Zum 1. Januar 2016 ist mit dem Krankenhausstrukturgesetz (KHSG) eine größere Krankenhausreform in Kraft getreten. Diese umfasst auch eine Reihe wichtiger Neuregelungen für den Pflegedienst der Krankenhäuser. Doch die wirklich dringend erforderlichen Maßnahmen ist die Gesundheitspolitik nicht angegangen.
Im Zentrum der Neuregelungen für die Pflege steht der erklärte Wille der Regierungskoalition, die Arbeitsbedingungen des Pflegepersonals insbesondere auf den Stationen zu verbessern. Dies soll vor allem durch zwei Maßnahmen erreicht werden: Für die drei Jahre 2016, 2017 und 2018 wird ein „Pflegestellen-Förderprogramm" in Höhe von insgesamt 330 Millionen Euro aufgelegt: Mit diesen Mitteln sollen zusätzliche Stellen für dreijährig ausgebildete Pflegefachkräfte auf den Stationen finanziert werden.
Ursprünglich nicht geplant und erst im Verlauf des Gesetzgebungsprozesses hinzugekommen ist ein sogenannter „Pflegezuschlag". Seit mehreren Jahren wird an alle Krankenhäuser ein sogenannter Versorgungszuschlag in Höhe von insgesamt jährlich 500 Millionen Euro gezahlt. Dieser Zuschlag sollte nach der ursprünglichen Planung ab 2017 ersatzlos entfallen. Kurz vor dem Ende der parlamentarischen Beratungen wurde dann aber entschieden, dass er in einen Pflegezuschlag umgewandelt wird, der zur Finanzierung weiterer zusätzlicher Pflegestellen verwendet werden soll. Im folgenden Beitrag werden diese beiden für die Pflege relevanten Inhalte des KHSG vorgestellt und einer kritischen Betrachtung unterzogen.
Das neue Pflegestellen- Förderprogramm
Das Pflegestellen-Förderprogramm ist weitgehend eine Neuauflage des Pflegeförderprogramms der Jahre 2009–2011, allerdings nur mit der Hälfte des vorherigen Finanzvolumens und einer wesentlichen Änderung der Zweckbestimmung. Die Mittel des ersten Programms konnten in den Jahren 2009–2011 für alle neuen Stellen verwendet werden, die mit dreijährig ausgebildeten Pflegefachkräften besetzt wurden, unabhängig vom Arbeitsbereich. Die Mittel des neuen Programms dürfen nun nur für zusätzliche Stellen auf bettenführenden Stationen eingesetzt werden. Zusätzliche Stellen in anderen Bereichen, zum Beispiel im Funktionsdienst, sind nicht förderfähig. Das „Pflegestellen-Förderprogramm" enthält folgende Bestandteile (§ 4 Abs. 8 KHEntgG):
Keine Vollfinanzierung, sondern nur 90 Prozent-Förderung: Das geplante Programm heißt auch diesmal wieder Förderprogramm, weil wieder nur 90 Prozent der durch zusätzliche Stellen entstehenden Personalkosten von den Krankenkassen übernommen werden. Die restlichen zehn Prozent hat das jeweilige Krankenhaus aus eigenen Mitteln zu tragen. Zwar haben alle in den Anwendungsbereich des DRG-Systems fallenden Krankenhäuser einen Anspruch auf Mittel, ob sie das Programm in Anspruch nehmen und zusätzliche Stellen im Pflegedienst einrichten, bleibt aber Entscheidung der einzelnen Krankenhausleitung.
Nur Mittel für dreijährig ausgebildete Pflegefachkräfte: Wie auch bereits im Programm von 2009 sind nur Personalkosten dreijährig ausgebildeter Pflegefachkräfte förderfähig.
Ausgangszeitpunkt 1.1.2015: Mittel des Programms können nur für Stellen verwendet werden, die gegenüber dem 1. Januar 2015 zusätzlich geschaffen wurden. Mit dieser Regelung soll ein strategisch motivierter Stellenabbau verhindert werden. Kliniken, die aus strategischen Gründen kurzfristig im laufenden Jahr 2015 Personal abbauen, dürfen für die Wiederbesetzung dieser Stellen keine Mittel des Programms erhalten.
Nur Stellen auf bettenführenden Stationen: Anders als 2009 dürfen die Mittel diesmal nur für Stellen „in der unmittelbaren Patientenversorgung auf bettenführenden Stationen" eingesetzt werden. Mit dieser Passage reagiert die Politik offensichtlich darauf, dass die Mittel des ersten Pflegeförderprogramms zu einem erheblichen Teil für die Finanzierung zusätzlicher Stellen im Funktionsdienst eingesetzt wurden. Das soll diesmal verhindert werden.
Intensivstationen eingeschlossen: Im Gesetzentwurf der Bundesregierung waren Intensivstationen ausdrücklich ausgeschlossen worden, da man irrtümlich wohl annahm, sie würden zu den Funktionsdiensten gehören. Nachdem dieser Irrtum ausgeräumt wurde, können nun auch zusätzliche Stellen auf Intensivstationen aus den Mitteln des Programms gefördert werden.
Keine Mittel für neue Arbeitsorganisation: Das Pflegeförderprogramm 2009 sah die Möglichkeit vor, bis zu fünf Prozent der Fördersumme auch für die Erprobung neuer Arbeitsorganisationsmaßnahmen einzusetzen. Dies ist nun nicht mehr möglich.
Laufzeit des Programms: Das Programm soll – wie auch das erste Programm – wieder drei Jahre laufen, in diesem Fall in den Jahren 2016, 2017 und 2018.
Fördervolumen: Es sollen für zusätzliche Stellen im Jahr 2016 bis zu 110 Millionen Euro, im Jahr 2017 bis zu 220 Millionen Euro und im Jahr 2018 bis zu 330 Millionen Euro von den Krankenkassen zur Verfügung gestellt werden. Für das einzelne Krankenhaus ist eine Obergrenze der Förderung vorgesehen. Es soll nicht mehr als 0,15 Prozent seines DRG-Budgets aus dem Programm erhalten. Im Programm 2009 waren es noch 0,48 Prozent. Rechnet man das Finanzvolumen in Stellen um, so dürfte der Endbetrag von 330 Millionen Euro für die Schaffung von zirka 7000 Vollkraftstellen reichen. Das entspricht pro Krankenhaus im Durchschnitt ungefähr vier bis fünf zusätzlichen Stellen, die aber auch erst im dritten Jahr des Programms erreicht werden.
Voraussetzung für die Förderung: Will ein Krankenhaus Mittel aus dem Pflegestellen-Förderprogramm in Anspruch nehmen, so muss es darüber eine gesonderte Vereinbarung mit den Krankenkassen treffen. Können sich Krankenhaus und Kassen nicht einigen, entscheidet eine Schiedsstelle. Eine weitere Voraussetzung ist – wie auch bereits 2009 – die Vorlage einer schriftlichen Vereinbarung des Krankenhauses mit der Arbeitnehmervertretung über die Schaffung zusätzlicher Stellen.
Zahlung als Zuschlag auf die Entgelte: Die mit den Kassen vereinbarte Gesamtsumme an Fördermitteln für zusätzliche Stellen sind anteilig auf alle DRG-Fallpauschalen und Zusatzentgelte umzurechnen und als prozentualer Zuschlag auf diese Entgelte von den Kassen an das Krankenhaus zu zahlen.
Kontrolle der Mittelverwendung: Wie bereits im Förderprogramm 2009 sind die Krankenhäuser verpflichtet, durch die Bestätigung eines unabhängigen Jahresabschlussprüfers nachzuweisen, dass die mit den Kassen vereinbarten zusätzlichen Stellen im Pflegedienst tatsächlich geschaffen und die Mittel zweckentsprechend verwendet wurden.
Rückzahlung nicht zweckentsprechend verwendeter Mittel: Nicht zweckentsprechend verwendete Mittel sind vom Krankenhaus an die Krankenkassen zurückzuzahlen.
Hintergrund zur aktuellen Krankenhausreform
Ab Mitte der 1990er-Jahre bis 2007 wurden bundesweit insgesamt zirka 52.000 Vollkräfte im Pflegedienst der Krankenhäuser abgebaut, in den allgemeinen Krankenhäusern waren es insgesamt ungefähr 48.000.
Die durch Stellenabbau und Leistungszuwachs verursachte Unterbesetzung und Überlastung von Pflegekräften auf Krankenhausstationen wurde ungefähr ab 2007 zunehmend auch in der Öffentlichkeit thematisiert. Für besondere Aufmerksamkeit sorgte zudem, dass im Herbst 2008 in Berlin zirka 100 000 Krankenhausbeschäftigte gegen Budgetdeckelung und Stellenabbau demonstrierten, darunter auch viele Pflegende. Die damalige Bundesregierung reagierte auf die Protestaktionen und Medienberichte. Im Rahmen des Krankenhausreformgesetzes 2009 wurde ein sogenanntes „Pflegeförderprogramm" beschlossen, das zur Schaffung von insgesamt bis zu 17.000 zusätzlichen Vollzeitstellen dienen sollte.
Im Jahr 2013 lag die Personalbesetzung auf den Normalstationen der allgemeinen Kranken‧häuser schließlich – trotz zwischenzeitlichem Stellenzuwachs – bei zirka 228.000 Vollkräften und somit um zirka 83.000 Vollkräfte unter dem Soll des Jahres 1993. Im Jahr 1993 hatten die Spitzenverbände der Krankenkassen auf der Grundlage der gerade eingeführten PPR (Pflege-Personalregelung) einen bundesweiten Personalmehrbedarf von mehr als 20 Prozent berechnet, das heißt bei 260.000 Vollkräften einen Mehrbedarf von 52.000 Stellen.
Da seit 1993 nicht nur die Zahl der Patienten gestiegen ist, sondern auch der durchschnittlich pro Patient anfallende Pflegebedarf, erscheint es angemessen davon auszugehen, dass der Pflegedienst auf den Normalstationen deutscher Krankenhäuser mittlerweile um mehr als 100.000 Vollkräfte unterbesetzt ist. Das entspricht ungefähr einem Drittel der gegenwärtigen Personalbesetzung.
Für den Bereich der Intensivstationen ist eine Berechnung wie für die somatischen Normalstationen leider nicht möglich, da die dafür erforderlichen Daten nicht verfügbar sind.
Förderprogramm ist völlig unzureichend
Zunächst einmal ist es zu begrüßen, dass die für Gesundheitspolitik Verantwortlichen in Bund und Ländern eine Initiative zur Verbesserung der Personalsituation im Pflegedienst der Krankenhäuser ergriffen haben. Das vorgelegte Programm bleibt allerdings weit hinter dem zurück, was erforderlich wäre.
Bereits das Pflegeförderprogramm 2009 war angesichts des Stellenabbaus und der erreichten Unterbesetzung vollkommen ungenügend. Zudem wurde der Zielwert des Programms nicht erreicht. Das Programm sollte zur Schaffung von zirka 17.000 zusätzlichen Stellen im Pflegedienst (Normal- und Intensivstationen) in den Jahren 2009 bis 2011 führen. Die Krankenhausstatistik weist für den Pflegedienst in diesen drei Jahren jedoch nur einen Zuwachs von insgesamt etwa 8.200 Vollkräften aus. Ein erheblicher Teil der Fördermittel wurde offenbar für die Finanzierung zusätzlicher Stellen in den Funktionsdiensten verwendet. Dies entsprach nicht den Intentionen der Politik, und sie hat aus dieser Erfahrung die Konsequenz gezogen, dass der Verwendungszweck nun eindeutig nur auf den Bereich der bettenführenden Stationen eingegrenzt ist.
Aber auch wenn man berücksichtigt, dass die Mittel nur den Stationen zukommen sollen, bleibt das neue Programm unzureichend. Dies wird spätestens deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, wie hoch die Gesamtsumme des Programms im Verhältnis zu den Gesamtpersonalkosten des Pflegedienstes aller allgemeinen Krankenhäuser ist. Insgesamt beliefen sich die Personalkosten für den Pflegedienst aller allgemeinen Krankenhäuser im Jahr 2013 auf zirka 15 Milliarden Euro. Die Fördersumme von 330 Millionen Euro entspricht somit lediglich zirka 2,2 Prozent der Personalkosten insgesamt. Berücksichtigt man, dass die Mittel des Programms nur 90 Prozent der Personalkosten decken sollen und die fehlenden zehn Prozent von den Krankenhäusern übernommen werden müssen, so kann das neue Pflegestellen-Förderprogramm im Bundesdurchschnitt maximal zur Finanzierung eines Stellenzuwachses um zirka 2,4 Prozent beitragen.
Dass eine solche Summe angesichts der bestehenden Unterbesetzung vollkommen ungenügend ist, ist offensichtlich auch den führenden Gesundheitspolitikern der Regierungskoalition bewusst. Um diesen Mangel zu überdecken, wird vom Gesundheitsministerium zu einem Trick gegriffen. Es werden die Fördersummen aller drei Jahre zusammengezählt (110, 220 und 330), und die sich daraus ergebende Summe von 660 Millionen Euro wird als Gesamtfördersumme hingestellt.
Dies ist insofern unseriös, als Personalkosten pro Jahr auszuweisen sind und nur diese Kennzahl eine Aussage über die Zahl des Personals erlaubt. Würde man eine solche Darstellungsweise auf die Zahl der Beschäftigten in Krankenhäusern insgesamt übertragen, so würden aus den tatsächlichen etwa 800.000 Vollkräften in drei Jahren 2,4 Millionen und in zehn Jahren gar acht Millionen Beschäftigte. Derartige Rechnungen haben in seriöser Gesundheitspolitik nichts zu suchen, sie bewegen sich vielmehr in deutlicher Nähe dessen, was man gemeinhin als Taschenspielertricks bezeichnet.
Wie geht es nach dem Förderprogramm weiter?
Da das geplante Pflegestellen-Förderprogramm lediglich drei Jahre laufen soll, kann es nur die Funktion einer Übergangslösung haben. Dementsprechend enthält der Gesetzentwurf auch die Aufforderung an das Gesundheitsministerium, eine Expertenkommission zu berufen, die Vorschläge für die Zeit nach Auslaufen des Programms erarbeiten soll. Der Kommission sollen Vertreter der Praxis, Wissenschaft und der Spitzenverbände angehören.
Wer die Fachdiskussionen der letzten Jahre zu diesem Thema aufmerksam verfolgt hat, konnte erwarten, dass eine solche Kommission den Auftrag zur Entwicklung eines Systems von staatlich vorgegebenen und von allen Krankenhäusern verbindlich einzuhaltenden Personalbesetzungsstandards erhalten würde. Immerhin hatte sich die SPD in ihrem Wahlprogramm dafür ausgesprochen und angekündigt, sie würde sich im Fall der Regierungsübernahme dafür einsetzen. Eine entsprechende Ankündigung wurde 2013 auch in den Koalitionsvertrag aufgenommen.
Dem ist aber nicht so. Bereits in den Ende 2014 vorgelegten Eckpunkten der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Vorbereitung der Krankenhausreform war davon schon nicht mehr die Rede. Das nun beschlossene Gesetz folgt dieser Linie.
Dabei liegt die Forderung nach verbindlich von allen Krankenhäusern einzuhaltenden Personalbesetzungsstandards beziehungsweise einer verbindlichen Personalbemessung bereits seit Jahren auf dem Tisch. Nicht nur der Deutsche Pflegerat und die Gewerkschaft ver.di, sondern auch SPD, LINKE und Bundesrat haben sich dafür ausgesprochen. Und auch die gegenwärtige Regierungskoalition hat in ihrem Koalitionsvertrag im Herbst 2013 zugesagt, sich dafür einzusetzen.
Aber nicht nur dieses Versprechen hat die Regierungskoalition gebrochen. Laut Gesetz ist eine „Expertenkommission" einzusetzen. Das Gesundheitsministerium hat Anfang Oktober 2015 diese Kommission ernannt. Betrachtet man die Zusammensetzung, so erscheint die Bezeichnung als „Expertenkommission" durchaus zweifelhaft. Die Kommission umfasst 19 Mitglieder. Darunter befinden sich neun hochrangige Politiker (u.a. Minister Gröhe), fünf Verbandsvertreter (darunter je ein Vertreter des Deutschen Pflegerates und der Gewerkschaft ver.di), zwei Ökonomen, ein ärztlicher Direktor einer Uniklinik und nur eine Pflegewissenschaftlerin (Prof. Dr. Gabriele Meyer, Mitglied des Gesundheitssachverständigenrates).
Angesichts des Kommissionsauftrages und der personellen Zusammensetzung erscheint es wenig wahrscheinlich, dass sich diese Kommission auf Vorschläge einigen wird, die eine durchgreifende Verbesserung der Lage der Pflege in Allgemeinkrankenhäusern bewirken können.
Der „Pflegezuschlag"
Im Gesetzentwurf ursprünglich nicht vorgesehen war der jetzt beschlossene Pflegezuschlag. Bereits im Sommer 2015 war aus den Reihen der SPD die Forderung erhoben worden, das Pflegestellen-Förderprogramm aufzustocken. Nachdem die Gesundheitspolitiker der Union dies zunächst ablehnten, einigten sich die Koalitionsparteien schließlich darauf, dass der Versorgungszuschlag von 500 Millionen Euro in einen Pflegezuschlag umgewandelt werden sollte. Bei dem Versorgungszuschlag handelt es sich um eine Art Sonderzahlung, die 2013 eingeführt wurde, um die zunehmende wirtschaftliche Notlage vieler Kliniken abzumildern. Der Versorgungszuschlag ist technisch außerhalb des DRG-Systems angesiedelt und wird als Zuschlag auf jedes einzelne Entgelt ausgezahlt. Dieser Versorgungszuschlag sollte Ende 2016 auslaufen und ab 2017 ersatzlos entfallen.
Stattdessen bleibt das Finanzvolumen den Krankenhäusern nun als Pflegezuschlag erhalten. Der Zuschlag ist wie folgt ausgestaltet:
- Das Gesamtvolumen von 500 Millionen Euro wird ab dem 1. Januar 2017 anteilig auf alle Krankenhäuser verteilt, die in den Anwendungsbereich des Krankenhausentgeltgesetzes
- (KHEntgG) fallen und nach den Vorschriften des DRG-Systems abrechnen.
- Die Höhe des krankenhausindividuellen Zuschlags richtet sich danach, wie hoch der Anteil der Personalkosten des Pflegedienstes des jeweiligen Krankenhauses an den Gesamtpersonalkosten für den Pflegedienst aller allgemeinen Krankenhäuser ist.
- Der Pflegezuschlag wird als Zuschlag auf alle voll- und teilstationären Entgelte für jeden einzelnen Behandlungsfall ausgezahlt.
Bezogen auf das Gesamtvolumen der Personalkosten des Pflegedienstes aller allgemeinen Krankenhäuser in Höhe von zirka 15 Milliarden Euro entspricht der Pflegezuschlag einem Anteil von zirka 3,3 Prozent. Addiert man das Pflegestellen-Förderprogramm und den Pflegezuschlag, so ergibt sich ein Gesamtvolumen von zirka 6 Prozent der bundesweiten Personalkosten für Personal im Pflegedienst (Normal- und Intensivstationen). Auch dieses Volumen wird nicht ausreichen, die mittlerweile in vielen Kliniken bestehende Unterbesetzung zu beseitigen und die Arbeitsbelastung in nennenswertem Umfang zu mildern.
Zudem ist es keineswegs sichergestellt, dass das über den Pflegezuschlag bereitstehende Volumen in diesem Umfang auch tatsächlich für die Einstellung zusätzlichen Pflegepersonals eingesetzt wird:
- Anders beim Pflegestellen-Förderprogramm gibt es für den Pflegezuschlag keinerlei Zweckbindung. Krankenhäuser werden einen Pflegezuschlag erhalten, unabhängig davon ob sie mehr Pflegepersonal einstellen oder nicht. Mehr noch: Auch Kliniken, die Pflegestellen abbauen, werden ihren Pflegezuschlag erhalten, wenngleich er bedingt durch den Stellenabbau etwas geringer ausfallen wird.
- Da der Pflegezuschlag keinerlei Zweckbindung unterliegt, können die Mittel für alle Zwecke eingesetzt werden, zum Beispiel für die Finanzierung eines Neubaus oder die Schaffung zusätzlicher Arztstellen.
- Die Regierungskoalition argumentiert, mit dem Pflegezuschlag würde ein Anreiz zur Einstellung zusätzlichen Pflegepersonals gesetzt beziehungsweise es würden Krankenhäuser belohnt, die kein Pflegepersonal abbauen. Dies kann nicht überzeugen, was eine einfache Rechnung zeigt. Bei einem Stellenabbau in Höhe von 10 Prozent der Personalkosten spart die Klinik 10 Prozent der Personalkosten, verliert aber nur zirka 0,3 Prozent der Einnahmen aus dem Pflegezuschlag (10% von 3,3% der Personalkosten). Es bleibt somit ein positiver Saldo durch Stellenabbau in Höhe von zirka 9,7 Prozent der Gesamtpersonalkosten für den Pflegedienst der Klinik. Stellenabbau lohnt sich ökonomisch folglich weiterhin. Auch der Anreiz zur Einstellung zusätzlichen Pflegepersonals bewegt sich in dieser Größenordnung. Wird zusätzliches Pflegepersonal im Umfang von 10 Prozent eingestellt, fallen 10 Prozent höhere Personalkosten an, das Krankenhaus erhält aber lediglich zirka 0,3 Prozent über einen höheren Pflegezuschlag erstattet.
Beide, Pflegestellen-Förderprogramm und Pflegezuschlag, teilen vor allem zwei zentrale Mängel: 1. Die Verteilung der Mittel erfolgt nicht auf Grundlage einer Ermittlung des Pflege- und Personalbedarfs, und 2. Es besteht keine Verpflichtung zur Vorhaltung einer bedarfsgerechten Personalbesetzung. Somit kann auch nicht erreicht oder sichergestellt werden, dass die Mittel dort ankommen, wo sie am dringendsten gebraucht werden.
Keine Lösung des Personalproblems in Sicht
Der Pflegedienst ist in einem Großteil deutscher Krankenhäuser seit vielen Jahren unterbesetzt und das Pflegepersonal vielfach chronisch überlastet. Darüber wird seit fast zehn Jahren regelmäßig und in den unterschiedlichsten Facetten in den Medien berichtet, und der Gesundheitspolitik ist diese Lage seit langem bekannt. Dennoch konnten sich die Gesundheitspolitiker der Regierungskoalition bislang nicht auf Maßnahmen einigen, mit denen eine spürbare Verbesserung der Personalbesetzung erreicht werden könnte.
Auch die im KHSG enthaltenen Maßnahmen sind vollkommen unzureichend. Das zeigt allein das beschlossene Finanzvolumen von maximal 5 bis 6 Prozent der Gesamtpersonalkosten des Pflegedienstes.
Bleibt es bei der Planung der gegenwärtigen Bundesregierung, so wird es auf absehbare Zeit keine weiteren Maßnahmen geben. Die einberufene Expertenkommission wird ihre Vorschläge voraussichtlich erst Mitte 2017 vorlegen und somit zu spät für eine Umsetzung der Vorschläge in dieser Legislaturperiode. Die Umsetzung könnte erst nach den Bundestagswahlen im Herbst 2017 von der nächsten Bundesregierung in Angriff genommen werden. Weitere Maßnahmen könnten folglich erst 2019 in Kraft treten und wahrscheinlich erst ab 2020/2021 Wirkung zeigen. Da das finanzielle Volumen möglicher Verbesserungen durch die Umsetzung von Vorschlägen der Expertenkommission auf 330 Millionen Euro pro Jahr begrenzt ist, kann aber auch davon keine ernstzunehmende Verbesserung erwartet werden.
Offensichtlich ist von der Gesundheitspolitik dieser Regierungskoalition nicht zu erwarten, dass sie das Problem der Unterbesetzung im Pflegedienst der Krankenhäuser ernsthaft einer Lösung näherbringt. Wenn sich etwas zum Positiven verändern soll, so wird dies nur durch öffentlichkeitswirksame Aktionen der Pflegekräfte selbst, ihrer Berufsverbände und der Gewerkschaft zu erreichen sein.
Für solche Aktionen, das zeigen die Erfahrungen der Vergangenheit, kann die Pflege eine breite gesellschaftliche Unterstützung erwarten, denn die Arbeitsbedingungen in der Pflege haben nicht nur Auswirkungen auf die Gesundheit des Pflegepersonals, sondern auch und vor allem auf die Gesundheit der Patienten. Gerade auch in Anbetracht des Zusammenhangs zwischen der Personalbesetzung des Pflegedienstes und der Patientengesundheit ist es aus gesellschaftlicher Sicht in hohem Maße kritikwürdig, dass die Gesundheitspolitik nicht bereit ist, die dringend erforderlichen Maßnahmen zur Verbesserung der Personalbesetzung im Pflegedienst der Krankenhäuser in dem notwendigen Umfang zu ergreifen.