• 25.06.2024
  • Bildung
Sonderauswertung im BIBB-Pflegepanel

Zahlen und Fakten zu Vertragslösungen

Die Schwester Der Pfleger

Ausgabe 7/2024

Seite 66

Viele Einrichtungen beklagen die vorzeitige Lösung von Ausbildungsverträgen. Doch wie hoch ist die Quote wirklich? Was wird getan, um Auszubildende zu halten? Aufschluss gibt eine Sonderauswertung im BIBB-Pflegepanel.

Das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) hat den gesetzlichen Auftrag eines Monitorings zur Umsetzung der beruflichen und hochschulischen Pflegeausbildung. Im BIBB-Pflegepanel werden daher jährlich mehr als 5.000 Krankenhäuser, Pflegeheime und Pflegedienste befragt, die zur Pflegefachfrau, zum Pflegefachmann beziehungsweise zur Pflegefachperson ausbilden. Nachdem in der April-Ausgabe von Die Schwester | Der Pfleger die zentralen Ergebnisse der ersten Er­hebungswelle im BIBB-Pflegepanel vor­gestellt wurden, fasst dieser Artikel Ergebnisse zum Thema „Lösung von Ausbildungsverträgen“ zusammen. 5.117 Einrichtungen – das sind 33 Prozent der ausbildenden Pflegeeinrichtungen in Deutschland – wurden zum Ausmaß von Vertragslösungen befragt. Von diesen nahmen 641 Einrichtungen zusätzlich an einer Befragung zum Umgang mit Vertrags­lösungen teil. Die Daten sind nur bedingt repräsentativ und erlauben daher vor allem Tendenzaussagen.

Lösungsquote nicht höher als in anderen Ausbildungsberufen

 

Wenn Ausbildungsverträge vorzeitig gelöst werden, bedeutet das nicht immer, dass eine Ausbildung auch tatsächlich abgebrochen wird. Hier muss man klar zwischen einem Ausbildungsabbruch und einer Vertragslösung unterscheiden. Ausbildungen in der Pflege können nach einer Vertragslösung durchaus bei einer anderen Einrichtung mit einem neuen Vertrag fortgeführt werden. Eine Vertragslösung ist daher aus Sicht der Auszubildenden nicht zwangsläufig etwas Schlechtes.

Brechen Auszubildende die Pflegeausbildung komplett ab, so sind sie sehr wahrscheinlich für den Pflegeberuf nicht mehr zu begeistern. Bei Vertragslösungen mit nachfolgendem neuen Vertrag bei einer anderen Pflegeeinrichtung bleiben sie der Profession hingegen erhalten. Ausbildungseinrichtungen möchten Vertragslösungen aber dennoch vermeiden – ungeachtet dessen, ob sie von den Auszubildenden oder den ausbildenden Einrichtungen ausgehen.

Von den etwa 22.000 Auszubildenden, die in den befragten Einrichtungen im Jahr 2020 Ausbildungsverträge geschlossen hatten, lösten bis zum Winter 2022/2023 (drittes Ausbildungsjahr) etwa zwölf Prozent die Verträge vorzeitig. Zwischen Krankenhäusern, Pflegeheimen und ambulanten Pflegediensten gab es kaum Unterschiede in der Lösungsquote (Abb. 1).

Zudem liegen die Lösungsquoten in der Pflege unter derjenigen, die für Ausbildungsberufe nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) berichtet wird: 2021 lag die durchschnittliche Lösungsquote bei 26,7 Prozent (kleinere Unterschiede in der Berechnungsweise) [1]. Es ist allerdings möglich, dass die Lösungsquote in der Pflege unterschätzt wird. Denn: Viele Auszubildende sind zum Befragungszeitpunkt noch nicht am Ende des dritten Ausbildungsjahres und die teilnehmenden Einrichtungen im BIBB-Pflegepanel machen möglicherweise zu optimistische Angaben. Auch kann es sein, dass sich Einrichtungen mit hohen Vertragslösungsquoten seltener an der Befragung beteiligen. Letztlich gibt es aber keine Anhaltspunkte dafür, dass Mess- oder Schätzunsicherheiten die komplette Differenz zur Lösungsquote bei Berufen nach BBiG erklären könnten. Die Pflege dürfte also zumindest nicht stärker als andere Ausbildungssektoren von Vertragslösungen betroffen sein. Wie viele gelöste Ausbildungsverträge im Endeffekt auch mit einem Ausbildungsabbruch einhergehen, konnte in der Sondererhebung nicht ermittelt werden.

 

Wie beugen Einrichtungen vor?

 

Ausbildungseinrichtungen ergreifen verschiedene Maßnahmen, um Vertragslösungen zu vermeiden. Nahezu flächendeckend werden Feedbackgespräche und Vertrauenspersonen für die Auszubildenden angeboten. Auch Praktika vor dem Ausbildungsbeginn, um den Beruf kennenzulernen, gehören zum Standard­repertoire. Unterstützungsangebote durch externe Beratungsstellen, Unterstützung beim Spracherwerb, regelmäßige Fallbesprechungen und die Anwendung von vordefinierten Kriterien bei der Auswahl von Bewerberinnen und Bewerber sind hingegen seltener vorzufinden (Abb. 2).

 

Große Unterschiede nach Einrichtungsart zeigen sich gerade hinsichtlich des letzt­genannten Aspekts; vor allem Krankenhäuser setzen auf eine standardisierte Bewerberauswahl nach bestimmten Kriterien. Pflegedienste setzen Maßnahmen zur Verhinderung von Vertragslösungen offensichtlich am seltensten um – möglicherweise aufgrund eines fehlenden zeit­lichen oder organisatorischen Spielraums oder eines geringeren (wahrgenommenen) Bedarfs, etwa beim Spracherwerb. Eine Ausnahme stellt das Angebot zusätzlicher Lernzeiten anstelle praktischer Einsatzzeiten dar, das am häufigsten von Pflegediensten unterbreitet wird.

Neben eigenen Aktivitäten zur Vermeidung von Vertragslösungen können ausbildende Einrichtungen auf die Unterstützung der Bundesagentur für Arbeit (BA) zurückgreifen. So soll zum Beispiel die Assistierte Ausbildung (AsA) durch verschiedene Unterstützungsmaßnahmen dazu beitragen, mögliche Lücken zwischen den Erfordernissen von Ausbildungsbetrieben und dem Potenzial der Auszubildenden zu schließen. Durch diese unterstützende Maßnahme können nicht nur passende Bewerber gefunden und der betriebliche Aufwand rund um die Ausbildung verringert, sondern auch Ausbildungsabbrüche oder Vertragslösungen verhindert werden.

Die Einstiegsqualifizierung (EQ) ist ein weiteres unterstützendes Angebot der BA. Es handelt sich um ein mindestens sechs- und höchstens zwölfmonatiges Praktikum, für das die BA Zuschüsse an die Arbeitgeber zahlt. Die Einstiegsqualifizierung ermöglicht aus­bildungsinteressierten Personen, vor dem Abschluss eines Ausbildungsvertrags die Einrichtung und das Tätigkeitsfeld intensiv kennenzulernen.

Allerdings sind beide Unterstützungsangebote in den Ausbildungseinrichtungen überraschend wenig bekannt (Abb. 3). So haben nur 30 bis 40 Prozent der Befragten in den Ausbildungseinrichtungen – je nach Art der Einrichtung – von der Einstiegsqualifizierung und nur jede vierte bis fünfte befragte Person von der Assistierten Ausbildung gehört.

   

Praxisanleitung für Einrichtungen herausfordernd

Aus der ersten Erhebungswelle des BIBB-Pflegepanels ist bekannt, dass Ausbildungseinrichtungen Probleme äußern, die strukturierte, qualifizierte Praxisanleitung im vorgeschriebenen Umfang von zehn Prozent pro Praxiseinsatz zu gewährleisten [2]. Allerdings liegen bislang keine Befunde dazu vor, ob entsprechende Schwierigkeiten eine höhere Wahrscheinlichkeit für Vertragslösungen mit sich bringen. Anzunehmen ist dies aber durchaus, da sich vor allem durch die Praxisanleitung ein Gefühl des „aktiven Lernens“ bei Auszubildenden einstellen dürfte.

Auch die aktuelle Sondererhebung bestätigt, dass das Sicherstellen der Praxisanleitung die Einrichtungen vor Herausforderungen stellt. So äußern um die 40 Prozent der in den Einrichtungen für die Ausbildung zuständigen Personen Probleme bei der Rekrutierung von Praxisanleitenden [3]. Die Gründe hierfür werden vorranging im hohen zusätzlichen Arbeitsaufwand, den gestiegenen Anforderungen an das Personal und – sicherlich damit verbunden – einer mangelnden Bereitschaft gesehen, sich zum Praxisanleiter weiterzubilden. Die Zustimmungsraten für diese Aspekte liegen von circa 65 bis 90 Prozent, je nach Einrichtungsart [3]. Aber auch das fehlende Personal spielt eine wichtige Rolle in den Antworten der befragten Ausbildungsverantwortlichen. Weniger häufig genannt werden fehlende finanzielle Anreize, Wertschätzung oder Freistellung von den übrigen Aufgaben – mit Zustimmungsraten von circa 25 bis 60 Prozent je nach Einrichtungsart.

Die eigenen Einflussmöglichkeiten der Ausbildungseinrichtungen sind dabei offenbar eher begrenzt. Viele Möglichkeiten, den Praxisanleitenden entgegenzukommen, werden längst flächendeckend genutzt und sind selbstverständlich. Zu diesen Angeboten gehört zum Beispiel die Kostenübernahme für entsprechende Fortbildungsmaßnahmen. Etwas „Luft nach oben“ besteht bei rund einer von fünf Einrichtungen noch hinsichtlich einer besseren Bezahlung oder eines Zeitbudgets für den Austausch mit anderen Praxisanleitenden. Einzig die Freistellung von Nachtdiensten wird bislang nur von einer Minderheit der Ausbildungseinrichtungen als Anreiz für Praxisanleitende eingesetzt. Nur gut ein Drittel der Krankenhäuser und Pflegedienste wendet diese Möglichkeit an, gegenüber gut 56 Prozent der Pflegeheime [3].

Lösungsquoten weiter reduzieren

Vertragslösungen sind Ausdruck einer schlechten Passung zwischen den Wünschen und Vorstellungen beziehungsweise den Kompetenzen der Auszubildenden und den betrieblichen Gegebenheiten und an die Auszubildenden gestellten Anforderungen. Es gibt jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass Ausbildungsverträge in der Pflege häufiger gelöst werden als in anderen Ausbildungsberufen. Eine Möglichkeit zur weiteren Reduzierung der Lösungsquoten wäre möglicherweise eine erweiterte Inanspruchnahme von Fördermaßnahmen der BA, deren Bekanntheitsgrad in den Ausbildungseinrichtungen dringend gesteigert werden sollte. Auch eine standardisierte Bewerberauswahl, Unterstützung beim Spracherwerb sowie externe Unterstützungsangebote, zum Beispiel durch Beratungsstellen, kommen noch nicht mehrheitlich zum Einsatz. Sie könnten einen Beitrag leisten, um Abbrüche und Vertragslösungen zu reduzieren. Unklar ist bislang, welche Rolle der Praxisanleitung in Zusammenhang mit Ausbildungsabbrüchen und Vertragslösungen zukommt. Gesichert erscheint aber, dass die Einrichtungen sich durch die Zehn-Prozent-Vorgabe stark herausgefordert fühlen und wenig eigenen Handlungsspielraum sehen, um mehr Personal für die Praxisanleitung gewinnen zu können.

Ausblick: Anfang 2025 werden weitere Ergebnisse des Forschungsprojekts „Analyse von Maßnahmen zur Verhinderung von Ausbildungsabbrüchen in der Pflege“ erwartet. Ein privates Forschungskonsortium führt hierzu aktuell im Auftrag des BIBB unter anderem qualitative Analysen und eine Pilotierung durch. Erste Ergebnisse des Forschungsprojektes kann man im Artikel „Dem Praxisschock vorbeugen“ nachlesen, erschienen in Die Schwester | Der Pfleger 5/2023.

Ab Sommer 2024 stehen in der Statistik nach der Pflegeberufe-Ausbildungsfinanzierungsverordnung auch amtliche Daten zu den beendeten Ausbildungen der ersten regulären Ausbildungskohorte zur Verfügung.

[1] Uhly A. Vorzeitige Lösung von Ausbildungsverträgen. In: Bundesinstitut für Berufsbildung (Hrsg.). Datenreport zum Berufsbildungsbericht 2023. Informationen und Analysen zur Entwicklung der beruflichen Bildung. Bonn; 2023: 143–153

[2] Hofrath C, Meng M, Dorin L. Monitoring zur Umsetzung der Pflegeausbildungen. Ergebnisse der ersten Erhebungswelle 2022/2023 aus dem BIBB-Pflegepanel. Bundesinstitut für Berufsbildung, Bonn; 2024

[3] Kröll J, Graas F. Bericht zur Sondererhebung ausbildender Einrichtungen 2023. BIBB-Pflegepanel (mimeo); 2024

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