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Kongressbericht

15. HygieneDialog: Händedesinfektion oft eine Schwachstelle

Multiresistente Erreger (MRE) waren das Topthema beim 15. HygieneDialog, dem nordhessischen Hygienefachkongress des MRE-Netzwerkes Nord- und Osthessen und des Regionalmanagements NordHessen auf den 12. Kasseler Gesundheitstagen.

 

Die MRE-Problematik gelte weltweit als eine der elementaren Herausforderungen im Gesundheitswesen und neue Antibiotika zur Eindämmung seien nicht in Sicht, sagte Michael Frowein, hessischer Landeskoordinator der MRE-Netzwerke. Darum sei die sektoren- und professionsübergreifende Zusammenarbeit ein wesentliches Mittel im Kampf gegen die Keime. Mit dem hessischen Qualitätssiegel für Pflegeheime und dem Aktionsbündnis „HICARE – Gesundheitsregion Ostseeküste" wurden den Teilehmern des HygieneDialogs Beispiele vorgestellt, wie konsequente Hygienemaßnahmen die Infektion mit MRE niedrig halten können.

Während es im Klinikbereich schon netzübergreifende MRE-Qualitätssiegel gebe, sei dies für Pflegeheime noch nicht der Fall, so Frowein. In Hessen hat deshalb das Zentrum für Gesundheitsschutz des Landesprüfungs- und Untersuchungsamtes für das Gesundheitswesen in Zusammenarbeit mit den vier MRE-Netzwerken im Land ein Siegelverfahren entwickelt, das zwischen 2015 und 2017 landesweit installiert werden soll. Voraussetzung: Die Pflegeheime schließen sich freiwillig dem MRE-Netzwerk ihrer Region an und melden sich zur Teilnahme. Ein Start ist jederzeit möglich. „Netzwerke beruhen auf Freiwilligkeit. Die Zusammenarbeit geschieht auf Augenhöhe und die Mitgliedschaft ist kostenlos", warb Frowein in seinem Vortrag.

Möglichst niederschwelliges MRE-Siegelverfahren
Damit sich möglichst viele Einrichtungen beteiligen, sei das Verfahren bewusst niedrigschwellig konzipiert – also nicht so aufwendig wie Zertifizierungen im Qualitätsmanagement. Nach dem Eintritt in ein Netzwerk beginnt für das teilnehmende Pflegeheim ein vom Netzwerk begleitetes zweijähriges Siegelverfahren an dessen Ende die Auszeichnung mit dem MRE-Qualitätssiegel steht. Mindestens einmal im Jahr nimmt ein Mitarbeiter der Einrichtung – es muss nicht immer derselbe sein – an einer Informationsveranstaltung des Netzwerkes teil und berichtet anschließend seinen Kollegen über den aktuellen Wissenstand.

Im Pflegeheim selbst ist ein fester Ansprechpartner - zum Beispiel Hygienebeauftragter - für das Verfahren zu bestimmen. Regelmäßige interne Fortbildungen für alle Mitarbeiter in den Bewohnerbereichen gehören zum Zertifizierungsprogramm. Wobei die Einrichtungen die Fortbildungen und anderen Maßnahmen auf die Verhältnisse vor Ort anpassen. „Es soll in jedem Fall möglich sein, das Verfahren dem Alltag der Einrichtung entsprechend zu gestalten", betonte Frowein. Jede Einrichtung muss einen Hygieneplan mit Maßnahmen gegen MRSA und entsprechend den KRINKO-Empfehlungen (Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention des Robert Koch Instituts) erarbeiten. Besonderes Augenmerk liegt auf der Händehygiene. „Sie ist meist die Schwachstelle", stellte Frowein fest, bei richtiger Durchführung könne sie umgekehrt ein wichtiger Baustein für die Verringerung der Keimbelastung sein.

Die Kontrolle, ob die Kriterien und Forderungen des Qualitätssiegels erfüllt werden, liegt bei den örtlich zuständigen Gesundheitsämtern. Sie bewahren auch die Unterlagen über die Zertifizierung auf. Schließlich bestätigt der Netzwerkkoordinator das erfolgreich durchlaufene Verfahren. In einer öffentlichen Veranstaltung wird das Siegel erteilt. Damit erführen die Pflegeheime öffentliche Aufmerksamkeit und Werbung. Und mit der Umsetzung der MRE-Hygieneregeln trügen die Einrichtungen zur Verbesserung der Lebensqualität ihrer Bewohner bei, erläuterte Frowein.

MRSA-Sanierung bringt immer eine Verbesserung
In ihrem Vortrag über die „Prävalenz und Risikofaktoren in Pflegeheimen und in der ambulanten Pflege" wies Dorothea Nillius, Projektkoordinatorin des MRSAarNet (Saarland) auf die Faktoren hin, die das Risiko einer MRSA-Infektion erhöhen: mehrfach erfolgte MRSA-Sanierung, Harnblasenkatheter und Ulcus cruris/tiefe Weichteilinfektion. Ein vorheriger Krankenhausaufenthalt jedoch, die Einnahme von Antibiotika oder eine hohe Anzahl von Bewohnern in einem Heim seien keine Risikofaktoren. Eine Studie im Saarland, in der die teilnehmenden Heime nach einem Sanierungsplan mit gestelltem Material MRSA-Patienten sanierten, lag die Erfolgsquote bei 30 Prozent. Dennoch ermunterte Nillius, „es in jedem Fall zu versuchen. Selbst wenn die Sanierung nicht erfolgreich ist, ist die Keimlast deutlich reduziert."

Händedesinfektion: A und O im Kampf gegen Keime
„MRSA-Keime fliegen nicht, hüpfen nicht, krabbeln nicht, bohren nicht": So begann Hygienemanagerin Ulrike Ochsen ihre Erläuterung über die Übertragungswege. Immer wieder wies Ocksen in ihrem Referat „MRE-Hygienemanagement in Pflegeheimen" darauf hin, dass die Händehygiene, speziell die Händedesinfektion „die wichtigste Maßnahme" gegen die Verbreitung von MRSA sei. Nicht nur die Heimmitarbeiter,sondern auch die Bewohner sollten sich die Hände desinfizieren – 30 Sekunden, so lang wie einmal „Happy Birthday"-Singen. Würden die Standardhygienemaßnahmen eingehalten, könne in vielen Fällen auf die Isolierung eines MRSA-Patienten verzichtet werden. Die psychische Belastung durch die Isolierung dürfe nicht vernachlässigt werden. Habe der Zimmernachbar allerdings eine offene Wunde, sei eine Verlegung angezeigt. Schutzkleidung sei ein weiterer wichtiger Hygienefaktor. Bei Menschen mit Demenz solle allerdings darauf verzichtet und nur Einmalhandschuhe getragen werden. Ergänzend gehöre die Flächendesinfektion zwingend zum Maßnahmenkatalog, der auch im Hygieneplan festzuhalten sei.

Mit HICARE stellte Gudrun Meernitz ein Projekt vor, das mit 8,5 Millionen Euro vom Bund und vom Land Mecklenburg-Vorpommern gefördert wurde (2010 bis 2015; Gesamtbudget 16 Mio. Euro). In der Modellregion Ostseeküste wurde untersucht, wie multiresistente Erreger eingedämmt werden können. Gemeinsam mit den vier Universitäten, zahlreichen Kliniken, Unternehmen, Ärztenetzen, Krankenkassen und anderen. Ziel war es, Interventionsstrategien sowie Hygienezertifikate für Produkte und Prozesse zu entwickeln. Die genauen Ergebnisse werden 2015/2016 veröffentlicht. Auch Meernitz betonte wie ihre Vorredner, dass angesichts fehlender neuer Antibiotika Hygiene die einzige Chance gegen multiresistente Keime sei.

Sinnvolles Screening
Ähnlich schilderte es auch Stefan Herget-Rosenthal, Chefarzt der medizinischen Klinik und ärztlicher Geschäftsführer des Rotes Kreuz Krankenhauses Bremen. In einem Pilotprojekt screente die Klinik Patienten, die zu einer geplanten OP für ein künstliches Kniegelenk oder eine Gefäßprothese kommen sollten. MRSA-besiedelte Patienten wurden angeleitet, vor der Operation zuhause eine Sanierung durchzuführen, um postoperative MRSA-Infektionen zu vermeiden. Die Komplikationsrate sei gesunken, das Screening fest in die Klinikabläufe integriert. „Es ist fast ein Werbefaktor: Wir kümmern uns schon vor der Operation um unsere Patienten".

Privatdozent Andreas Bastian, Chefarzt für Pneumologie am Marienkrankenhaus in Kassel dagegen berichtete, dass nicht alle Patienten positiv vom generellen Screening an seiner Klinik angetan seien. Manche seien verärgert, dass eine MRSA-Sanierung die Verschiebung ihres OP-Termins notwendig mache. Insgesamt habe sich die erhöhte Aufmerksamkeit gegenüber MRE jedoch mit einer niedrigeren Komplikationsrate ausgezahlt. Zwar bringe das Screening zunächst Mehrkosten für die Klinik, an anderer Stelle seien jedoch Erlöse erzielt worden. Ziel sei es, den Kostenaufwand für das Screening zu reduzieren, eventuell indem man Risikogruppen definiere und nur noch diese auf MRE hin untersuche.

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