Niedersachsens rot-grüne Landtagsmehrheit bereitet die Gründung einer Pflegekammer in Niedersachsen weiter konsequent vor. Am Donnerstag beseitigte der Sozialausschuss des Landtages letzte juristische Hürden, damit das Gesetzeswerk noch vor Weihnachten möglichst rechtssicher beschlossen werden kann. Mit ihrer denkbar knappen Ein-Stimmen-Mehrheit hoffen SPD und Grüne, das Vorhaben für die rund 70.000 Pflegefachkräfte im Land durchzusetzen. CDU und FDP im Landtag lehnen das Gesetz ab. Ist die erste Gründung einer berufsständischen Vertretung von weisungsgebundenen Pflegefachkräften in Niedersachsen ebenso verfassungskonform wie bei Kammern von freien Berufen wie Ärzten oder Anwälten? Prinzipiell bejahte die Juristin Irina Brüggeshemke vom Gesetzgebungs- und Beratungsdienst der Landtagsverwaltung diese häufig von Kritikern angeführte Frage. Denn laut Urteilen des Bundesverfassungsgerichts dürfe sehr wohl in die allgemeine Handlungsfreiheit Einzelner eingegriffen werden, „wenn es im gesteigerten Interesse einer Berufsgemeinschaft liegt, Aufgaben wahrzunehmen, die weder der Staat noch der Einzelne übernehmen kann." Zweckerfüllt, erforderlich, angemessen Zweckerfüllt, erforderlich und angemessen sei die Gründung einer Pflegekammer auch und erfülle damit weitere Bedingungen der Verfassungsrichter, befand die Juristin. „So vertreten zum Beispiel private Verbände eben nicht das maßgebliche Gesamtinteresse aller Pflegefachkräfte", spielte sie auf Argumente von Kammergegnern wie privaten Altenhilfe-Trägerverbänden an. Hier hakten Kammergegner wie Dr. Max Matthiesen (CDU) nach: „Rechtfertigt nicht der Gleichheitsgrundsatz von Artikel 3.1 des Grundgesetzes, dass auch Arbeitgeber der Pflegekammer beitreten können? Schließlich berühren Beschlüsse einer Pflegekammer auch maßgeblich deren Interessen." Prompt konterte Feliz Polat von den Grünen: „Entscheidend sind die Befürworter in den vielen Berufsverbänden und nicht Vertreter der Verbände, die mehrheitlich keine Pflegefachkräfte organisieren und die Kammer ablehnen." "Zweifel an Verfassungsmäßigkeit nur Vorwand zur Ablehnung" Für den sozialpolitischen Sprecher der SPD, Uwe Schwarz, lag der Fall klar: „Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Pflegekammer sind für die Gegner nur ein Vorwand zur Ablehnung." Entscheidend sei, dass der GWD die Kammer für verfassungskonform halte, im Gegensatz zur Opposition. Auch in Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein sei es zu keinen Verfassungsklagen gegen die neuen Pflegekammern gekommen. Ansonsten empfahl der Ausschuss, den etwa 50.000 Pflegehilfskräften und -assistenten den freiwilligen Beitritt zur Pflegekammer der 70.000 Pflegefachkräfte im Lande zu ermöglichen. Auch angehende Pflegefachkräfte sollen bei eingeschränkten Rechten beitreten dürfen. Zudem sollen Arbeitgeber wie in Schleswig-Holstein ihre Pflegefachkräfte zur ersten Registrierung bei der Pflegekammer Niedersachsen melden.