Die vom DKI durchgeführte und von der DKG in Auftrag gegebene Untersuchung mit dem Titel „Krankenhaus-Barometer 2007" hat die Fachwelt aufschrecken lassen. Das Krankenhaus-Barometer liefert seit dem Jahr 2000 umfangreiche Informationen zum aktuellen Krankenhausgeschehen. Die Umfrage 2007 beruht auf den Angaben von 304 Allgemeinkrankenhäusern, die im April bis Juni dieses Jahres durchgeführt wurden. Die Ergebnisse sind repräsentativ für alle allgemeinen Krankenhäuser ab 50 Betten in Deutschland, die gemäß § 108 SGB V zur Krankenhausbehandlung zugelassen sind. Wir fassen zusammen, was die DKG, DPR und DBfK zu den Ergebnissen zu sagen haben. Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG): Kürzungspolitik erreicht Mitarbeiter und Patienten
Zu den dramatischen Ergebnissen des „Krankenhaus-Barometer 2007" erklärt der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Georg Baum:
„Die Umfrage macht eine alarmierende Trendumkehr bei den Krankenhäusern deutlich. Die wirtschaftliche Lage ist extrem angespannt – Einnahmen und Kosten klaffen immer weiter auseinander. Die Belastungen für die Kliniken sind nicht mehr zu verkraften. Ein Drittel der Krankenhäuser schreibt bereits Verluste. Die Kliniken mit ausgeglichenen Ergebnissen erreichen diese nur unter extremen Anstrengungen. Nach Jahren intensiver Durchrationalisierung ist die ‚Zitrone‘ ausgequetscht. Die nächsteStufe führt in die Rationierung der Versorgung, die schon heute spürbar ist. In den letzten zehn Jahren wurden mehr als 150000 Arbeitsplätze im Krankenhaus abgebaut, insbesondere in der Pflege. Die 17 Millionen Patienten merken dies längst am Krankenbett. Weitere Stellenkürzungen gehen zwangsläufig zu Lasten der Zuwendung. (…)
Das kann und darf die Politik nicht zulassen. Die Dramatik der Lage in den Krankenhäusern zwingt zum Handeln. Die Kürzungen und Einschnitte aus der Gesundheitsreform waren in 2006 unter ganz anderen Annahmen zustande gekommen. (…) Es zeigt sich, dass der konjunkturelle Aufschwung früher seine Wirkungen entfaltet als erwartet. Sowohl die Steuer-einnahmen als auch die Haushalte der Sozialversicherungen haben eine Trendumkehr zum Positiven unterlaufen."
Die Ergebnisse des „Krankenhaus-Barometer 2007"
1. Wirtschaftliche Lage schlecht – Pessimismus verstärkt sich
Die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser wird zunehmend schlechter. Die Grenzen der finanziellen Belastbarkeit sind, nicht zuletzt für die kleineren Kliniken, erreicht.
Der DKI-Krankenhausindex zeigt, dass die Kliniken seit Einführung des Fallpauschalensys-tems im Jahr 2003 wieder deutlich pessimistischer in die Zukunft blicken.
Die Ursachen liegen im Wesentlichen in dramatischen Kostensteigerungen, wie den deutlichen Tariferhöhungen für Klinikärzte, der Mehrwertsteuererhöhung, Energiekostensteigerungen sowie Mehrkosten durch das neue Arbeitszeitge-setz. Allein die Tariferhöhungen für die Klinikärzte summieren sich jährlich auf rund 1,5 Mrd. Euro. Das entspricht etwa 15 Prozent der gesamten Personalkosten des ärztlichen Dienstes. Bei vorgegebenem Landesbasisfallwert können diese Kostensteigerungen nicht an die Vergütungen (Fallpauschalen) weitergegeben werden.
2. Arbeitszeitgesetz – die Mehrheit hat Probleme bei der Umsetzung
Rund drei Viertel der deutschen Krankenhäuser hat nach wie vor Probleme mit der Umsetzung des neuen Arbeitszeitrechts. Die wesentlichen Ursachen dafür liegen in
– Finanzierungsproblemen
– Problemen mit der Mitarbeiterakzeptanz
– Schwierigkeiten, den Mehrbedarf an Ärzten am Markt zu decken.
3. Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden – nur wenige kommen durch
In den Krankenhäusern wird der medizinische Fortschritt rasch in eine bessere Patientenbehandlung umgesetzt. Allerdings: Medizinische Innovationen (neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden) werden nur langsam in das Fallpauschalensystem eingepreist. Die Finanzierung des medizinischen Fortschritts vor Ort erfolgt zunächst durch die Krankenhäuser selbst. Die Krankenhäuser treten somit in Vorleistung.
4. DRG-Zeitalter – Fokussierung und Wettbewerb stark zunehmend
Seit 2004 hat rund ein Fünftel der Kranken-häuser durch interne Schwerpunktsetzung min-destens einen Fachbereich neu errichtet. Etwa ein Drittel der Krankenhäuser hat allein in den letzten drei Jahren Aufgaben an Fremdfirmen outgesourct. Über ein Viertel der Krankenhäuser stimmen ihr Leistungsspektrum mit Auswirkung auf die Leistungsplanung mit anderen Häusern ab. Gegenüber dem letzten Jahr hat dieser Anteil damit im stationären wie ambulanten Sektor deutlich zugenommen. Knapp die Hälfte der Krankenhäuser ist seit dem Jahr 2004 eine institutionalisierte Form von Kooperation mit anderen Krankenhäusern eingegangen.
5. Unternehmensziele – Qualität steht hoch im Kurs
Bei den Unternehmenszielen sind den Krankenhäusern
– eine hohe Patientenzufriedenheit
– eine hohe Qualität der Leistungserbringung und
– ein gutes Image ihres Hauses in der Öffentlichkeit
am wichtigsten.
6. Entlassungsmanagement – gut gerüstet in die Zukunft
Die Krankenhäuser sind für das Versorgungs- und Entlassungsmanagement gut vorbereitet:
Jedes zweite Krankenhaus verfügt über schriftlich fixierte Arbeitsanweisungen oder Behandlungspfade – vielfach mit Erfassung zentraler Aspekte wie eine gezielte und frühzeitige Entlassungsplanung oder eine bedarfsorientierte Ein-beziehung nachsorgender Leistungserbringer.
Die Hälfte der Krankenhäuser hat speziell qualifizierte Fachkräfte, die ausschließlich oder schwerpunktmäßig für das Entlassungsmanage-ment bzw. die Patientenüberleitung zuständig sind (Case Manager, Fachkräfte für Pflegeüberleitung o. Ä.).
Deutscher Pflegerat (DPR): Patientensicherheit wird aufs Spiel gesetzt
Die wirtschaftliche Lage in vielen deutschen Kliniken ist laut neuem „Krankenhaus-Barometer 2007" äußerst angespannt. Pflegekräfte könnten dies einmal mehr als erste zu spüren bekommen: Fast 40 Prozent aller Häuser planen, auf die finanziellen Engpässe mit Stellenabbau im nicht-ärztlichen Bereich zu reagieren. Der DPR als Dachverband führender Pflegeverbände warnt eindringlich vor einem solchen Schritt. „Patientensicherheit und Mitarbeiterzufriedenheit stehen auf dem Spiel", erklärt DPR-Präsidentin Marie-Luise Müller.
Müller weiter: „Braucht die Politik erneut De-monstrationszüge durch ganz Deutschland wie im Jahr 1987, um auf die miserable Personalsituation und wachsende Unzufriedenheit der Pflegekräfte mit den Arbeitsbedingungen in den Krankenhäusern aufmerksam zu machen?" Damals gingen Hunderttausende von Pflegekräften auf die Straße und protestierten gegen einen heraufziehenden „Pflegenotstand" in Deutschland. Eine ähnliche Situation droht nach Angaben des DPR auch jetzt wieder, sollten die im DKI-Report erhobenen Prognosen Realität werden.
Die Aufgabe, gute und bedarfsgerechte Patien-tenversorgung sicherzustellen, sei in einem sich radikal verändernden Krankenhausbetrieb hin zu einem modernen Wirtschaftsbetrieb enormen Verwerfungen unterlegen, die sich insbesondere im Personalsektor der Pflege zeigen würden. „Hier muss nun ein Ende gemacht werden. Mehr als 40000 Stellen sind in den vergangenen Jahren in der Pflege verschwunden. Prognostiziert werden weitere 20000 Pflegearbeitsplätze, die abgebaut werden sollen. Das darf und kann nicht sein", so Müller.
Der Deutsche Pflegerat fordert daher die Politik, aber auch die Selbstverwaltung dringend auf, gemeinsam mit dem DPR Lösungen zu erarbeiten, die als Grundlage für den ordnungspolitischen Rahmen aller Krankenhäuser zu gelten haben. „Ziel muss eine verlässliche Patientenversorgung und Betreuung durch ausreichend viele Pflegende sein."
Dies gelte umso mehr, da die Pflege künftig vermehrt Aufgaben aus dem ärztlichen Bereich übernehmen solle. „Dazu sind wir grundsätzlich bereit, aber nur, wenn nicht immer mehr Arbeit auf immer weniger Schultern verteilt wird", stellt Müller klar. „Wir brauchen einen Neuzuschnitt der Aufgaben und Kompetenzen, ein klares Profil für professionelle Pflege, eine geordnete Kooperation mit den anderen Gesundheitsberufsangehörigen, insbesondere der Ärzteschaft. Allerdings sind hierfür Rahmenbedingungen erforderlich, die ein geordnetes Miteinander für eine sichere Patientenversorgung ermöglichen."
Dagegen werde es der Pflegerat nicht länger hinnehmen, „dass das berufliche und menschliche Engagement der Pflege durch die von ihr nicht beeinflussbaren Rahmenbedingungen zu einer Verschlechterung der Versorgung führen und dies dann auch noch der Pflege zur Last gelegt wird".
Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK): Hohes Risiko für Mitarbeiter und Patienten durch Sparpolitik im Krankenhaus
Der DBfK fordert vor dem Hintergrund der veröffentlichten Ergebnisse des „Krankenhaus-Barometers 2007" sofortiges Handeln. Der seit Jahren zunehmende ökonomische Druck und der radikale Personalabbau vor allem beim Pflegepersonal (zwischen 1995 und 2005 13,5 % weniger Pflegefachkräfte) gefährden Sicherheit und Gesundheit von Patienten und Mitarbeitern bereits heute nachweislich. Weitere Stellenkürzungen und verstärkte Verlagerung ärztlicher Tätigkeiten an die Pflegekräfte ohne wirksame Entlastung an anderer Stelle wären unverantwortlich. Mit den wichtigsten Unterneh-menszielen der Krankenhäuser, hoher Patientenzufriedenheit einerseits, hoher Qualität der Leistungserbringung und gutes Image in der Öffentlichkeit andererseits, wären die Folgen in keinem Fall vereinbar.
„Pflegekräfte in den Kliniken stehen längst mit dem Rücken zur Wand. Seit Jahren sind sie es in erster Linie, die für eine Sparpolitik ohne Augenmaß die Zeche zahlen müssen. Rigoroser Personalabbau bei steigendem Arbeitsanfall, krankmachende Arbeitsbedingungen, sinkende Gehälter trotz hoher Anforderungen im Berufsalltag machen den Pflegeberuf unattraktiver denn je. Immer mehr Pflegekräfte sind nach wenigen Berufsjahren ausgebrannt und leiden an berufsbedingten Erkrankungen", so Franz Wagner, Bundesgeschäftsführer des DBfK.
Die Berichte über Versorgungsmängel und Qua-litätseinbußen in deutschen Krankenhäusern neh-men zu. Patienten leiden nicht nur unter einem Mangel an Zuwendung im Rahmen ihres Krankseins, sondern können immer häufiger nicht mehr ausreichend versorgt und gepflegt werden. Gesundheitliche Schäden sind die Folge und verursachen ihrerseits weitere Kosten. Die Rationierung in der Versorgung hat längst begonnen.
Der DBfK fordert die Verantwortlichen auf, umgehend den Pflegepersonalabbau zu stoppen. Erforderlich sind analytische Personalbemes-sungsverfahren, die den tatsächlichen pflegerischen Aufwand zugrunde legen. Die Arbeitsbedingungen und die Vergütung des Pflegepersonals müssen deutlich besser werden. Darüber hinaus sind Prozesse dahingehend zu optimieren, dass sich die Aufgabenteilung im Gesundheitswesen an den veränderten Versorgungsanforderungen und den Bedürfnissen der Patien-ten orientiert.