In ihrer dritten Empfehlung hat Karl Lauterbachs Regierungskommission eine Neuordnung der Klinikfinanzierung vorgelegt. 40 Prozent der Betriebskosten sollen in Zukunft durch Vorhaltepauschalen und 60 Prozent weiter über Fallpauschalen (DRGs) abgerechnet werden. In einigen Bereichen, wie etwa der Kindermedizin, soll die Vorhaltefinanzierung sogar bis zu 60 Prozent ausmachen. Der Vorhaltebetrag orientiert sich an der Versorgungsstufe einer Klinik und einem Leistungsgruppensystem. Beides hat die Kommission defininert.
Tagespauschalen für Grundversorger
Laut Kommission soll es drei Versorgungstufen geben: Grundversorger, Regel- und Schwerpunktversorger sowie Maximalversorger. Für jedes Levels sollen bundesweite Voraussetzungen gelten – hier muss der Gesundheitsminister die Länder ins Boot holen. Die Kategorie „Grundversorger“ bekommt in dem Konzept dabei eine besondere Bedeutung. Die Kommission unterteilt diese Kategorie noch einmal in Krankenhäuser, die Notfallversorgung sicherstellen (Level I n) und solche, die integrierte ambulant/stationäre Versorgung anbieten (Level I i).
Krankenhäusern des „Levels I i“ soll eine Schlüsselrolle auf dem Weg zur Überwindung der stationär-ambulant getrennten Gesundheitsversorgung zukommen. Deshalb empfiehlt die Regierungskommission, sie sektorenübergreifend regional zu planen, sie vollständig aus dem DRG-System herauszunehmen und über Tagespauschalen zu vergüten. Solche Einrichtungen sollen auch unter pflegerischer Leitung stehen können.
Level und Leistungsgruppen
Die Einteilung in Leistungsgruppen ist ein Projekt für die kommenden Jahre. Sie sollen die Versorgungsleistung eines Krankenhauses ausdrücken. Aufgestellte Betten würden damit an Bedeutung verlieren – ein ähnliches Projekt wird derzeit in der Krankenhausplanung Nordrhein-Westfalens umgesetzt.
Voraussetzung für die Zuteilung sind Strukturen etwa bezüglich personeller und apparativer Ausstattung. Je nach Komplexität soll für jede Leistungsgruppe festgelegt werden, ob Krankenhäuser aller drei Level diese Leistungen erbringen dürfen oder nur Häuser der Level II und III.
Kommissionspräsident Tom Bschor erläuterte, dass die Leistungsgruppen sehr spezifisch sein sollen, etwa dass die Innere Medizin breit aufgefächert werde. So sollen beispielsweise Leukämie-Fälle eine Leistungsgruppe werden. Krankenhäuser würden von diesem System profitieren, etwa indem sie Leistungen untereinander abstimmen und „tauschen“ können.
Dank an Busse, Augurzky und Karagiannidis
Kommissionschef Tom Bschor dankte bei der Vorstellung in Berlin insbesondere Reinhard Busse, Boris Augurzky und Christian Karagiannidis. Die drei Kommissionsmitglieder hätten das Konzept maßgeblich vorangetrieben.
Spannend dürfte die Ausgestaltung des „Level I i“ werden – denn Ambulantisierung und Krankenhaus bleiben bundes-, landes-, und ständepolitisch eine dicke Nuss. In den Einrichtungen sollen niedergelassene Ärzte ein Bett besetzen können und nach EBM abrechnen dürfen – gleichzeitig kann die Einrichtung aber auch Ärzte fest anstellen.
„Wir müssen es schaffen, dass ambulanter und stationärer Sektor zusammenarbeiten“, appellierte Christian Karagiannidis in Berlin. In dieselbe Kerbe schlug auch Charité-Aufsichtsrätin und Kommissionsmitglied Irmtraud Gürkan. Für sie sei das Reformwerk eine „Riesenchance, den Shift ins ambulante System hinzubekommen“. Das Konzept ist auf eine Umsetzungszeit von fünf Jahren angelegt.
Pflegebudget wird Vorhaltung
Das Pflegebudget soll als Finanzierungsinstrument beibehalten werden. Es würde sich in den Vorhaltekosten wiederfinden. Irmtraud Gürkan unterstrich bei der Präsentation in Berlin, dass durch die Reform kein neues Geld ins System komme. „Diese Reform betrifft nur die Betriebskosten“, so Gürkan. Sie sagte auch, was in diesem Vorschlag nicht behandelt wurde: Eine Berücksichtigung von Prozess- oder Ergebnisqualität sowie die Reform der Investitionsfinanzierung. Diese Themen, so Gürkan, habe die Kommission weiter im Blick.
Unklare Rolle der Länder
Welche Rolle die Länder bei dieser Reform spielen, ist bis dato nicht klar. Grob gesagt zielt die Reform nur auf die Betriebskosten ab und habe mit der Krankenhausplanung wenig zu tun, beteuerte Lauterbach. Allerdings hat es mit den Ländern bereits erste Gespräche gegeben – schließlich sollen die Leistungsgruppen einheitlich sein und gerade für die Regelung rund um das „Level I i“ braucht der Minister die Länder.
Auswirkungen auf den Markt
Welche Auswirkung die Reform auf Trägerstruktur und Krankenhausdichte haben könnte, ließ der Minister offen. Über die Fallsteigerung könne in Zukunft kein Haus mehr Gewinnmaximierung betreiben. „Damit ist das System für private Träger deutlich weniger interessant“, so Lauterbach.
Christian Karagiannidis betonte: „Wir gehen davon aus, dass in diesem Jahr 40 Prozent der Kliniken von Insolvenz bedroht sind. Für diese kleinen Häuser ist das „Level I i“ eine Chance.“