Mobbing geht an die Substanz und macht letztendlich krank. Es lässt sich nur in den seltensten Fällen alleine bewältigen. Je früher Hilfe und Beratung in Anspruch genommen werden, desto größer sind die Chancen, die dahinter stehenden Konflikte zu lösen. Der folgende Beitrag zeigt, wie Beratung bei Mobbing helfen kann und stellt einige Fälle aus der Beratungspraxis vor.
Jeder Berufstätige kann von Mobbing betroffen sein oder „als Instrument eines Mobbers" missbraucht werden. Die Besonderheit beim Mobbing ist die subtile und dabei gezielte, systematische Vorgehensweise des Mobbers. Mitunter hat der Mobber selbst kein Gesicht, da er seinen Konflikt über Dritte austragen lässt, um so sein Ziel zu erreichen. Stimmungsmache im Berufsalltag, egal von welcher Seite, sollte daher immer kritisch betrachtet werden, vor allem dann, wenn der Betroffene nicht gehört wird oder nicht zu Wort kommen soll. Schnell wird man unbewusst selbst zum Erfüllungsgehilfen eines anderen oder auch zum Opfer.
Mobbing ist meist auf nicht aufgearbeitete Konflikte zurückzuführen, die sich durch Folgekonflikte weiter verstetigen und verschärfen. Hier gilt es, die Konfliktkaskade zu stoppen. Stehen ungelöste Konflikte im Raum, sollte man sich frühzeitig Hilfe holen und nicht warten, bis die eigenen Energiespeicher aufgebraucht sind. Treten dann noch Fehler oder Überreaktionen auf, stehen schnell arbeitsrechtliche Konsequenzen im Raum.
Wann sollte ich einen Anwalt einschalten?
Oft tendieren Betroffene dazu, bei Konflikten als erstes an einen Anwalt zu denken. Grundsätzlich ist es sinnvoll, sich über die rechtliche Situation zu informieren. Zu bedenken ist jedoch, dass es bei einer anwaltlichen Beratung nicht um Bewältigung der Krise oder emotionale Aufarbeitung geht, sondern um die Durchsetzung von persönlichen „Rechten" bis hin zum Rechtsstreit vor Gericht. Bei gerichtlichen Auseinandersetzungen ist immer ein Anwalt zu empfehlen. Allerdings sind gerichtliche Entscheidungen nicht damit gleichzusetzen, dass sich die persönliche Situation verbessern wird. Auch ein gewonnener Rechtsstreit ist kein Garant dafür, dass nicht weitere Folgekonflikte entstehen. Es macht also mehr als Sinn, bereits in der frühen Phase von Mobbing alles daranzusetzen, Konflikte außergerichtlich zu lösen.
Es gibt zahlreiche Unterstützungsangebote für Betroffene (Abb. 1). Welches Angebot das richtige ist, muss man im spezifischen Kontext klären. Die Wahl einer ersten Anlaufstelle sollte unter den Aspekten „Neutralität", „Vertrauenswürdigkeit" und „Qualität der Beratung" erfolgen.
Mobbing stellt in seiner Vielschichtigkeit eine besondere Herausforderung für die Beratung dar, denn Betroffene befinden sich in einer emotionalen Krise. Beratung in Krisensituationen erfordert neben einer guten Qualifikation des Beraters auch Erfahrung – mit gut gemeinten Tipps und Ratschlägen ist es meist nicht getan.
Berufsverband ist wenig bekannte Anlaufstelle
Je früher Beratung und Hilfen in Anspruch genommen werden, desto größer ist die Chance einer Lösung. Die Mitgliederberatung im DBfK Südwest umfasst eine spezielle Form der Beratung, die auf mediativer Haltung aufbaut und Elemente von Supervision und Coaching beinhaltet. Die Besonderheit ist, dass der Berater lediglich bei der Konfliktbewältigung unterstützt, ohne selbst Lösungsvorschläge vorzugeben (Neutralität). Das Ergebnis ist das Produkt einer gemeinsamen Reflexion mit dem Betroffenen. Die Verantwortung bleibt bei dem Betroffenen selbst.
Der Mitgliederberatung liegt ein humanistisches Verständnis zugrunde. Die Beratung wird von der Überzeugung geleitet, dass die Betroffenen die erforderlichen Ressourcen besitzen, um ihren Konflikt eigenverantwortlich zu lösen. Im Vordergrund beim Thema Mobbing steht die Aufarbeitung der emotionalen Krise.
Auch bei anwaltlicher Einbindung bleibt der Berater Ansprechpartner und unterstützt den anwaltlichen Prozess psychosozial, im Sinne von Coping und Ressourcenorientierung, mit. Ein wichtiger Aspekt ist dabei, Stressoren zu identifizieren und Möglichkeiten aufzuzeigen, mit diesen umzugehen.
Für Mitglieder des Berufsverbandes ist die Beratung kostenfrei. Die Berater sind selbst Pflegefachkräfte mit breiter Feld- und Beratungskompetenz. Die Beratung erfolgt im persönlichen Einzelgespräch oder auch in Form einer Telefonberatung. Die Vorteile dieser Beratung sind:
- Der Betroffene erhält eine neutrale Beratung, die Raum für Emotionen bietet.
- Mitgliederberatung und Rechtsberatung arbeiten Hand in Hand.
- Das Mitglied bestimmt über seinen Prozess.
- Die Beratung ist vertraulich und persönlich.
- Bedürfnisse und Interessen werden konkretisiert.
- Der Betroffene wird bei der Stressbewältigung unterstützt.
- Die Beratung stärkt die Fähigkeiten, Konflikte selbst zu lösen.
- Es wird nach Konsens mit allen Beteiligten gesucht (Win-win-Situation).
Wie läuft die Beratung ab?
Der Beratungsprozess gliedert sich in fünf Phasen (Abb. 2). Im Vorgespräch wird über die Arbeitsweise und die besondere Rolle des Beraters informiert. Auch wird ein möglicher akuter Handlungsbedarf geklärt, zum Beispiel ein Rechtsanliegen. In der Eröffnungsphase wird der aktuelle Sachverhalt besprochen. Es findet eine erste Analyse im Hinblick darauf statt, welche Konflikte zuerst da waren. Zentrales Anliegen der Beratung in der Anfangsphase ist, die Eskalationsspirale bewusst zu machen und erste Ansätze zu finden, wie diese unterbrochen werden kann. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf den Emotionen des Betroffenen.
Mit dem Assessment erfolgt eine erweiterte personenzentrierte Konfliktanalyse. Hier werden Motive, Bedürfnisse, Interessen, Ziele und Wünsche des Betroffenen herausgefiltert. Der Berater unterstützt diesen Prozess mit verschiedenen Methoden, wie aktives Zuhören, Paraphrasieren oder Reframing. Der Beratung liegt das sogenannte Harvard-Konzept zugrunde, eine Methode des sachbezogenen Verhandelns. Das Harvard-Konzept zielt auf eine konstruktive und friedliche Einigung in Konfliktsituationen mit einem Win-win-Ergebnis für alle Beteiligten. Im Vordergrund steht der größtmögliche beiderseitige Nutzen, bei dem – über die sachliche Übereinkunft hinaus – auch die Qualität der persönlichen Beziehungen gewahrt bleiben soll.
In der Vertiefungsphase liegt der Fokus auf den negativen Stressoren und dem persönlichen Stressmanagement. Gemeinsam werden die Stressoren identifiziert und Möglichkeiten aufgezeigt, mit diesen umzugehen. Beim Mobbing sind es meist die Mobbinghandlungen selbst, die Stress auslösen und angegangen werden müssen. Zur Stressbewältigung zählt aber auch, die eigene Bewertung zu verändern und Strategien für die eigene Balance zu finden, wie Sport, Zeit für eigene Bedürfnisse oder Beziehungspflege. In der Lösungsphase werden die Umsetzungsschritte erarbeitet. Das Nachgespräch wird dann überprüft, ob die Ziele erreicht sind oder noch weitere Maßnahmen folgen müssen.
Fälle aus der Beratungspraxis
Mobbing kann jede Pflegekraft in allen Bereichen und Funktionen treffen, wie nachfolgende Beispiele aus der Praxis zeigen.
Praxisfall 1: Frau K., 52 Jahre, arbeitet seit zirka 17 Jahren als Altenpflegerin in einer Altenpflegeeinrichtung. Ein bereits länger zurückliegender Streit ist die Ursache, dass eine andere Mitarbeiterin systematisch die Kolleginnen gegen Frau K. aufwiegelt. Neue Konflikte entstehen, weitere Mitarbeiterinnen sind involviert. Frau K. ist verunsichert, macht erste Fehler, ist häufig krank. Es kommt zur Abmahnung.
Praxisfall 2: Frau S,. 45 Jahre, ist seit zwölf Jahren Pflegedienstleitung im Krankenhaus. Im Rahmen einer Neustrukturierung passt Frau S. nicht mehr ins Unternehmensprofil. Frau S. wird ihrer Position enthoben und auf eine unwichtige Stelle versetzt. Die Unternehmensleitung hofft, dass Frau S. von allein kün-digt.
Praxisfall 3: Frau T., 30 Jahre, ist Stationsleitung einer neu zusammengelegten interdisziplinären Station, die ehemals aus zwei Stationen bestand. Frau K. ist von extern neu eingestellt worden. Die Kolleginnen sind mit der Zusammenlegung der Stationen nicht einverstanden. Die Stationsleitung wird von den Mitarbeitern bei den Vorgesetzten diskreditiert, Gerüchte werden gestreut.
Allen drei Fällen ist gemeinsam, dass hier die Beratung einen positiven Ausgang für Arbeitgeber und Arbeitnehmer gefunden hat. Dies ist natürlich nicht die Regel. Je höher die Eskalationsstufe eines Konflikts, desto eher geht es nur noch um Schadensabwehr für die Betroffenen.
Fall 1: Im ersten Fall ergab sich in der Beratung, dass die psychosoziale Verfassung der Altenpflegerin so instabil war, dass therapeutische Hilfe als Akutmaßnahme notwendig wurde. Es kostete viel Überzeugungsarbeit, damit überhaupt eine Therapie in Anspruch genommen wurde. Frau K. wurde vom Hausarzt krankgeschrieben. Nach vertieften Gesprächen schloss sich dann eine psychosoziale Therapie an. Dies ist auch ein Beispiel dafür, dass Berater ihre Möglichkeiten und Grenzen der Beratung kennen müssen und auf notwendige Hilfen verweisen. Der Arbeitgeber wurde hingewiesen, seine Fürsorgepflichten wahrzunehmen und den Persönlichkeitsschutz seiner Mitarbeiterin sicherzustellen. Der Mobberin wurde gekündigt. Nach einer Reha-Maßnahme konnte Frau K. erfolgreich wiedereingegliedert werden
Fall 2: Im zweiten Fall wurde in der Beratung eine meditative Lösung angestrebt, und es wurden konkrete Schritte eingeleitet. Der Arbeitgeber stimmte nach einiger Überzeugungsarbeit einer Mediation zu. Seitens der PDL bestand das Bedürfnis nach rechtssicherer vertraglicher Abwicklung. Die Auswahl der Mediation fiel daher auf einen Anwalt mit Mediatorausbildung, der die Verhandlung übernahm und vertragssicher abwickelte. Die Kosten wurden freiwillig vom Arbeitgeber übernommen. Eine gewisse Form der Wertschätzung spiegelte sich dann im Auflösungsvertrag wider. Im weiteren Verlauf der Beratung konnte eine neue Zukunftsperspektive entwickelt werden.
Fall 3: Im dritten Fall konnte durch die Beratung die Bereitschaft für ein Coaching gelegt werden. Gegenüber der Mitarbeiterin, die bewusst Unwahrheiten in Umlauf gebracht hatte, wurde Anzeige wegen Verleumdung gestellt. Dies veranlasste dann endlich auch den Arbeitgeber, tätig zu werden. Nach anfänglicher Abwehr und einigen Gesprächen stimmte der Arbeitgeber letztendlich dem Coaching zu. Auch hier zeigte sich, dass allein die Tatsache, dass ein Berufsverband involviert ist, vieles ermöglicht. Es erfolgte im ersten Schritt ein persönliches Coaching der Stationsleitung. Daran schloss sich Gruppencoaching mit den Mitarbeiterinnen an. Hier wurde unter anderem auch das Verhalten der Kolleginnen reflektiert. Die Zusammenführung der Station ist letztendlich geglückt. Nach Aussage der Stationsleitung herrscht ein gutes Arbeitsklima, das insbesondere dem Coaching zu verdanken ist. Ohne Hilfe von außen wäre dies nicht möglich gewesen.
Pflegende können wichtigen Beitrag gegen Mobbing leisten
Im Berufsleben gehören Konflikte zum Alltag aller Pflegenden. Schwierige Rahmenbedingungen, Restrukturierungen und Fusionierungen verstärken jedoch das ohnehin große Konfliktpotential. Der heutige Veränderungsdruck führt zu einer drastischen Beschleunigung von Konflikten. Viele Konfliktstufen werden dann einfach übersprungen und gehen direkt in die Verhärtung. Man spielt mit unfairen Methoden, sodass Mobbing eine logische Folge ist.
Auffallend in der Beratungsarbeit ist, dass zunehmend der Arbeitgeber selbst die Ursache ist. Dabei sollte dieser eigentlich Mobbing im Betrieb verhindern. Probleme, die beispielsweise immer wieder im Beratungsprozess deutlich werden, sind überhastete und wenig reflektierte Entscheidungen der Führungs- und Leitungskräfte. Hier wünscht man sich mehr Entschleunigung und dass den wichtigen Dingen auch die nötige Priorität eingeräumt wird. Mitunter liegt es oft auch an der fehlenden Erfahrung und Qualifikation. Besonders bei verhärteten Konflikten ist der Einsatz von qualifizierten Mediatoren (1) zu empfehlen. Diese Form der innerbetrieblichen Streitbeilegung und Vermittlung ist leider in Deutschland noch nicht weit verbreitet.
Pflegende selbst können ebenfalls einen wichtigen Beitrag gegen Mobbing leisten, indem sie bewusst auf mögliche Krisen bei Kolleginnen und Kollegen achten. Stimmungsmache, Ausgrenzungen, Gerüchte, üble Nachrede oder Drohungen sind einige Warnzeichen, wo es um viel mehr als nur um Meinungsverschiedenheiten geht. Fortbildungen im Konfliktmanagement geben ein wertvolles Rüstzeug, das auch für die eigene Konfliktbewältigung in der Patientenversorgung hilfreich ist.
Pflegenden, die von Mobbinghandlungen direkt betroffen sind, kann nur angeraten werden, frühzeitig qualifizierte Hilfe in Anspruch zu nehmen. Der Berufsverband bietet mit seinem Beratungsangebot gerne Hilfestellung und Unterstützung.
1) Nach dem Mediationsgesetz ist Mediation definiert: „Mediationsgesetz vom 21. Juli 2012 (BGBl. I S. 1577)" „Mediation ist ein vertrauliches und strukturiertes Verfahren, bei dem Parteien mithilfe eines oder mehrerer Mediatoren freiwillig und eigenverantwortlich eine einvernehmliche Beilegung ihres Konflikts anstreben. Ein Mediator ist eine unabhängige und neutrale Person ohne Entscheidungsbefugnis, die die Parteien durch die Mediation führt."
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