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Antiseptisch waschen?

Nosokomiale Infektionen sind auf dem Vormarsch – besonders Patienten in Funktionsbereichen sind gefährdet. Immer mehr Intensivstationen gehen deshalb dazu über, Patienten mit einer antiseptischen Lösung zu waschen. Damit soll die Keimlast der Patienten gesenkt werden. Ist das eine sinnvolle Strategie?

 

"Praktikable Lösung im Kampf gegen Infektionen"

 

Als steigende Infektionszahlen auf unserer Station immer offenkundiger wurden, suchten wir im Team gemeinsam nach Lösungen und entschieden uns, eine antiseptische Ganzkörperpflege einzuführen. Andere Intensivstationen im Haus hatten damit schon gute Erfahrungen gemacht.

 

Wir entschieden uns für einen antiseptischen Reinigungsschaum, der direkt auf Haut und Haar des Patienten aufgetragen wird. Der Schaum bewirkt eine Prävention nosokomialer Infektionen und eine gleichzeitige Dekolonisation vorhandener multiresistenter Erreger. Das Produkt hat einen 24-stündigen antimikrobiellen Barriere-Effekt. Der dafür verantwortliche Wirkstoff ist Polihexanid.

 

 Es bestehen zwei verschiedene Möglichkeiten, den Reinigungsschaum aufzutragen. Bei der ersten Variante wird der Reinigungsschaum als Pflegemittelersatz bei der Ganzkörperpflege verwendet. Auf weitere Waschzusätze im Waschwasser wird verzichtet. Ein bis zwei Hübe des Reinigungsschaums werden auf den feuchten, mit klarem Wasser benetzten Waschlappen aufgetragen, um die Haut des Patienten zu reinigen. Dieser Vorgang wiederholt sich für jede weitere Körperregion mit je einem weiteren Waschlappen. Auch die Intimpflege wird auf diese Weise vorgenommen.

 

Es folgt eine Einwirkzeit von mindestens einer Minute, in der der Patient nicht abgetrocknet wird. Im Anschluss können je nach Patientenwunsch oder zu Therapiezwecken weitere Pflegemittel aufgetragen werden. Es ist zu beachten, dass die Haut nach der Reinigung mit dem Schaum nicht abgespült werden darf. Ein hautfreundliches Pflegemittel in Form von Panthenol ist im Reinigungsschaum bereits enthalten.

 

Die zweite Variante besteht darin, den Reinigungsschaum nach einer herkömmlich durchgeführten Ganzkörperpflege zu verwenden. Der Schaum wird nach dem Waschen auf die Haut des Patienten aufgetragen. Auch hier muss anschließend eine Einwirkzeit von ein bis drei Minuten abgewartet werden. Durch den bereits im Schaum enthaltenen Wirkstoff Panthenol dient das Auftragen gleichzeitig als Hautpflege. 

 

Auf unserer Intensivstation wird der Reinigungsschaum routinemäßig einmal täglich bei der Grundpflege bei allen Patienten verwendet, die länger als 24 Stunden auf der Station bleiben. Dies wurde in einem stationsinternen Standard festgelegt.

 

Aufgrund des noch kurzen Anwendungszeitraums können noch keine belastbaren Zahlen zum Rückgang nosokomialer Infektionen genannt werden. In den kommenden Monaten ist jedoch eine weitere Datenerhebung der bestehenden Infektionen geplant. Diese soll dann mit der im Vorfeld durchgeführten Erhebung verglichen werden. 

Insgesamt glauben wir, dass die Verwendung eines antiseptischen Reinigungsschaums eine alltagstaugliche Lösung im Kampf gegen Infektionen ist. Wir hoffen, mit der Evaluation einen Rückgang der Infektionszahlen zu belegen, um die Sinnhaftigkeit der Intervention zu untermauern.

 

Dirk Zernechel ist Fachkrankenpfleger für Anästhesie und Intensivpflege auf der neurochirurgischen Intensivstation des Universitätsklinikums Düsseldorf

 

 

"Konzept kann derzeit noch nicht empfohlen werden"

 

Seit einigen Jahren wird auf vielen Intensivstationen in den USA ein neues Konzept zur Infektionsprävention umgesetzt. Es beinhaltet den Verzicht auf ein mikrobiologisches Screening bei neu aufgenommenen Intensivpatienten. Stattdessen werden alle Patienten täglich mit Chlorhexidin-getränkten Waschtüchern abgerieben. In einer Studie ließ sich mit diesem Vorgehen eine Reduktion nosokomialer Blutstrominfektionen (Infektion mit Nachweis eines Pathogens in der Blutkultur, klinisch manifest als Bakteriämie, Fungämie oder Sepsis) um 31,1 Prozent erzielen. 

 

In Deutschland prüfte ein Expertenteam der Charité in Berlin, ob gleichartige Effekte auch mit Octenidin-haltigen Waschtüchern zu erzielen sind. In der Vorphase erfolgte deshalb bei jedem neu aufgenommenen Intensivpatienten ein MRSA-Abstrich-Screening. Bestimmte Risikopatienten wurden bei Aufnahme zusätzlich auf Vancomycin-resistente Enterokokken (VRE) und Multiresistente gramnegative Stäbchenbakterien (MRGN) hin untersucht. Bei MRSA-positiven Patienten wurde eine Dekolonisationstherapie mit Turixin-Nasensalbe und einem Chlorhexidin-haltigen Waschpräparat durchgeführt. Ab 2014 wurde eine tägliche Körperwaschung mit Octenidin-haltigen Waschtüchern eingeführt. Die Waschungen erfolgten während des gesamten Aufenthaltes auf der Intensivstation. Gleichzeitig wurden alle Intensivpatienten, unabhängig von ihrem Besiedlungsstatus, über fünf Tage ab Aufnahme mit Octenidin-Nasengel behandelt.

 

Bei der Gesamtbetrachtung zeigte sich keine Absenkung der Rate nosokomialer Blutstrominfektionen. Die Rate neu erworbener Besiedlungen/Infektionen mit MRSA ging leicht zurück. Bei den übrigen Erregern ließ sich kein signifikanter Effekt darstellen. Wurden medizinische und chirurgische Intensivstationen getrennt betrachtet, so zeigte sich ein signifikanter Rückgang nosokomialer Blutstrominfektionen auf medizinischen Stationen. Auf den chirurgischen Stationen war demgegenüber kein Einfluss der Waschungen auf nosokomiale Blutstrominfektionen und klinische MRSA-Nachweise darstellbar. Bei VRE und MRGN zeigte sich weder auf medizinischen noch auf chirurgischen Stationen ein Effekt. Die Reduktion der Blutstrominfektionen bei medizinischen Intensivpatienten könnte nach Ansicht der Autoren damit zusammenhängen, dass diese Patienten kränker waren und häufiger primäre Septikämien entwickelten als chirurgische Patienten. Da Katheter-assoziierte Septikämien häufig durch Hautkeime verursacht werden, kann dieses Keimreservoir durch die Waschungen beeinflusst werden.

 

Insgesamt muss in zukünftigen Studien geklärt werden, ob und in welcher Reihenfolge zusätzlich zur antiseptischen Waschung eine Wasserwaschung stattfinden kann, da der Kontakt mit Wasser ebenso wie Tageslichtkontakt und Lärmvermeidung als wichtiger Heilungsfaktor für Intensivpatienten angesehen wird. Zur allgemeinen Anwendung auf Intensivstationen in Deutschland kann das Konzept allerdings derzeit noch nicht empfohlen werden.

 

Siegfried Niklas ist selbstständiger Fachkrankenpfleger für Krankenhaushygiene aus Eschborn

 

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