• 01.04.2009
  • Management

Pflegezeitgesetz: Besonderer Kündigungsschutz für pflegende Angehörige

Die Schwester Der Pfleger

Ausgabe 4/2009

Wenn ein naher Angehöriger pflegebedürftig wird, befindet man sich oftmals in einem Gewissenskonflikt. Soll man die Pflege selbst übernehmen, obwohl man in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis steht und seinen Job (gegebenenfalls auch für länger) an den Nagel hängen? Oder soll man die Pflege einem (professionellen) Dritten überlassen, der viel Geld kostet und trotzdem in der Regel die Pflegeleistung nicht mit der Hingabe wie ein Angehöriger erbringt?

Trotz der Nachteile war bislang der Großteil der abhängig Beschäftigten aus Sorge um die eigene berufliche Zukunft und Existenz gezwungen, die Pflege Dritten zu überlassen. Um dieses Dilemma, in dem sich die Betroffenen befinden, zu lösen oder doch zumindest abzuschwächen, ist im Rahmen der Pflegereform 2008 das so genannte Pflegezeitgesetz (kurz Pflege-ZG) verabschiedet worden. Es verfolgt das Ziel, den abhängig Beschäftigten die Möglichkeit zu eröffnen, Beruf und Familie (hier im Sinne einer familiären Pflege) besser miteinander zu vereinbaren. Seit dem 1. Juli 2008 haben nahe Angehörige pflegebedürftiger Personen danach einen Rechtsanspruch, zum Zwecke der Pflege kurzzeitig (so genannte kurzzeitige Arbeitsver-hinderung) oder sogar bis zu sechs Monate (so genannte Pflegezeit) der Arbeitsstelle fern zu bleiben, ohne während dieser Zeit eine Kündigung durch den Arbeitgeber befürchten zu müssen.
Sie genießen daher einen absoluten Kündigungsschutz, allerdings ohne Entgeltfortzahlung. Die auf diese Weise neu eingeführte Pflegezeit ist in wesentlichen Strukturelementen mit der bekannten Elternzeit vergleichbar.

Welche Möglichkeiten der häuslichen Pflege bietet das neue PflegeZG?

Das PflegeZG unterscheidet zwischen der „kurzzeitigen Arbeitsverhinderung" und der „Pflegezeit".

Kurzzeitige Arbeitsverhinderung

Kommt es in der Familie zu einer akut auftretenden Pflegesituation, zum Beispiel nach einem Schlaganfall, so können Beschäftigte bis zu zehn Arbeitstage der Arbeit fern bleiben, um die bedarfsgerechte Pflege zu organisieren, sofern dies erforderlich ist. Die kurzzeitige Arbeitsverhinderung muss dem Arbeitgeber unverzüglich angezeigt werden. Der Arbeitgeber kann zudem verlangen, dass die Pflegebedürftigkeit durch ärztliche Bescheinigung nachgewiesen wird.

Pflegezeit

In Betrieben mit 16 und mehr Beschäftigten – aber auch nur dort – besteht neben der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung die Möglichkeit, eine bis zu sechsmonatige Pflegezeit in Anspruch zu nehmen. Dabei ist in jedem Falle die Pflegebedürftigkeit durch den Beschäftigten mittels einer Bescheinigung der Pflegekasse oder des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung nachzuweisen. Wer seinen nahen Angehörigen selbst länger häuslich pflegen möchte, muss dies dem Arbeitgeber spätestens zehn Tage vor Beginn schriftlich anzeigen und dabei mitteilen, für welchen Zeitraum und in welchem Umfang die Freistellung von der Arbeitsleistung beabsichtigt ist.

Dabei besteht die Möglichkeit, zwischen vollständiger Freistellung und teilweiser Freistellung, zum Beispiel halbtags, zu wählen. Das PflegeZG bietet also in der Sache auch einen auf sechs Monate beschränkten Teilzeitanspruch, wobei betriebliche Gründe die Wahl und konkrete Ausgestaltung der Teilzeit beschränken können.

Wer darf von den Möglichkeiten des PflegeZG Gebrauch machen?

Das PflegeZG richtet sich zunächst an alle Beschäftigte. Dazu gehören neben den Arbeitnehmern auch die Auszubildenden und die arbeitnehmerähnlichen Personen. Wer zu diesen Personengruppen gehört, darf von den Möglichkeiten des PflegeZG dann Gebrauch machen, wenn es sich bei der zu pflegenden Person um einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen handelt.

Wer zu den nahen Angehörigen zählt, regelt das Gesetz selbst. Nahe Angehörige im Sinne des PflegeZG sind Großeltern, Eltern und Schwiegereltern, Ehegatten, Lebenspartner, Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft und Geschwister, leibliche sowie Adoptiv oder Pflegekinder, eigene wie auch die des Ehegatten oder Lebenspartners, Schwiegerkinder und Enkelkinder. Ob eine Pflegebedürftigkeit vorliegt, richtet sich nach den Vorschriften des SGB XI. Ein Angehöriger ist danach pflegebedürftig, wenn er wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, der Hilfe bedarf.

Die Beanspruchung der so genannten Pflegezeit ist darüber hinaus – wie bereits oben dargelegt – an die Betriebsgröße gekoppelt (16 und mehr Beschäftigte).

Gibt es im Rahmen des PflegeZG einen Entgeltfortzahlungsanspruch?

Das PflegeZG enthält keinen Entgeltfortzahlungsanspruch. Ein solcher ist nur dann möglich, wenn eine besondere Vereinbarung besteht, zum Beispiel im Rahmen von Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen oder individualvertraglich. Solche Vereinbarungen sind jedoch derzeit Mangelware, da es sich beim PflegeZG noch um ein junges Gesetz handelt. Wer also die häusliche Pflege eines nahen Angehörigen übernimmt, verzichtet momentan in der Regel auf seinen Lohn, kommt aber zumindest in den Genuss eines absoluten Kündigungsschutzes.

Ab wann besteht Kündigungsschutz und wann endet er?

Der Arbeitgeber darf das Beschäftigungsverhältnis von der Ankündigung bis zur Beendigung der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung oder Pflegezeit nicht kündigen. Bemerkenswert ist hier zunächst, dass es sich um einen absoluten Kündigungsschutz handelt. Das heißt, dass jegliche arbeitgeberseitige Kündigung unwirksam ist, sofern sie während des Kündigungsschutzes ausgesprochen wurde. Daher bleibt der Arbeitgeber selbst bei geplanten Massenentlassungen, Insolvenz oder (Teil-)Betriebsstilllegung an das Beschäftigungsverhältnis gebunden. In Ausnahmefällen kann allerdings eine arbeitgeberseitige Kündigung von der für den Arbeits-schutz zuständigen obersten Landesbehörde für zulässig erklärt werden. Besonderheiten ergeben sich darüber hinaus bei befristeten Beschäftigungsverhältnissen, bei denen der Beendigungszeit-raum in den Kündigungsschutz fällt.

Beachtenswert ist ferner, dass der Kündigungsschutz bereits mit der Ankündigung einer Maß-nahme nach dem PflegeZG greift. Wer also weiß, dass er zukünftig von den Möglichkeiten des PflegeZG Gebrauch machen will, sollte dies so schnell wie möglich seinem Arbeitgeber in der vorgeschriebenen Form ankündigen. Erhält der Beschäftigte vor der Ankündigung eine ansonsten wirksame Kündigung, greift der Kündigungsschutz des PflegeZG nicht ein. Die Möglichkeit einer Nachholung der Ankündigung, wie sie zum Beispiel das Mutterschutzgesetz kennt, gibt es im PflegeZG nicht.

Vielfach kritisiert wird der Umstand, dass aufgrund dieser Ausgestaltung das PflegeZG strategisch zur Verhinderung arbeitgeberseitiger Kündigungen genutzt werden kann. Es bleibt insoweit abzuwarten, ob der Gesetzgeber in Anlehnung an die Kritik hier Veränderungen am PflegeZG vornehmen wird. Solange dies aber nicht der Fall ist, bleibt es bei der derzeitigen Rechtslage, wonach bei rechtzeitiger Ankündigung die arbeitgeberseitige Kündigung ausgeschlossen ist.

Gibt es die Möglichkeit für den Arbeitgeber, eine Vertretung einzustellen?

Insbesondere der absolute Kündigungsschutz stellt einen gravierenden Eingriff in die be-triebliche Organisationshoheit des Arbeitgebers dar. Klarstellend regelt das PflegeZG daher die Möglichkeit des Arbeitgebers, für den pflegenden Beschäftigten eine Vertretung einzustellen, deren Beschäftigungsverhältnis insoweit zulässig zeitlich befristet werden kann. Auch ist der Arbeitgeber bei frühzeitigem Ende der Pflegezeit, zum Beispiel durch Genesung, grundsätzlich berechtigt, den befristeten Vertrag mit der Vertretung vorzeitig mit einer Frist von zwei Wochen zu kündigen.

Sind die Regelungen des PflegeZG bindend?

Die Regelungen des PflegeZG sind nahezu vollumfänglich unabdingbar, das heißt von ihnen darf nicht zum Nachteil der Beschäftigten abgewichen werden.

Nach alledem kann festgestellt werden, dass das PflegeZG durchaus geeignet ist, den Beschäftig-ten ein großes Maß an beruflicher Sicherheit zu bieten und so den eingangs erwähnten Gewis-senskonflikt zumindest abzumildern. Beschäftigte sollten daher nicht zögern, von den Möglichkeiten des PflegeZG Gebrauch zu machen.

In dem sich hier anschließenden Beitrag zeigt die Autorin Corinna Schroth einige Problemfelder auf, die das Pflegezeitgesetz mit sich bringt.

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