• 01.05.2023
  • Praxis
Einsatz von Klinikzauberern

Magische Stippvisite

Die Schwester Der Pfleger

Ausgabe 2/2023

Seite 20

Zauberei am Krankenbett führt bei Patientinnen und Patienten zu ähnlich positiven Effekten wie Clownerie. Der Autor dieses Fachbeitrags ist Pflegewissenschaftler und selbst als „Klinikzauberer“ im Einsatz. Er ermuntert Pflegende, kleine Zaubertricks zu erlernen und im Berufsalltag einzusetzen.

Zauberkunst fasziniert Menschen seit Jahrhunderten. Die Tricks und Illusionen werden durch geschickte Handhabung, geübte Bewegungen und ausgefeilte Techniken ermöglicht, die dem Publikum verborgen bleiben. Obwohl dem Publikum dies bewusst ist, hat Zauberei eine starke Wirkung auf Menschen – sowohl psychologisch als auch emotional. Zauberkunst kann daher helfen, sich zu entspannen und sich von schwierigen Situationen abzulenken.

Den Klinikalltag vergessen

Das Universitätsklinikum Essen macht sich diesen Effekt gezielt zunutze: So besuchen drei ehrenamtliche Zauberer seit 2018 jeden Monat junge Patientinnen und Patienten (im Folgenden: Patienten) der Kinderonkologie.

Die Zauberer tragen Dienstkleidung und gehen auf „magische Stippvisite“ von Zimmer zu Zimmer [1, 2]. Die Kinder merken in der Regel nicht, dass es sich bei ihnen nicht um „echte“ Ärzte oder Pfleger handelt. Die „Eröffnungsszene“ besteht darin, eine scheinbare Routinehandlung, z. B. Puls messen oder die Palpation der Ohren, auf magische Weise enden zu lassen – zur großen Überraschung der Kinder. Die Kunststücke der „Klinikzauberer“ sind breit gefächert: Bälle verschwinden und erscheinen in den Händen der Kinder, Münzen vergrößern und verkleinern sich, große Eisenmuttern teleportieren sich aus der Hand zum anderen Ende des Zimmers.

Viele Zaubertricks sind so konzipiert, dass der Eindruck entsteht, die Patienten seien selbst für die Magie verantwortlich. Da manche Kinder Angst vor Ärzten entwickelt haben, beginnen in diesen Fällen die Zaubereien mit – und an – den meist anwesenden Eltern.

Die Reaktionen der Kinder und auch der Eltern sind durchweg positiv. Die Zauberer haben das Gefühl, dass ihre Kunst den Patienten hilft, den schwierigen Klinikalltag zu vergessen. Sie vermuten weitere positive Effekte, näher verbalisieren – geschweige denn belegen – können sie diese jedoch nicht.

Um wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse zu erhalten, beschäftigten sich Pflegestudierende der Hochschule Niederrhein im Modul „Innovative Pflege“ mit der Klinikzauberei [3]. Zu Beginn recherchierten und sichteten die Studierenden relevante Forschungsliteratur. Dabei fiel direkt auf, dass es viele wissenschaftliche Publikationen über die Wirkung von Klinikclowns gibt [4], während das Gebiet der Klinikzauberei nur sehr spärlich untersucht ist. Die Analyse der Literatur ergab, dass beim Einsatz von Klinikclowns beispielsweise eine Reduktion der Stresshormone, des Schmerzempfindens und des Angstlevels nachgewiesen werden konnte [5–7]. Es ist zu vermuten, dass Zauberei ähnliche Effekte bewirkt, jedoch ist dies bislang nicht untersucht worden. Ein systematisches Review kommt zum gleichen Schluss: Zu diesem Thema ist so gut wie nichts bekannt [8].

Die Studierenden haben daher die vorhandene Literatur zu Klinikclowns auf eine mögliche Übertragbarkeit auf die Klinikzauberei untersucht und daraus einen ersten Forschungsplan für eine Mixed-Method-Studie mit qualitativem Start und quantitativer Konfirmation abgeleitet. In weiteren Schritten soll der Plan spezifiziert und in kleinere Arbeitspakete aufgeteilt werden, sodass Teilfragestellungen in Bachelor- oder Masterarbeiten nachgegangen werden kann.

Neben dem wissenschaftlichen Arbeiten besuchte einer der Essener Klinikzauberer die Studierenden und hielt ein kleines Zauberseminar, in welchem erste einfache Zauberkunststücke vermittelt wurden. Zudem konnten sie ihre Fragen an den „Experten“ stellen. Die Studierenden wurden dazu ermuntert, die Tricks in der Praxis auszuprobieren und auf die Reaktionen der Patienten zu achten.

Zaubertricks in Alltag integrieren

An dieser Stelle ist zu konstatieren, dass auch Laien kleine Zaubertricks erlernen können. Schließlich sind für Zaubertricks keine übernatürlichen Fähigkeiten nötig, sondern lediglich ein wenig Übung und Geschicklichkeit. Dies gilt insbesondere für die sogenannten Close-up-Tricks – also Zaubertricks, die aus der Nähe vorgeführt werden und die daher für den klinischen Alltag geeignet sind.

Auf Youtube finden sich zahlreiche Anleitungen, die sich speziell an Anfängerinnen und Anfänger richten (Textkasten: Zaubertricks für Laien). Pflegende könnten davon profitieren, kleine Zaubertricks in ihrem Berufsalltag einzusetzen. Zum einen können Zaubertricks dazu beitragen, die Stimmung auf der Station aufzuheitern und die Patienten abzulenken. Zum anderen können Zaubertricks auch dazu beitragen, die Kommunikation zwischen Patienten und Pflegenden zu verbessern – denn sie finden über die Zauberei ein gemeinsames Thema, das über die klinischen Belange hinausgeht.

Zaubertricks für Laien

Folgende kleine Zaubertricks sind einfach zu erlernen und überall anwendbar:

  • Münze zerreißen. Ein Stück Papier wird um eine Münze gefaltet. Das Papier wird zerrissen – die Münze ist verschwunden (https://www.youtube.com/watch?v=jLRwdg_4m-A ).
  • Drei Zaubertricks mit einem Stift. Einen Stift haben Pflegende immer dabei. Diesen Stift lassen sie erscheinen, verschwinden und durch einen Geldschein – oder Stück Papier – dringen (https://www.youtube.com/watch?v=BnhOrzTAmDc).

Weitere Infos und Anregungen zur Zauberei am Krankenbett sind auf dem Blog der „Essener Klinikzauberer“ zu finden: www.magische-stippvisite.de.

[1] große Schlarmann J, Ennigkeit S, Müller M. Blog Magische Stippvisite. www.magische-stippvisite.de

[2] Pfisterer H, große Schlarmann J. Zaubern vor der Scheibe. Der OZ Essen und sein Projekt für krebskranke Kinder. Magie 2019; (10): 494–496

[3] Müller M, Ennigkeit S, von Neuhoff N et al. „Magische Stippvisite“ trifft auf wissenschaftliches Interesse. Magie 2022; (12): 574–576

[4] Lopes-Junior LC, Bomfim E, Olson K et al. Effectiveness of hospital clowns for symptom management in paediatrics: systematic review of randomised and non-randomised controlled trials. BMJ 2020; 371. doi: doi.org/10.1136/bmj.m4290

[5] Goldberg A, Stauber T, Peleg O et al. Medical clowns ease anxiety and pain perceived by children undergoing allergy prick skin tests. Allergy 2014; 69 (10): 1372–1379

[6] Kristensen HN, Lundbye-Christensen S, Haslund-Thomsen H et al. Acute Procedural Pain in Children: Intervention With the Hospital Clown. Clin J Pain 2018; 34 (11): 1032–1038

[7] Lopes-Junior LC, Silveira DSC, Olson K et al. Clown Intervention on Psychological Stress and Fatigue in Pediatric Patients With Cancer Undergoing Chemotherapy. Cancer Nurs 2020; 43 (4): 290–299

[8] Lam MT, Lam HR, Chawla L. Application of magic in healthcare: A scoping review. Complement Ther Clin Pract 2017; 26: 5–11

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