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Schwerkranke Menschen können in besonderen Fällen Anspruch auf Medikamente für einen schmerzlosen Suizid haben. „In extremen Ausnahmesituationen“ dürfe ihnen dies nicht verwehrt werden, urteilte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig in der vergangenen Woche. Kritik dazu kommt unter anderem von Patientenschützern, den katholischen Bischöfen, der Bundesärztekammer und Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU). Der Staat dürfe nicht über Leben und Tod entscheiden. „Staatliche Behörden dürfen nicht zum Handlanger der Beihilfe zur Selbsttötung werden", so Gröhe. Er kündigte an, das Ministerium werde „alle Möglichkeiten nutzen, den Tabubruch staatlicher Selbsttötungshilfe zu verhindern". Die Deutsche Bischofskonferenz teilte mit, der Staat dürfe nicht gezwungen werden, „die Hand zum Suizid zu reichen".
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz kritisierte die Entscheidung als „praxisfern". „Denn was eine unerträgliche Leidenssituation ist, bleibt offen", sagte Vorstand Eugen Brysch. Leiden sei „weder objektiv messbar noch juristisch allgemeingültig zu definieren". Zudem sprach Brysch von einen „Schlag ins Gesicht der Suizidprävention in Deutschland". Die Stiftung begrüße es, dass der Bundestag im November 2015 die geschäftsmäßige Suizidbeihilfe verboten hat. „Sonst würden Sterbehelfer in Deutschland den Tod aus den Gelben Seiten mit Rückendeckung des Bundesverwaltungsgerichts organisieren können", sagte Brysch.
Auch die Bundesärztekammer (BÄK) hat das Urteil kritisiert. „Dass eine so grundsätzliche ethische Frage auf einen bloßen Verwaltungsakt reduziert werden soll, ist mir völlig unverständlich", sagte BÄK-Präsident Frank Ulrich Montgomery. Außerdem sei die praktische Umsetzung problematisch. Welcher Beamte des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) solle entscheiden, wann eine extreme Ausnahmesituation vorliege, fragte Montgomery und nannte das Urteil „unverantwortlich". Er frage sich, ob die Leipziger Richter tatsächlich die grundlegenden Diskussionen im Deutschen Bundestag wie auch die entsprechenden Beschlüsse zur Sterbebegleitung wahrgenommen hätten.
Hintergrund des Gerichtsbeschlusses war ein Rechtsstreit zwischen einer sterbenskranken Frau und dem BfArM. Die Frau hatte beim Bundesinstitut 2004 die Erlaubnis zum Erwerb einer tödlichen Dosis eines Betäubungsmittels beantragt. Das BfArM lehnte dies ab mit der Begründung, eine Erlaubnis mit dem Ziel der Selbsttötung sei nicht vom Zweck des Betäubungsmittelgesetzes gedeckt. Im Februar 2005 reiste die Frau nach Informationen des Gerichts in die Schweiz, wo sie sich mit Unterstützung eines Vereins für Sterbehilfe das Leben nahm. Ihr Ehemann führte den als Kläger zuvor begonnenen Klageweg gegen das BfArM anschließend durch die Instanzen bis zum gestrigen Urteil fort. (MIL)
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