• 01.06.2016
  • Bildung
50 Jahre B. Braun-Stiftung

"Die Nachfrage nach unseren Programmen steigt stetig"

Prof. Dr. Alexander Schachtrupp, 48, ist Geschäftsführer der B. Braun-Stiftung und Leiter Medizin und Wissenschaft bei der B. Braun Melsungen AG

Die Schwester Der Pfleger

Ausgabe 6/2016

Seit 1966 unterstützt die B. Braun-Stiftung pflegerischen und medizinischen Nachwuchs. Fast 14.000 Einzelförderungen für Pflegende, zahlreiche Pflegeforschungsprojekte und Veranstaltungen sind dabei bislang von der Stiftung unterstützt worden. Wir sprachen mit dem Geschäftsführer Prof. Dr. Alexander Schachtrupp über bisher Erreichtes und künftige Vorhaben.

Herr Professor Schachtrupp, seit 2013 sind Sie Geschäftsführer der B. Braun-Stiftung. Welche Ziele verfolgen Sie in dieser Position?

Im Fokus der Stiftung steht interprofessionelles Lernen. Denn ohne eine Zusammenarbeit der unterschiedlichen Berufe kann sich das Gesundheitssystem nicht weiterentwickeln. Erst aus dem gemeinsamen Wissen entstehen die besten Lösungen für Patienten und letztlich auch Fortschritt. Neben der interprofessionellen Arbeit braucht es aber auch Führung und Verständnis füreinander. All diese Aspekte fördern wir mit unseren Programmen für Pflegende, Mediziner, Manager und Wissenschaftler.

Die Professionen lernen also schon in den einzelnen Seminaren gemeinsam und nicht erst, wenn sie wieder zurück am Arbeitsplatz sind?

Genau. In den interdisziplinären Gruppen ist viel intensiveres Lernen möglich. Gleichzeitig lernen die Teilnehmer unterschiedliche Sichtweisen kennen. Wir wollen Pflegenden und Ärzten neben fachlichem Wissen aber auch Rüstzeug liefern, um Abläufe besser steuern zu können. Zudem ist es mir wichtig, Innovationen in den genannten Bereichen voranzubringen. Die Stiftung ist in diesem Zusammenhang auch ein Ort, um neue Ideen und Lösungsansätze gemeinsam zu diskutieren und zu erarbeiten. Es geht nicht um Einzel-, sondern Gesamtinteressen zum Wohle der Gemeinschaft. Wie man diese zusammenbringt, vermitteln wir in unseren Seminaren und setzen dabei bewusst auf einen konstruktiven Dialog.

Wie werden die Angebote der Stiftung angenommen?

In den vergangenen Jahren ist die Nachfrage nach unseren Programmen immer größer geworden. Mittlerweile haben wir in der Regel doppelt so viele Antragsteller wie Plätze zu vergeben sind. Das ist einerseits schade. Andererseits bestärkt es uns auch darin, richtig aufgestellt zu sein.

Was fördern Sie konkret mit den Stiftungsgeldern?

Im Prinzip gibt es drei große Bereiche: Wir unterstützen neben Fort- und Weiterbildungen medizinisch-wissenschaftliche Forschungsprojekte und Veranstaltungen. Dies immer mit dem Ziel, Wissen zu teilen, Talente zu fördern und Netzwerke zu knüpfen, um letztlich die Strukturen des Gesundheitssystems zu optimieren. Da rund zwei Drittel des Stiftungsbudgets aus den jährlichen Zuwendungen der Unternehmerfamilie Braun stammen, erwartet diese zurecht, dass wir gut mit ihren Geldern umgehen. Wir stellen unser Angebot deshalb immer wieder auf den Prüfstand und passen es an die aktuellen Rahmenbedingungen im Gesundheitssystem an.

Können Sie ein konkretes Beispiel für solche Anpassungen nennen?

Bislang gab es unsere Seminarreihe „Expertise in Leadership" separat für Pflegende und Ärzte. Lediglich an einem Tag standen gemeinsame Lerneinheiten auf dem Programm. Das soll sich künftig ändern. Beide Berufsgruppen sollten von Beginn an zusammen arbeiten. Ähnlich wird das auch schon in unserem Mentoring-Programm umgesetzt, in dem die unterschiedlichsten Professionen aus der Gesundheitsbranche aufeinandertreffen.

Inwiefern profitieren speziell Pflegende von den Angeboten der Stiftung?

Jeder, der im Bereich der Pflege tätig ist, kann von unseren Angeboten profitieren. Die jährliche Fortbildung für Pflegende beispielsweise zählt mit mehr als 1.400 Teilnehmern zu den größten Fachforen für Pflegende in Deutschland und richtet sich sowohl an Fachpersonal als auch an Pflegeschüler und ist für die Teilnehmer kostenfrei. Darüber hinaus bieten wir zahlreiche Einzelförderungen an, zum Beispiel wenn jemand eine Zusatzqualifikation zur Hygienefachkraft anstrebt. Während sich das erwähnte Mentoring-Programm auch schon an junge Pflegende richtet, die eine Führungsposition anstreben, adressieren wir mit „Expertise in Leadership für Pflegende" Personen, die bereits Führungserfahrung haben. Das bezieht sich auf Pflegende, die ab der Position einer stellvertretenden Stationsleitung arbeiten.

Was müssen Interessierte mitbringen, um an einem der Programme teilnehmen zu können?

Grundvoraussetzung sind Wille und Bereitschaft, sich weiterzuentwickeln. Diese Komponenten wiegen fast mehr als gute Noten oder ein gutes Empfehlungsschreiben.

Die Aktivitäten der Stiftung gehen über Landesgrenzen hinaus. Welche Entwicklungen gibt es international gesehen?

In Indien unterstützen wir beispielsweise die Ausbildung junger Frauen zur Krankenschwester. Über einen Zeitraum von vier Jahren fördern wir bislang immer zwei Teilnehmerinnen bis zum College-Abschluss. Wir wollen das soweit ausbauen, dass wir künftig immer acht Frauen in der Förderung haben. Bislang scheiterte das an simplen Geldtransaktionen. Es ist nicht so einfach, Geld nach Indien zu überweisen. Mit der indischen Niederlassung von B. Braun haben wir jetzt einen entsprechenden Partner vor Ort, sodass wir nun das Programm weiter ausbauen können.

Die Programme der Stiftung orientieren sich stark an der Praxis. Engagiert sich die Stiftung auch im Bereich der Pflegeforschung?

Ja, durchaus. Seit 2002 finanzieren wir das renommierte Pflege-Thermometer des Deutschen Instituts für angewandte Pflegeforschung, das zu einem der bedeutendsten Untersuchungen in der Pflege zählt. Forschung ist der Schlüssel, um die Pflege als Profession und damit deren Bedeutung voranzubringen. Sie ist also kein Selbstzweck, sondern Grundlage für die Entwicklung der Pflege. Diese Erkenntnis ist vielleicht noch nicht bei allen Pflegenden angekommen, muss ich leider sagen. Das ist mit ein Grund, warum Pflegeforschung aktuell noch völlig unterrepräsentiert ist und warum wir das ändern wollen.

Dass Sie das Ernst meinen, sieht man zum Beispiel daran, dass Sie auf der Fortbildung für Pflegende im vergangenen Jahr eine anonyme Befragung vorgenommen haben, deren Ergebnisse jetzt für Diskussionsstoff sorgen könnten.

Richtig. Wir haben gut 300 Teilnehmer der Veranstaltung zu arbeitsbedingten viralen Infektionen wie Hepatitis C in der Pflege befragt. Die brisanten Ergebnisse werden wir in diesem Jahr an gleicher Stelle im Kongress Palais Kassel am 7. Oktober vorstellen. Derzeit sind wir noch mit der Auswertung beschäftigt, aber so viel sei vorab verraten: Pflegende haben offensichtlich nur unzureichende Kenntnisse darüber, was beispielsweise bei Nadelstichverletzungen zu tun ist. Mehr als 60 Prozent der Befragten fühlten sich zudem nicht ausreichend geschult, um mit Patienten mit hochkontagiösen oder seltenen Infektionskrankheiten umgehen zu können.

Wir sind auf die ausführlichen Ergebnisse gespannt. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Professor Schachtrupp.

B. Braun-Stiftung

Ansässig in Nordhessen, gehört die B. Braun-Stiftung in der Region mit einem Stammkapital von rund 20 Millionen Euro zu den größeren Stiftungen. In den vergangenen 50 Jahren seit Gründung der Stiftung im Jahr 1966 kamen Pflegenden, Medizinern, Apothekern sowie Managern und ihren Anliegen mehr als zwölf Millionen Euro zugute. Damit wurden unter anderem 13.813 Einzelförderungen für Pflegende finanziert, 21 Pflegeforschungsprojekte und 848 Veranstaltungen für Pflegende, Mediziner, Manager und Apotheker mit mehr als 100.000 Teilnehmern.   

Die Stiftung entwickelte sich aus der ehemaligen Werkszeitung der B. Braun Melsungen AG, die 1962 noch „Die Schwester" hieß. Mittlerweile ist daraus mit „Die Schwester Der Pfleger" die führende Pflegezeitschrift Deutschlands hervorgegangen. Die große Resonanz der Zeitung brachte die Gründungsväter und Brüder Otto und Dr. Bernd Braun auf die Idee, das Objekt als Fachzeitschrift zu vermarkten. Die Verkaufserlöse sollten von Anfang an für weitere Fortbildungen und Forschung an jene zurückfließen, die für ihre eigene Fortbildung mit dem Kauf der Zeitschrift Geld ausgegeben hatten. Die Stiftung wurde gegründet. Anfangs aus den Gewinnen der Zeitschrift gespeist, agieren Stiftung und Fachzeitung mittlerweile als eigenständige, unabhängige Institutionen.
www.bbraun-stiftung.de 

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