Der Bundesverband Lehrende Gesundheits- und Sozialberufe (BLGS) spricht von einem „faulen Kompromiss“. Die große Koalition habe die Generalistik und damit das zentrale Vorhaben der Pflegeberufereform scheitern lassen. Damit werde es in Deutschland auch weiterhin kein einheitliches und stabiles Berufsbild für alle Pflegenden geben, kritisierte der BLGS am Sonntag. Zwar werde ein generalistischer Ausbildungsweg eröffnet. Da dieser aber nur von einem Teil der künftigen Pflegenden beschritten werden solle, werde das „kaum zur Lösung der strukturellen Probleme beitragen – der Systemfehler wird festgeschrieben“. Zudem dränge sich die Frage auf, was denn der Unterschied zwischen einer generalistischen Ausbildung mit Vertiefung Altenpflege im dritten Ausbildungsjahr und einer Altenpflegeausbildung mit zweijähriger generalistischer Grundausbildung und Spezialisierung Altenpflege im dritten Ausbildungsjahr sein solle.
Aus fachlicher Sicht könne die Einführung der Generalistik nur begrüßt werden, sie sei überfällig. "Das Beibehalten von Altenpflege und Kinderkrankenpflege als eigenständige Berufsabschlüsse und das Offenhalten einer endgültigen Entscheidung sind jedoch unsinnige und zukunftsgefährdende Entscheidungen“, sagte der Direktor des Deutschen Instituts für angewandte Pflegeforschung (DIP), Frank Weidner, am Dienstag. Die künftigen Berufsabschlüsse ließen sich noch weniger unterscheiden als zuvor schon. Denn es gebe neben einer generalistisch qualifizierten Pflegefachperson etwa mit Schwerpunkt Altenpflege auch eine Fachkraft Altenpflege mit generalistischer Grundausbildung. „Das ist wie den Euro einführen und weiter mit der D-Mark bezahlen“, so Weidner. „Dieses Wirrwarr kann nicht gut sein für ein Berufsbild, das zukunftsweisend sein soll, im Wettbewerb um gute Schulabgänger dringend punkten muss und unbedingt eine höhere Attraktivität benötigt!“
Der Bundesverband Ambulante Dienste und Stationäre Einrichtungen (bad) sieht in dem Kompromiss „keine Lösung für die offenkundigen Probleme“ in der Altenpflege. Kurz vor Ende der Legislaturperiode werde der Eindruck einer „Augen zu und durch-Mentalität“ erweckt.
Der Verband Deutsche Alten- und Behindertenhilfe (VDAB) warnte, dass es keinen „aktionistischen Blindflug“ geben dürfe. Vor der gesetzlichen Einführung einer neuen Ausbildung müssten Struktur, Inhalt und Finanzierung klar sein. Die Ausgestaltung sei im Detail noch nicht geklärt. Deshalb sei es noch zu früh, zu beurteilen, wie sinnvoll die Reformvorschläge seien.
Nach einem „unvorstellbaren Gewürge“ und einem „bürokratischen Kuddelmuddel“ befürchtet der Arbeitgeberverband Pflege, dass Unternehmen weniger ausbilden werden. Viele Hauptschüler würden von zu viel Theorie abgeschreckt. Alte Menschen und die Altenpflege würden zum Opfer der Reform.
Der pflegepolitische Berichterstatter der CDU, Erwin Rüddel, begrüßte den ausgehandelten Kompromiss. Die gefundene Lösung müsse nun noch im Detail ausgearbeitet werden, dazu gehöre sowohl die Frage der Finanzierung als auch eine weitgehend feststehende Verordnung, die die Ausbildungsinhalte festlege. Da die Kompromissfindung leider erst jetzt abgeschlossen wurde, gäbe es nun nur noch ein kleines Zeitfenster, um das Gesetz zu verabschieden. „Der Zeitdruck darf allerdings nicht dazu führen, dass wir uns hetzen lassen. Wir schulden es sowohl den Mitarbeitern in der Pflege als auch den Pflegebedürftigen, Sorgfalt vor Eile walten zu lassen.“
Der gefundene Kompromiss sieht vor, dass die bisherige Ausbildung in der Gesundheits- und Krankenpflege abgeschafft und von einer generalistischen Ausbildung mit Inhalten auch aus der Gesundheits- und Kinderkranken- sowie Altenpflege abgelöst wird.
Alten- sowie Gesundheits- und Kinderkrankenpflege werden reformiert: Nach einer zweijährigen generalistischen Ausbildung können sich die Schüler entscheiden, ob sie sich im dritten Jahr auf einen Abschluss in der Alten- oder Gesundheits- und Kinderkrankenpflege vorbereiten wollen oder doch einen generalistischen Abschluss anstreben.
Jetzt steht noch die zweite und dritte Lesung im Bundestag aus, auch der Bundesrat muss der Reform noch zustimmen. (MIL)