• 08.01.2018
  • Story
Projekt "Wünschewagen"

Ein letztes Mal ans Meer...

Mit dem Wünschewagen können schwerstkranke Menschen für sie wichtige Orte ein letztes Mal besuchen

Die Schwester Der Pfleger

Ausgabe 3/2016

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Mit einem speziell ausgebauten Krankenwagen ermöglicht der Arbeiter-Samariter-Bund Ruhr e. V. schwerstkranken Menschen, für sie wichtige Orte ein letztes Mal zu besuchen. Die ehrenamtliche Hilfe engagierter Pflegender und Mediziner ist eine grundlegende Voraussetzung.

 

In der Sterbebegleitung geht es darum, Menschen in den letzten Tagen und Stunden vor ihrem Tod in Form von Trost und einfühlsamer Betreuung Beistand zu leisten. Am wichtigsten ist menschliche Zuwendung. Sterbebegleitung erwächst aus dem sozialen Miteinander. Dazu bedarf es keiner besonderen Fähigkeiten außer der mitmenschlichen Geste. Der letzte Lebensabschnitt ist trotz aller Widrigkeiten, Belastungen und Einschränkungen gestaltbar – bis zuletzt. 

Letzte Erinnerungsorte besuchen

Anfang 2007 wurde in den Niederlanden ein erkrankter Seemann mit dem Rettungsdienst in ein Krankenhaus gebracht. Dem Patienten zuliebe machte der Rettungsassistent einen Umweg durch den nahen Hafen. Die große Freude des Patienten darüber rührte den Rettungsassistenten so sehr, dass dieser für ihn eine erneute Rundfahrt durch den Rotterdamer Hafen organisierte. Für den Transport lieh er sich von seinem Arbeitgeber einen Rettungswagen. Das Erlebnis, einem sterbenden Menschen mit geringem Aufwand ein intensives Glücksgefühl ermöglichen zu können, bewog den Rettungsassistenten wenige Monate später dazu, eine Stiftung ins Leben zu rufen.

Das niederländische Vorbild hat mittlerweile weltweit Nachahmer gefunden. Auch in Deutschland ist der Weg zu letzten Erinnerungs- und Begegnungsorten mittlerweile möglich geworden: Der Wünschewagen des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) Ruhr e. V. bietet Menschen in ihrer letzten Lebensphase die Möglichkeit, für sie wichtige Orte noch einmal zu besuchen. Die Mitarbeit ehrenamtlicher Helfer ist dabei essentiell.

Eine letzte ruhige und bewusste Reise, etwa an einen wichtigen Ort der zurückliegenden Lebensgeschichte, der Besuch eines Fußballspiels des Lieblingsvereins oder die Fahrt zum Meer sind genauso möglich wie die Einbindung des Wünschewagens in einen großen, gemeinsamen Familienausflug. Die Arrangements sind individuell gestaltbar; es zählen ausschließlich die Wünsche des Fahrgastes. Alle Wünsche werden von Anfang an vertraulich besprochen und auch im Nach-hinein diskret behandelt.

Zur möglichst optimalen Gewährleistung der Mobilität des Fahrgastes hat der ASB einen Krankentransportwagen auf Basis eines Kleintransporters ausgebaut. Der Krankenwagen ist mit dem vollständigen notfallmedizinischen Equipment auf dem neuesten Stand notfallmedizinischer Technik ausgerüstet. Daneben wird großen Wert auf ein angenehmes und entspanntes Fahrerlebnis gelegt: Neben großen Panoramafenstern zur optimalen Wahrnehmung der auf dem Weg durchquerten Umgebung steht eine spezielle Innenausstattung mit einem ausgewogenen Gesamtkonzept aus Licht, Farben, Düften und Klängen zur Verfügung. Alle Sinne können angesprochen und auf die persönlichen Vorlieben des Fahrgastes abgestimmt werden. Der Wünschewagen bietet auch Raum für den Lebenspartner oder eine andere Begleitperson. Die Grundregel lautet: Die Regie führt der Fahrgast.

Hohe Anforderungen an das Personal

Obwohl es das Projekt Wünschewagen aktuell nur in Nordrhein-Westfalen gibt, befinden sich in ganz Deutschland ähnliche Projekte im Aufbau. Nach dem Vorbild der niederländischen „Wunschambulanz" wird der Wünschewagen mit mindestens zwei Personen besetzt, wobei der Fahrer in der Regel über die Qualifikation verfügt, einen Rettungswagen zu fahren und die medizinische Bordtechnik professionell zu bedienen. Die zweite Person verfügt über medizinisches und pflegerisches Fachwissen.

Die verantwortungsvolle, ethisch und psychologisch anspruchsvolle Form der Begleitung von schwerstkranken Menschen stellt hohe Anforderungen an alle beteiligten Personen. Der Wünschewagen wird in ganz Nordrhein-Westfalen und darüber hinaus eingesetzt und soll unterschiedlichste Zielgruppen erreichen: alte und junge Menschen, Erwachsene und Kinder. Ihre Gemeinsamkeit ist eine aufgrund ihres Gesundheitszustandes nur sehr geringe Lebenserwartung.

Um das gesamte Altersspektrum und die immense Bandbreite der individuellen Lebenssituationen abzudecken, werden Helfer mit unterschiedlichem fachlichen Hintergrund eingesetzt und immer wieder neu gesucht – vom Kinderkrankenpfleger bis zur Fachärztin mit palliativmedizinischen Kenntnissen. Der Wünschewagen gründet auf hoch qualifizierter ehrenamtlicher Arbeit.

Eine ausführliche Vorbereitung ist die wichtigste Grundlage der Fahrten mit dem Wünschewagen. Im Rahmen dieser Vorbereitung werden die Stamm- und medizinischen Daten des Fahrgastes erfasst. Bei Unklarheiten wird der betreuende Arzt kontaktiert. Insbesondere geht es dabei auch um verbindliche Angaben darüber, was im Fall eines akuten Notfalls oder im Sterbefall zu tun ist – in der Regel unter Rückgriff auf vorliegende oder im Vorfeld formulierte Patientenverfügungen. Wenn eine Wünschewagen-Fahrt während der Zeit eines stationären Aufenthalts erfolgt, muss der verantwortliche Klinikarzt dem Wunsch zustimmen. 

Eine wunderbare Idee

Mein persönliches Fazit: Ich bin selbst bereits seit Jahren in einer Hilfsorganisation tätig. Dennoch habe ich mich für ein zusätzliches Engagement in einer anderen, ortsfernen Hilfsorganisation entschieden. Der Wünschewagen ist eine wunderbare Idee und ich glaube, durch mein Engagement der ein oder anderen Person ein kleines Stück Lebensqualität wiedergeben zu können. Der ASB zeigt sich als Träger hier hoch angenehm. Anfängliche Befürchtungen, dass mit diesem Projekt „nur" neue Ehrenamtliche gesucht werden, haben sich keinesfalls bewahrheitet. Die Ehrenamtlichen werden vom hauptamtlichen Team bestens unterstützt und versorgt, es herrscht ein zu jeder Zeit sehr freundlicher und respektvoller Umgang miteinander. Im Wagen vorne ist sogar ein kleiner Kühlschrank eingebaut, der bei Fahrtantritt immer mit Getränken und kleinen Naschereien gefüllt ist.

Beim Projekt Wünschewagen haben sich einige Menschen einer sehr guten Idee verschrieben, in deren Mittelpunkt ausschließlich der Mensch in seiner letzten Lebensphase steht. Ich kann nur jedem empfehlen, sich einmal auf das Abenteuer Wünschewagen einzulassen. 

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