• Bildung
Flüchtlinge in der Pflege

Aus Flüchtlingen werden Altenpfleger

Das Diakonische Werk Württemberg, die Samariterstiftung und das Welcome Center Sozialwirtschaft haben in einem Pilotprojekt Flüchtlinge für die Ausbildung zum Altenpfleger qualifiziert. Im Herbst starten sie in ihre Ausbildung.

Das Diakonische Werk Württemberg, die Samariterstiftung und das Welcome Center Sozialwirtschaft haben in einem Pilotprojekt Flüchtlinge für eine Ausbildung in der Altenpflege vorbereitet. Nach einem langen Auswahlprozess haben Mitte Juli sieben Flüchtlinge einen entsprechenden Ausbildungsvertrag für die Altenpflege überreicht bekommen, sodass sie im September ihre Ausbildung starten können. Zwei weitere Flüchtlinge haben aufgrund ihres hohen Sprachniveaus bereits im April 2016 mit ihrer Ausbildung zur Altenpflegefachkraft begonnen. Drei weitere Flüchtlinge werden bei anderen diakonischen Trägern ihre vierjährige Ausbildung beginnen.

Ausbildungsverträge sind unterschrieben
Insgesamt kamen rund 60 Interessenten zu den Informationsveranstaltungen, die bereits im Herbst 2015 in den Häusern der Samariterstiftung erfolgten. Wichtig war der Samariterstiftung, dass die geflüchteten Menschen eine informierte Entscheidung für oder gegen eine Ausbildung in der Altenhilfe treffen konnten. Für 15 Personen führte der Weg in eine zehntägige Hospitation in einem Haus der Samariterstiftung. Neun Personen haben sich nach mehreren Gesprächen und der erfolgreichen Hospitation dafür entschieden, eine Ausbildung zum Altenpfleger zu absolvieren. Die Samariterstiftung begleitet sie seither auf ihrem Weg in die Ausbildung. „Es gibt kein standardisiertes Vorgehen, sondern jede Person ist ein Einzelfall", weiß Frank Wößner, Vorstandsvorsitzender der Samariterstiftung. Dies sei schon dadurch bedingt, dass es bei der Auswahl der Personen keine Einschränkungen hinsichtlich Aufenthaltsstatus, Herkunftsland oder Religion gab. Jede einzelne Person wurde und wird von den Projektleitungen eng begleitet und unterstützt. Das erfolgt beispielsweise in Form von Sprachkursen. Nachdem nun auch die Ausbildungsverträge erstellt und von beiden Seiten unterschrieben seien, könne man auf die Ausländerbehörden zugehen, um für die künftigen Auszubildenden die entsprechende Arbeitserlaubnis zu erhalten.

In Kooperation mit dem Welcome Center Sozialwirtschaft Baden-Württemberg engagiert sich die Samariterstiftung, um Flüchtlinge für die Altenpflege-Ausbildung zu interessieren. Außer der Gewinnung von qualifizierten Fachkräften über den Weg der zweijährigen Altenpflegehilfe-Ausbildung mit vermehrtem Deutschunterricht, wird geflüchteten Menschen damit eine Perspektive zum Aufenthalt § 6 Absatz 1 der Verordnung über die Beschäftigung von Ausländerinnen und Ausländern (BeschV) und einer gesicherten Existenz in Deutschland geboten. Neben der Sprachqualifizierung bis Niveau B2 und der Fachkraftausbildung selbst gehört eine dauerhafte Begleitung der Teilnehmenden zum Projekt.

Flüchtlinge kennen den Beruf „Altenpfleger" nicht
„Der Fachkraftmangel in der Altenhilfe ist eklatant", so Wößner. Die Samariterstiftung werbe deshalb, wie auch alle anderen Altenhilfeträger, auf vielfältige Weise für den Ausbildungsberuf zur Altenpflegefachkraft. Die aktive Anwerbung von Auszubildenden aus Nicht-EU-Staaten nehme zu. Dennoch blieben zahlreiche Ausbildungsplätze unbesetzt. Zugleich strömten zahlreiche Asylsuchende nach Deutschland und suchten hier eine Zukunftsperspektive. „Es ist eine diakonische und gesellschaftliche Aufgabe, diesen Menschen konkrete Möglichkeiten aufzuzeigen, wie sie sich in Deutschland eine Existenz aufbauen können. Kaum ein Flüchtling aus Syrien, Afghanistan oder dem Iran kennt bislang ,Altenhilfe‘ – die gesellschaftlichen Strukturen in ihren Herkunftsländern sind völlig anders", berichtet Wößner.

Im Rahmen des Modellprojekts wurden schließlich neun Flüchtlinge für den Ausbildungsberuf in der Altenhilfe gewonnen. Ihre Praxisstellen fanden sie in acht Häusern der Samariterstiftung in und um Leonberg, Böblingen und Tübingen. Gemeinsam starten sie nun eine zweijährige Altenpflegehilfe-Ausbildung für Migranten und anschließend eine weitere zweijährige Ausbildung zur Altenpflegefachkraft.

Die eigentliche Herausforderung bestand zu Beginn des Projekts in der Gewinnung von geeigneten Interessenten. Die Kontaktaufnahme gelang teilweise über die Sozialbetreuenden in den Gemeinschaftsunterkünften, sagt Oberkirchenrat und Vorstandsvorsitzender des Diakonischen Werks Württemberg Dieter Kaufmann. Andere Flüchtlinge erhielten die Information über ehrenamtlich Engagierte. Es folgte eine Einladung zu Informationsveranstaltungen. Ziel hierbei war, dass die Flüchtlinge auf der Grundlage zuverlässiger Informationen, etwa über das Ausbildungssystem und die Altenhilfe in Deutschland, eine fundierte Entscheidung für ihre berufliche Zukunft treffen können.

Zur Vorbereitung zehn Tage Hospitation

Die im Rahmen eines Assessments ausgewählten Flüchtlinge konnten ein Haus der Samariterstiftung näher kennenlernen. Zur Vorbereitung sowohl der künftigen Auszubildenden als auch der Teams absolvierten die Asylsuchenden – sobald es die Basiskenntnisse der deutschen Sprache zuließen – eine zehntägige Hospitation. Beide Seiten hatten so die Möglichkeit, sich für oder gegen den weiteren gemeinsamen Weg zu entscheiden.

Für diese Auswahl war der jeweilige Aufenthaltsstatus nicht ausschlaggebend. Sowohl Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis als auch solche, die sich noch im laufenden Verfahren befanden, wurden in das Projekt aufgenommen. Erforderlich war daher von Beginn an ein enger Kontakt zu Landratsamt, Ausländerbehörden, Jobcenter und Agentur für Arbeit.

Altenpflegehilfe-Ausbildung mit Sprachförderung

An einigen Standorten in Baden-Württemberg werden aus Landesmitteln sprachintegrierte Ausbildungen zum Altenpflegehelfer finanziert. Die sonst einjährige Pflegehilfe-Ausbildung wird auf zwei Jahre ausgedehnt. Voraussetzung für den Start in diese zweijährige Ausbildung ist die Sprachkompetenz auf Niveau A2. Die Interessierten benötigten die Vermittlung eines Sprachkurses, der sie strukturiert auf dieses Level bringt. In der Ausbildung selbst ist viel Deutschunterricht vorgesehen, sodass der weitere Erwerb der deutschen Sprache quasi begleitend geschieht und das Sprachniveau von A2 während dieser zwei Jahre auf B2 steigt. Bei erfolgreichem Abschluss der Helferausbildung können zwei weitere Ausbildungsjahre angeschlossen werden, an deren Ende das Zertifikat „Altenpflegefachkraft" steht – ein Dokument, das die Chancen auf ein Bleiberecht deutlich erhöht.

Bereits 2015 startete die Diakonie Württemberg ein Modellprojekt zur legalen Arbeitsmigration in der Altenpflege. Damals kamen junge Kosovaren nach Deutschland und absolvierten eine Ausbildung. Das Projekt geht im Herbst 2016 in die zweite Runde.

Die Evangelische Landeskirche in Württemberg unterstützt die Flüchtlingsarbeit der Diakonie. Die Synode hat für die Jahre 2016 und 2017 zusätzlich 13,2 Millionen Euro beschlossen. Bereits für 2014 hatte sie zusätzlich 1,4 Millionen Euro für die Flüchtlingsarbeit zur Verfügung gestellt und für 2015 um weitere 2,15 Millionen Euro aufgestockt – jeweils zur Hälfte für die Arbeit in Württemberg und in den Herkunftsregionen. Ein wesentliches Ziel sei es, dazu beizutragen, Fluchtursachen in den Herkunftsländern zu mindern, so Kaufmann. Hierzulande würden die Mittel nachhaltig zur Unterstützung der ständig wachsenden Zahl ehrenamtlicher Helfer und Initiativen eingesetzt. Auch gebe es einen Fonds für Kleinprojekte, den die Diakonie verwaltet.

Begleitgruppen als stabilisierendes Element
Eine Begleitgruppe wird den internationalen Auszubildenden in dem neuen Projekt nun während ihrer Ausbildungszeit die Möglichkeit für einen offenen Austausch untereinander sowie mit Mentoren geben. Die Begleitgruppe bietet Raum, um tägliche Sorgen und Nöte zu diskutieren, kulturelle Besonderheiten zu thematisieren und auch fachliche Fragen der Arbeit durchzusprechen.

In den nächsten Monaten käme es nun darauf an, zu beobachten, wie die Flüchtlinge ihren speziellen Hintergrund bezogen auf Sprache, Kultur und Religion in Form von kultursensibler Pflege in ihre Ausbildung einfließen lassen könnten und inwiefern die Einrichtungen entsprechende Bedarfe dafür haben, so die Organisatoren. 

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