphasengerechte Personal- und Laufbahnentwicklung zu identifizieren. Im Ergebnis stellt es Informationsmaterialien für Pflegefach- und Führungspersonen sowie Handlungs­empfehlungen für Organisationen zur Verfügung. Das Projekt wurde vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) beauftragt und wird vom Forschungsinstitut Betriebliche Bildung gGmbH (f-bb) und dem Institut Arbeit und Technik (IAT) durchgeführt.

Neben einer systematischen Literaturrecherche, Fokusgruppeninterviews und Fallstudien wurden hierzu bundesweit 17 qualitative leitfadengestützte Einzelinterviews durchgeführt. Die Interviews mit Pflegefach- sowie Leitungspersonen in der ambulanten, der akutstationären und der langzeitstationären Pflege wurden inhaltsanalytisch ausgewertet. In den Interviews wurde unter anderem über Berufslaufbahnentwicklung, Erwartungen an die Arbeit in der Pflege sowie über schwierige und wünschenswerte Arbeitsbedingungen berichtet. Dabei war das Thema Arbeitszeitgestaltung sehr präsent, insbesondere vor dem Hintergrund bestimmter Lebensphasen.

Individuelle Absprachen mit Leitungspersonen. Ausgewiesene Angebote für bestimmte Dienstzeitanpassungen seitens der Einrichtungen beschrieben die interviewten Personen kaum. Jedoch wurde von den meisten über eine große Bereitschaft seitens der Leitungspersonen berichtet, den Mitarbeitenden hinsichtlich ihrer Bedürfnisse entgegenzukommen. Die befragten Leitungspersonen selbst schilderten ein großes Interesse für die Belange ihrer Mitarbeitenden und waren bestrebt, angemessene Lösungen zu finden.

Am häufigsten geschieht dies in Form individueller Absprachen, wie sich in den Interviews zeigte. Der persönliche Austausch zwischen Pflege- und Leitungspersonal ist die wichtigste Grundlage für eine gelungene Gestaltung der Arbeitszeit – aus Sicht der Mit­arbeitenden, aber auch der Leitungspersonen. Individuelle, bedarfsorientierte Absprachen können somit aus organisationaler Sicht als relevanter Baustein zur Personalbindung gesehen werden. Angebote betreffen zum Beispiel gestaffelte Dienstantrittszeiten, kürzere Dienstzeiten in Teilzeitbeschäftigung oder die Priorisierung bestimmter Dienste.

Bei der Aushandlung von Arbeitszeit­modellen ist allerdings Kompromissbereitschaft gefragt. Bedarfe der Mitarbeitenden, Anforderungen der Arbeitsbereiche und die Möglichkeiten der Einrichtungen müssen miteinander in Einklang gebracht werden. Für die Leitungspersonen stellt dies eine Herausforderung dar. Angesichts des Fachkräftemangels sind diese jedoch zunehmend angehalten, flexible Lösungen zu finden. Die Planung kann nur mit Blick auf das Gesamtpersonal erfolgen und wird als arbeitsintensiv, jedoch auch als wirkungsvoll beschrieben. Vonseiten der Mitarbeitenden wird häufig bereits bei den Einstellungsgesprächen die Zusage für die Tätigkeit an Bedingungen zu Arbeitszeit­anforderungen geknüpft.

Mitgestaltung des Dienstplans und Ausfall­managements. Einen weiteren relevanten Faktor für attraktive Arbeitsbedingungen bilden die Planbarkeit und Verlässlichkeit des Dienstplans. Bei den Mitarbeitenden besteht der Wunsch, die Dienstplanung mitzugestalten. Häufig wurde von der Möglichkeit berichtet, Wünsche und Präferenzen einzubringen. Die Erfahrungen damit sind allerdings unterschiedlich. Inwieweit Wünsche berücksichtigt werden, ist häufig von der Entscheidung durch die Leitungspersonen abhängig und nicht verpflichtend. Außerdem wurde von kurzfristigen Dienstplanänderungen auch ohne vorherige Absprache berichtet.

Es gibt jedoch auch Einrichtungen, in denen die Mitgestaltung und Verlässlichkeit des Dienstplans betrieblich festgeschrieben sind. Beispielhaft erwähnt wurde eine Einrichtung, in der Beschäftigte freie Tage mittels eines verbindlichen Rahmenplans planen können und Veränderungen die Zustimmung der jeweiligen Mitarbeitenden benötigen und mit einer Antrittsprämie verbunden sind.

Für das Ausfallmanagement empfiehlt sich die Etablierung einer Rufbereitschaft beziehungsweise eines Hintergrunddienstes, um die Planbarkeit für die Mitarbeitenden sicherzustellen. Der Wunsch danach wurde in den Interviews geäußert, aus einer (ambulanten) Einrichtung wurde die gelungene Umsetzung berichtet: An den Wochenenden wird eine Bereitschaft festgelegt, die im Falle einer plötzlichen Abwesenheit den Dienst übernimmt. Diese hält sich bis 9.00 Uhr frei und erhält eine Vergütung. In der Woche übernimmt die Pflegedienstleitung den Dienst. So wird außerplanmäßiges Einspringen auf ein Minimum reduziert, wenn auch nicht gänzlich ausgeschlossen. Die Umsetzung ist jedoch an finanzielle Ressourcen der Organisation gebunden.

Absprachen im Team. Ein weiterer wichtiger Faktor für die Ermöglichung angepasster Dienstzeiten ist das Pflegeteam. Gegenseitige Unterstützungsbereitschaft ermöglicht zum Beispiel leitungsunabhängig den Tausch von Diensten.

Eigeninitiative der Beschäftigten gefragt

Die Arbeitszeitgestaltung ist ein zentrales Anliegen beruflich Pflegender. In verschiedenen Lebensphasen und -situationen sind individuelle Arbeitszeitmodelle erstrebenswert. Von besonderer Bedeutung sind hierbei flexible Lösungen.

Institutionalisierte Angebote sind grundsätzlich wünschenswert und können ein Argument für die Aufnahme der Tätigkeit in einer Einrichtung sein. Jedoch sind sie angesichts arbeitsstruktureller und betriebsbezogener Erfordernisse nur bedingt umsetzbar und werden – auch aus diesem Grund – von Arbeitgebern weniger in Erwägung gezogen. Es erscheint daher nicht überraschend, dass Arbeitszeit­lösungen durch individuelle Absprachen zwischen Leitungspersonen und Mitarbeitenden gefunden werden.

Hieraus lässt sich ableiten: Auf der Ebene der Mitarbeitenden ist Eigeninitiative gefragt. Das meint vor allem ein aktives Zugehen auf die Leitung, eine klare und realistische Formulierung der Anliegen sowie Kompromissbereitschaft, da individuelle Lösungen auch immer nur mit Blick auf das gesamte Pflegeteam oder andere organisationale Anforderungen umgesetzt werden können.

Leitungskräfte hingegen sollten Offenheit für die Ansprache durch Mitarbeitende signalisieren. Gegebenenfalls können je nach Pflegesektor mehrere Ansprechpartner benannt werden, zum Beispiel Bereichsleitung, Pflegedienstleitung, Geschäftsleitung. Weiterhin können erweiterte Gesprächsmöglichkeiten angeboten werden, um mehr Gelegenheiten für individuelle Absprachen zu schaffen. Personalgespräche könnten beispielsweise engmaschiger geplant werden.

Die Kommunikation sollte auf Augenhöhe stattfinden. In der Pflegebranche sind zum Teil noch immer starke hierarchische Gefälle wahrzunehmen. Gleichzeitig findet in immer mehr Einrichtungen ein Umdenken statt. Beispiele guter Praxis zeigten sich in den Interviews in allen Pflegesektoren. Es wird deutlich, dass gute Praxis oft vom Engagement einzelner Führungskräfte abhängt. Deswegen sollten Fort- und Weiterbildungsangebote für Leitungskräfte ausgebaut werden, um (zeitgemäße) Führungsqualitäten anbahnen zu können. Dazu gehört neben Kommunikationskompetenzen auch die angemessene Berücksichtigung von Lebensphasen und Lebenssituationen.

Bei der Dienstplanerstellung könnte Mitarbeitenden ein betrieblich festgeschriebenes Mitgestaltungsrecht eingeräumt werden. Auch das Pflegeteam ist eine Ressource, die im Hinblick auf die Dienstplangestaltung stärker in den Blick genommen werden könnte, zum Beispiel in Form von Diensttausch.

Die Beispiele zeigen: Es ist möglich, den Mitarbeitenden durch eine flexible Arbeitszeit- und Dienstplangestaltung gute Rahmenbedingungen zu bieten, die eine langfristige Perspektive für die Zusammenarbeit ermög­lichen. Wenn eine gute Kommunikation der Mitarbeitenden mit den Leitungskräften gegeben ist, das Leitungsteam gut zusammen­arbeitet und die Mitarbeitenden die Chance erhalten, für sie wünschenswerte Arbeitszeiten wahrzunehmen, kann sich dies positiv auf die Mitarbeiterbindung und -zufriedenheit auswirken.

Der Fachkräftemangel belastet Pflegekräfte in mehrfacher Hinsicht. Jedoch können durch verschiedene, teilweise auch kleinere Anpassungen bessere Arbeitsbedingungen erzielt werden. Hier können die Einrichtungen selbst bessere Voraussetzungen schaffen: durch eine gute Koordination, Engagement und Offenheit für die Belange der Mitarbeitenden.

 

[1] Auffenberg J, Becka D, Evans M et al. „Ich pflege wieder, wenn …“ – Potenzialanalyse zur Berufsrückkehr und Arbeitszeitaufstockung von Pflegefachkräften. Düsseldorf: Hans Böckler Stiftung; 2022

[2] Amstutz N, Konrad J, Spaar R. Lebensphasenorientierte Personalentwicklung in der Pflege: Handlungsfelder für die Praxis. Zeitschrift für Führung und Personalmanagement in Der Gesundheitswirtschaft (ZFPG) 2016; 2 (1): 19–27

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