Die schwarz-gelbe Koalition will im kommenden Jahr die Praxisgebühr für gesetzlich Krankenversicherte auf den Prüfstand stellen. Das bestätigten Unionsfraktionsvize Johannes Singhammer (CSU) und FDP-Gesundheitsexperte Lars Lindemann der „Bild“-Zeitung. „Der Effekt, die Zahl der Arztbesuche zu dämpfen, ist mit der jetzigen Gebühr nicht erreicht worden“, sagte Singhammer. Darum werde nun wie im Koalitionsvertrag vereinbart geprüft, ob es seine bessere, unbürokratischere Lösung gebe. Auch Lindemann bescheinigte der Gebühr, „keinerlei steuernde Funktion“ zu haben. Sein Parteikollege Heinz Lanfermann, gesundheitspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion, kritisierte nach Medienberichten, deutsche Patienten gingen mit durchschnittlich 18 Besuchen im Jahr noch immer deutlich häufiger zum Arzt als die Bürger anderer EU-Staaten.
Lanfermann will mit einer Reform der Praxisgebühr vor allem auf mehr Eigenverantwortung der Versicherten setzen. Dazu könnte seiner Meinung nach die schön öfters geforderte Patientenrechnung beitragen. Ohne in Vorkasse gehen zu müssen, würden auch gesetzlich Versicherte in diesem Szenario eine Rechnung von ihrem Arzt über die genauen Behandlungskosten erhalten. Gegen eine kleine sozial abgefederte Selbstbeteiligung sei nichts einzuwenden, eine generelle Gebühr pro Arztbesuch lehne er aber ab.
Eine solche Gebühr hatte der Gesundheitsökonom Jürgen Wasem in der „Bild“-Zeitung vorgeschlagen. „Fünf Euro pro Besuch macht mehr Sinn als die jetzige Gebühr.“Eine Sprecherin des Bundesgesundheitsministeriums dementierte entsprechende Überlegungen umgehend: „Überlegungen, die Praxisgebühr pro Arztbesuch zu erheben, stammen nicht aus dem Bundesgesundheitsministerium.“ Zuspruch erhielt Wasem hingegen von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, deren Vorsitzender Andreas Köhler eine geringe Zuzahlung je Arztbesuch als „sinnvoll“ bezeichnete, wenn sie sozial abgefedert sei, damit notwendige Arztbesuche nicht verhindert würden. „Die Praxisgebühr in der jetzigen Form hat keine Steuerungswirkung entfaltet. Von daher unterstützen wir eine Änderung der jetzigen Regelung“, sagte Köhler heute in Berlin.
Die seit 2004 erhobene Gebühr hat dem Gesundheitssystem nach Angaben des Chefs der Techniker Krankenkasse Norbert Klusen bislang jährlich 2,8 Milliarden Euro an Einnahmen beschert. Als Steuerungsinstrument zur Reduzierung der Arztbesuche sei sie aber gescheitert.