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Pflegeberufereform

"Ich hätte mir mutigere Schritte gewünscht"

Die Regierungskoalitionen haben sich auf einen Kompromiss zur Pflegeberufereform verständigt. Wir sprachen mit dem Präsident des Deutschen Pflegerates, Andreas Westerfellhaus, über seine Meinung zu der Entscheidung.

 

Herr Westerfellhaus, die Regierungskoalition hat sich auf einen Kompromiss zur Reform der Pflegeausbildung geeinigt. Wie glücklich sind Sie?

Es schlagen zwei Herzen in meiner Brust. Zum einen schaffen wir mit dem nun vorliegenden Kompromiss für das Gesetz zur Reform der Pflegeberufe in der Tat den Einstieg in die generalistische Ausbildung, und darüber freuen wir uns als Deutscher Pflegerat. Die Krankenpflege wird durch eine generalistische Pflegeausbildung mit Schwerpunktsetzung abgelöst. Alten- und Kinderkrankenpflege werden in den ersten beiden Ausbildungsjahren ebenfalls generalistisch ausgebildet und erhalten somit auch mehr Kenntnisse in der Krankenpflege. Das ist ein Erfolg, über den wir uns freuen. Unglücklich sind wir, dass es künftig weiterhin ein Nebeneinander mehrerer Abschlüsse geben soll. Ich hätte mir hier mutigere Schritte gewünscht, insbesondere mit Blick auf die Patientensicherheit. Eine gemeinsame grundständige Ausbildung für alle drei bisherigen Ausbildungsberufe würde sicherstellen, dass jede Pflegefachperson gute Kenntnisse mitbringt für eine gute Patientenversorgung.


Die Krankenpflege soll abgeschafft und durch eine generalistische Ausbildung abgelöst werden. Welche Vorteile sehen Sie darin?

Die Krankenpflege wird ja nicht abgeschafft. Wir reformieren die Ausbildung. Der Vorteil ist, dass die Absolventen für alle Bereiche der Pflege qualifiziert werden. Ein weiterer entscheidender Fortschritt in dem Kompromiss ist, dass es endlich eine Definition geben wird, welche Tätigkeiten der qualifizierten Pflege vorbehalten sind. Das ermöglicht eine selbständige Ausführung unseres heilkundlichen Berufes und setzt Standards für eine bessere Patientenversorgung. Des weiteren sorgt das Gesetz für den Einstieg in eine Pflegeausbildung auf akademischen Niveau, entweder als grundständige Erstausbildung oder als Fortsetzung der Ausbildung. Diese Möglichkeit, sich auf akademischen Niveau weiter zu qualifizieren, werden aber nur Absolventen der generalistischen Ausbildung haben.


Alten- und Kinderkrankenpflege bleiben als eigenständige Abschlüsse erhalten, werden aber in den ersten zwei der drei Ausbildungsjahre ebenfalls generalistisch ausgebildet. Ist das eine Verbesserung zum Status quo?

Entscheidend ist nun die Ausgestaltung der Curricula. Das wird nicht ganz leicht. Denn einerseits müssen die Inhalte so ausgestaltet sein, dass sie zu einer generalistischen Ausbildung passen, andererseits will die Politik die Alten- und Kinderkrankenpflege als eigenständige Berufe erhalten. Sehr positiv ist selbstverständlich, dass mit der Reform das Schuldgeld in allen Bundesländern abgeschafft wird. Eine echte Bewertung der Reform ist aber erst möglich, wenn die Curricula vorliegen. Hier verlangen wir ein großes Mitspracherecht des Deutschen Pflegerates.


Sie haben immer für eine generalistische Ausbildung mit nur einem Ausbildungsabschluss gestritten, nun kommen zumindest Elemente einer integrativen Ausbildung in die Reform und es bleibt bei drei unterschiedlichen Abschlüssen. Wäre es nicht konsequent, sich nun aus den Curricula der Alten- und Kinderkrankenpflege herauszuhalten und deren Formulierung zu boykottieren?

Nein. Wir tragen Verantwortung für die gesamte Berufsgruppe, und der stellen wir uns. Ich bin strikt gegen eine Verweigerungshaltung. Ich will, dass sich die Schülerinnen und Schüler nach den ersten zwei Jahren für einen generalistischen Abschluss entscheiden.


Wie beurteilen Sie das Vorhaben, dass alle Auszubildenden nach zwei Jahren eine Prüfung zur Pflegeassistenz ablegen können sollen?

Das stößt auf unsere totale Ablehnung, ist in keiner Weise akzeptabel und auch verfassungsrechtlich mehr als bedenklich, schließlich liegt die Assistenzausbildung in der Hoheit der Länder. Wer das durchsetzen möchte, benötigt die Zustimmung von 16 Länderparlamenten, das ist abwegig. Wir lehnen auch Forderungen - wie vom CDU-Bundestagsabgeordneten Erwin Rüddel erhoben - ab, dass Pflegeassistenten auf Fachkraftquoten angerechnet werden. Diese Forderung ist ein Offenbarungseid in punkto Qualitätsabbau.


Jenseits Ihrer verfassungsrechtlichen Bedenken, was die Zuständigkeit des Bundes betrifft: Ist das System einer zweijährigen Assistenzausbildung nicht sinnvoll?

Als Pflegerat halten wir zwar eine bundesweit einheitlich geregelte zweijährige Ausbildung zum Pflegeassistenten für sinnvoll. Das schlagen wir schon lange vor. Aber das muss eine gesonderte Ausbildung sein. Es gibt ja bereits in vielen Bundesländern Helfer- und Assistenzausbildungen. Die Curricula in diesem Bereich haben aber wenig mit denen einer Fachpflegeausbildung zu tun. In den Assistenzberufen geht es vor allem um hauswirtschaftliche und die Pflege unterstützende Tätigkeiten. Das können nicht die Inhalte der ersten zwei Jahre einer generalistischen Pflegeausbildung werden. Es geht in der Pflegeassistenz auch darum, beispielsweise Hauptschülern ein Angebot zu machen. Wenn diese die Pflegeassistenzausbildung gut absolviert haben, dann sollen sie selbstverständlich die Möglichkeit einer verkürzten Pflegefachausbildung haben. Aber die Assistenzausbildung kann nicht in die generalistische Ausbildung integriert werden.


Was erwarten Sie nun von der Politik?

Wir erwarten, dass es jetzt zügig vorangeht. Das betrifft das Gesetzgebungsverfahren, die Erstellung der Ausbildungsordnung und die Regeln für die Finanzierung.
Insbesondere die inhaltliche Ausgestaltung der Curricula muss unter maßgeblicher Mitwirkung des Deutschen Pflegerates als Vertreter der beruflich Pflegenden erfolgen. Wenn das fachfremde Politiker übernehmen, dann führt das zu keinem guten Ergebnis für die Profession Pflege und vor allem für die Patienten.

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