• Praxis
Studien zum Diabetes-Management

Heimbewohner mit Diabetes optimal betreuen

In Pflegeheimen ist das Personal zunehmend mit Problemen des Diabetes-Managements konfrontiert. Dabei geht es nicht nur um Blutzuckerkontrollen und die korrekte Gabe oraler Antidiabetika. Vielmehr müssen auch die zahlreichen Komplikationen des Diabetes, von der akuten Stoffwechselentgleisung bis hin zur Neuropathie und diabetischen Fußulcera rechtzeitig erkannt und behandelt werden.

Aktuelle Literaturanalyse
In einer aktuellen Literaturanalyse gingen Theresia Garcia und Sharon Brown von der Krankenpflegeschule der Universitätsklinik von Austin in Texas, USA, der Frage nach, ob das Diabetes-Management in Alten- und Pflegeheimen nach Leitlinien oder nationalen Behandlungsstandards gehandhabt wird. Wenn ja, sollte geprüft werden, ob sich hierdurch das Outcome der Patienten mit Diabetes mellitus langfristig verbessert.

Die Autorinnen suchten mit einer Kombination der Stichworte „Diabetes Management", „Altenpflegeheim", „Outcome" und „Leitlinie" in zehn internationalen Datenbasen für medizinische Literatur nach relevanten Artikeln. Sie fanden zunächst 523 Artikel, die nach Durchsicht der Zusammenfassungen weiter auf 213 Artikel eingeengt werden konnten. Diese Artikel wurden im Detail durchgesehen. Es zeigte sich, dass nur 20 davon sich mit der Fragestellung der Studie beschäftigten und die Anwendung von nationalen und internationalen Leitlinien im Diabetes-Management zum Thema hatten. Diese Arbeiten wurden im Einzelnen analysiert.

Welche Leitlinien gibt es?
Zunächst verschafften sich die Autorinnen einen Überblick, welche Leitlinien für das Management des Diabetes mellitus bei älteren Menschen im Altenpflegeheim überhaupt existieren und welche Vorgaben sie machen. Dabei stellte sich heraus, dass seit 2003 mehrere Leitlinien in den USA veröffentlicht wurden, die sich im Detail an verschiedenen Punkten unterscheiden. Einen Überblick der Empfehlungen zu verschiedenen Fragen wie beispielsweise Häufigkeit der Blutzuckerkontrolle, Messung des HbA1c-Wertes und weiterer Kontrollen gibt Tabelle 1.



Die am weitesten ins Detail gehenden Aussagen dazu machte die 2008 veröffentlichte Leitlinie der American Medical Directors Association, also der Direktoren von Alten- und Langzeitpflegeeinrichtungen. Konkret wurde in dieser Leitlinie beispielsweise festgelegt, dass eine Untersuchung auf minimale Eiweißausscheidung im Harn mindestens einmal jährlich vorgenommen werden muss, wenn der Mikroalbuminwert, geteilt durch den Kreatininwert, < 30 µg/mg beträgt. Diese Empfehlung beruht auf der wissenschaftlichen Erkenntnis, dass die Niere normalerweise nicht für Eiweiß durchlässig ist und somit Eiweißkörper nicht im Harn auftauchen sollten. Tun sie es dennoch, so kann davon ausgegangen werden, dass geringe Schädigungen an den Harnknäuelchen (Glomeruli) vorliegen. Diese Veränderungen korrelieren mit dem Risiko einer peripheren Neuropathie. Ist der Mikroalbuminwert erhöht, muss selbstverständlich ein Neurologe hinzugezogen werden, um eine genaue Untersuchung der Extremitäten auf beginnende Nervenschäden durchzuführen.

Heimen nach Leitlinien vorgegangen?
Die Autorinnen untersuchten die Studien nunmehr dahingehend, ob die Leitlinien-Empfehlungen umgesetzt werden. Die Ergebnisse sind aus Tabelle 2 ersichtlich.



Es ist erkennbar, dass jeweils nur wenige der 20 Studien überhaupt Angaben zu einzelnen Leitlinien-Empfehlungen und deren Umsetzung machten. Immerhin wurden jedoch bei ca. drei Viertel der betreuten Patienten Blutzucker-, Blutdruck- und HbA1c-Kontrollen nach einer der Leitlinienempfehlungen durchgeführt. Sehr gering war allerdings die Anzahl von augenärztlichen Kontrolluntersuchungen bei den Patienten. Offenbar wurde hier auf das Auftreten von Beschwerden (Sehstörungen) gewartet und nicht vorsorglich der Glaskörper beziehungsweise der Augenhintergrund auf das Vorliegen einer diabetischen Glaskörpererkrankung und/oder Retinopathie untersucht.

Keine der analysierten 20 Arbeiten machte Angaben zum klinischen Verlauf der Patienten (Mortalität, Verschlechterung des Diabetes mellitus, Auftreten von Komplikationen) in Abhängigkeit von der Umsetzung der Leitlinien. Aus diesem Grund konnten die Autoren keinen wissenschaftlichen Rückschluss ziehen, ob ein leitlinienkonformes Management die Prognose entscheidend verbessert.

Schlussfolgerung der Autoren
Obwohl in den USA mit der 2008 veröffentlichen Leitlinie der Direktoren von Alten- und Pflegeheimen (AMDA) ein sehr detailliertes Instrument zur Versorgung von Diabetikern zur Verfügung steht, lassen der Bekanntheitsgrad dieses Dokumentes und die Umsetzung offenbar noch zu wünschen übrig. Die Autoren empfehlen mehr Schulungen des Altenheim-Pflegepersonals zu dieser Thematik. Die Leitlinien, insbesondere die aus Sicht der Autoren sehr wertvolle Leitlinie der AMDA, sollten am besten in schriftliche, speziell an das jeweilige Heim und seine Bewohner angepasste hausinterne Pflegerichtlinien übernommen werden. Für jeden Bewohner beziehungsweise Patienten mit Diabetes mellitus sollte anhand einer solchen Leitlinie ein individueller Pflegeplan aufgestellt werden. Die Ergebnisse von Untersuchungen und laborchemische Messwerte (Blutzucker, Blutdruck, Mikroalbuminwert) können in einen Diabetes-Pass eingetragen werden, so dass bei Arztbesuchen stets alle Parameter schnell abrufbar sind.



Leitlinie zu Diagnostik, Therapie und Verlaufskontrolle
In Deutschland sind etwa zwei Drittel aller Diabetiker älter als 65 Jahre. In Altenpflegeheimen sind, genau wie in den USA, etwa 25 Prozent der Heim-Bewohner Diabetiker. In der von der Deutschen Diabetes-Stiftung initiierten ProDial-Studie wurde 1995 die Versorgungssituation dieser Patienten untersucht (www.deutsche-diabetes-stiftung.de). Es stellte sich heraus, dass leider ein großer Teil dieser Patienten in Alten- und Pflegeheimen relativ schlecht versorgt ist. Nur ein Drittel der Heime führen bei der Erstaufnahme Blutzuckermessungen durch. Regelmäßige Blutzuckerkontrollen bei allen Bewohnern wurden nur in jedem vierten Heim vorgenommen. Es gab (und gibt) keine einheitliche Versorgungsstrategie in Bezug auf Ernährung, Stoffwechselkontrolle sowie ärztliche und pflegerische Maßnahmen. Nur sechs Prozent der Patienten hatten jemals eine Diabetes-Schulung erhalten.

Aus diesem Grunde wurde auch für Deutschland, ähnlich wie in den USA, eine „evidenzbasierte Leitlinie zu Diagnostik, Therapie und Verlaufskontrolle des Diabetes mellitus im Alter" erstellt. Herausgeber sind die Deutsche Diabetes Gesellschaft und die Deutsche Gesellschaft für Geriatrie. Zu finden ist diese Leitlinie unter http://diabetesstiftung.de/fileadmin/dds_user/dokumente/Leitlinien04_Alter.pdf.

Die Empfehlungen in dieser Leitlinie sind sehr ähnlich wie diejenigen aus den USA. Beispielsweise wird auch in der deutschen Leitlinie eine einmal jährliche Untersuchung durch einen Augenarzt empfohlen. Ein wesentlich größerer Wert wird auf die Inspektion der Füße gelegt, die nach Auffassung der deutschen Leitlinienautoren alle drei Monate sorgfältig von einem Arzt untersucht werden sollten. Dabei sollte auf Formveränderungen, Hautbeschaffenheit, Fußpulse, Sensibilitätsverlust, Infektionen und Ulzerationen sowie auf die Gehstrecke geachtet werden. Das Schuhwerk sollte ebenfalls überprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Als Grenzwert für den Blutdruck wird in der deutschen Leitlinie ein Wert von 140/80 mm H angegeben. Es lohnt sich also, beide Leitlinien einmal im Vergleich zu studieren und die - insgesamt relativ geringen Unterschiede -  zu bewerten.

In Deutschland können übrigens Pflegefachpersonal in der Altenkrankenpflege auch an Kursen und Schulungen für die spezielle Betreuung von älteren Diabetikern teilnehmen. Ein entsprechendes Kursangebot kann unter www.fodial.de abgerufen werden. Eine Studie, wie viele Alten- und Pflegeheime die deutsche Leitlinie umsetzen, ist allerdings in den letzten Jahren nicht durchgeführt worden. Aus diesem Grund lässt sich für Deutschland leider aktuell nicht sagen, ob sich die Qualität der Versorgung älterer Diabetiker seit der ProDial-Studie verbessert hat.


Quelle:
Garcia TJ, Brown SA. Diabetes management in the nursing home. The Diabetes Educator 2011;37:167-187.

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