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Arthritis oder Arthrose?

Oftmals wird im Alltag nur noch von „Rheuma" gesprochen, wenn Patienten unter schmerzenden Gelenken leiden. Wichtig für die Behandlung und pflegerische Betreuung ist aber, die Art der rheumatischen Erkrankung zu unterscheiden. Handelt es sich um Rheumatoide Arthritis, eine schwere chronisch-entzündliche Krankheit des Bindegewebes, die relativ häufig vorkommt, oder um Arthrose als abnutzungsbedingte Erkrankung?

Rheuma als Sammelbegriff
Die Rheumatoide Arthritis (frühere Bezeichnung: chronische Polyarthritis) ist die häufigste und gleichzeitig bekannteste entzündlich-rheumatische Erkrankung. Die Ursachen sind bisher nur unvollständig geklärt. Möglicherweise führen Infektionen bei entsprechender genetischer Veranlagung zu einer Fehlsteuerung der Immunabwehr. Es bilden sich Immunzellen und Abwehrstoffe, die die Gelenke angreifen. Die ständige Entzündung in den Geweben regt das Gewebe an zu wuchern und zerstört auf Dauer Knorpel und Gelenke. Im Gegensatz zur Arthritis geht eine Arthrose auf abnutzungsbedingte Krankheiten der Gelenke zurück, verläuft ohne Fieber und Schwellungen der Gelenke sind sehr selten.


Der Beginn ist oft schleichend
Häufig ähnelt eine beginnende Rheumatoide Arthritis (RA) einer Grippe. Erst später schwellen die Gelenke an und sind morgens nach dem Aufstehen steif und unbeweglich. Zunächst sind die Hand- und Fingergelenke betroffen. Später treten größere Gelenke und eventuell die Wirbelsäule hinzu. Typisch ist ein symmetrischer Befall der Gelenke beider Körperhälften. Die Gelenke sind überwärmt, empfindlich bei Druckschmerz und bewegungseingeschränkt. Außerdem sind die Gelenke geschwollen.
Die Blutuntersuchung ergibt positive Entzündungszeichen. So ist beispielsweise die Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit (BSG) erhöht. Rheumafaktoren (Autoantikörper gegen körpereigene IgG-Moleküle) sind hingegen nur bei 80 Prozent der Erkrankten nachweisbar, gelegentlich auch bei gesunden Menschen.
Die Zerstörung von Gelenken, Bändern und Sehnen hat langfristig typische Fehlstellungen zur Folge, wie beispielsweise ein Umknicken der Finger in Richtung Handaußenkante durch Verschiebung der Gelenkflächen der Fingergrundgelenke. Auffällig, aber harmlos, sind die so genannten Rheumaknoten: harte, unter der Haut liegende Knoten in Gelenknähe. Noch vor zehn Jahren glaubte man, dass die Rheumatoide Arthritis nicht tödlich sei. Heute dagegen ist sicher, dass sie die Lebenserwartung verringern kann.

Welche Medikamente sind geeignet?
Doch das Fortschreiten der Erkrankung lässt sich verlangsamen, manchmal sogar gänzlich verhindern. Heute weiß man, dass hierzu eine frühzeitige Therapie gegen die Entzündung sehr wichtig ist. Während so genannte Basismedikamente und Biologika die Zerstörung der Gelenke aufhalten, bekämpfen nichtsteroidale Antirheumatika und Glucocorticoide Schmerzen und Entzündung besonders wirksam und werden in Phasen gesteigerter entzündlicher Aktivität gegeben. Heute gilt als Standard, dass in der frühen Krankheitsphase die Basistherapie mit einem niedrig dosiertem Glucocorticoid kombiniert wird, welches sofort eine Zerstörung aufhält und später bei guter Einstellung ausschleichend abgesetzt werden kann.

Basistherapeutika unterdrücken die autoaggressiven Immunreaktionen. Der frühzeitige Beginn einer medikamentösen Therapie mit Basistherapeutika – möglichst innerhalb der ersten sechs Monate nach Auftreten der ers-ten Symptome – hat sich bereits seit Längerem durchgesetzt (5). Als Startsubstanz wird in der Regel Methotrexat (MTX) eingesetzt (6). Zwar hat MTX bei etwa der Hälfte der Patienten einen guten therapeutischen Erfolg, doch führt es oft zu schweren Nebenwirkungen (1). Klagt Ihr Patient über Übelkeit und Erbrechen, kann dies durch MTX verursacht werden. Zudem können Hautausschläge auftreten und die Mundschleimhaut kann sich entzünden. Schwerwiegende Nebenwirkungen sind eine Schädigung des Knochenmarks, eine vermehrte Infektanfälligkeit oder eine Leberzirrhose.
Daher darf Ihr Patient keinen Alkohol trinken und muss regelmäßig untersucht werden (6). Gelingt es nicht, mit MTX eine Remission zu erreichen, muss MTX mit anderen Basistherapeutika kombiniert werden.
Kommt die Erkrankung auch mit mehreren Basistherapeutika nicht zum Stillstand, werden Biologika eingesetzt (2). TNF-Blocker binden einen Botenstoff, der zerstörerische Abwehrzellen in den Gelenken aktiviert. Unerwünschte Wirkungen der Medikamente sind Überempfindlichkeitsreaktionen bis hin zum anaphylaktischen Schock sowie eine erhöhte Infektanfälligkeit.

Aber auch die TNF-Blocker bieten nicht für alle Patienten die „definitive" therapeutische Lösung. Etwa 20–30 Prozent der mit diesen Substanzen behandelten Patienten sprechen von vornherein nicht optimal an, ein kleiner Teil reagiert mit Nebenwirkungen oder hat Kontraindikationen für diese Therapie. Dazu kommt es bei manchen Patienten zu einem späteren Wirkverlust. Es stehen jedoch Biologika mit anderen Wirkmechanismen zur Verfügung. Abatacept ist in Deutschland für die Behandlung von RA-Patienten zugelassen, die nicht ausreichend auf TNF-Blocker ansprechen oder diese Therapie nicht vertragen. Ohne TNFBlockade gelingt es Abatacept, die zerstörerische Aktivität der Immunzellen zu unterbinden. Ein Vorteil von Abatacept ist seine gute Verträglichkeit. Zu beachten ist jedoch ein leicht erhöhtes Infektionsrisiko (3). Daher darf Abatacept nicht zusammen mit anderen Biologika gegeben werden.

Von höchster Bedeutung: viel Bewegung
Bei längerem Ruhen versteifen die Gelenke. Langfristig kommt es zu Kontrakturen. Deshalb sollte sich Ihr Patient möglichst viel bewegen. Insbesondere eine sanfte Sportart wie das Schwim-men sorgt dafür, dass die Gelenke beweglich bleiben.
Alle physiotherapeutischen Maßnahmen sollten so geplant sein, dass sie zeitlich mit der größtmöglichen Bewegungsfähigkeit des Patienten zusammenfallen. Wegen der Morgensteifigkeit sollten die Übungen nicht zu früh begonnen werden. Leidet Ihr Patient unter Schmerzen, müssen Sie ihm vorher ein Schmerzmittel geben.
Von Vorteil ist auch, wenn Ihr Patient die Rheumamedikamente schon sehr früh am Morgen einnimmt. Nach etwa einer Stunde hat sich die Beweglichkeit meist schon deutlich verbessert. Sie sollten darauf achten, dass Ihr Patient die Medikamente nicht nüchtern einnimmt, da es ansonsten zu einer Magenschleimhautentzündung kommen kann. Als Alternative können am späten Abend Suppositorien gegeben werden.
Kontrakturen können durch richtige Positionsunterstützung sowie aktives und passives Durchbewegen der Gelenke verhindert werden. Die betroffenen Gelenke müssen geschützt werden. Dem Patienten müssen geeignete Hilfsmittel zur Verfügung gestellt werden, wie Unterarmstützen. Diese Hilfsmittel sollten sich immer in Reichweite des Patienten befinden. Sagen Sie Ihrem Patienten, dass er sich nicht ruckartig oder abrupt bewegen soll. Ein Dreh oder Pinzettengriff kann zu einer übermäßigen Belastungder Hand- und Fingergelenke führen.

Was der Betroffene sonst noch tun kann
Wichtig ist es, auf eine calciumreiche Ernährung zu achten und Zink und Antioxidanzien wie Vitamin E und Selen zu sich zu nehmen. Gut sind deshalb reichlich Milchprodukte, die vor allem Calcium liefern. Weizenkeimöl und Haselnüsse enthalten viel Vitamin E. Schalentiere, Fisch und Hülsenfrüchte sind reich an Selen. In Weizenkleie und -vollkornflocken befindet sich Zink.
Übergewicht belastet die Gelenke. Ihr Patient darf jedoch nicht allzu schnell abnehmen: Da der Körper durch die chronische Entzündung ohnehin geschwächt ist, ist eine radikale Fastenkur gefährlich.
Sehr schädlich ist auch das Rauchen: Es verdoppelt das Risiko, eine Rheumatoide Arthritis zu bekommen und verschlimmert den Krankheitsverlauf.

Hilfen zur Bewältigung des Alltags
Griffverlängerungen oder -verdickungen an Kamm, Zahnbürste und Rasierapparat helfen dem Patienten bei der Körperpflege. Eventuell kann eine elektrische Zahnbürste nützlich sein. Der Erkrankte darf Waschlappen nicht mit Drehbewegungen auswringen, da dies seine Hand- und Fingergelenke belastet. Bei einer Langzeittherapie mit Cortison sind eine besonders sorgfältige Hautpflege und das Vermeiden von Verletzungen wichtig. Pflegekräfte sollten in dieser Zeit möglichst wenig Pflaster benutzen und eine besonders sorgfältige Dekubitusprophylaxe vornehmen (4).
Klettverschlüsse an Kleidung und Schuhen sind leichter zu öffnen als Knöpfe oder Reißverschlüsse. Da bei Rheumatoider Arthritis die Sturzgefahr erhöht ist, sind rutschfeste Sohlen unbedingt notwendig. Blusen und Nachthemden sollten vorne lange Verschlüsse haben, sodass sie mühelos über den Kopf zu ziehen sind (4).
Patienten, bei denen die Hände mitbefallen sind, haben meist Schwierigkeiten beim Essen und Trinken und benötigen geeignete Hilfsmittel wie Messer und Gabel mit Griffverdickungen. Weisen Sie Ihren Patienten darauf hin, Becher zu benutzen und mit beiden Händen zu greifen. Da das Öffnen von Flaschen die Gelenke sehr stark belastet, übernehmen Sie dies für Ihren Patienten. Fragen Sie ihn auch, ob etwas auf- bzw. kleingeschnitten werden soll (4).
Den Betroffenen sollte Mut gemacht und zu verstehen gegeben werden, dass die Rheumatoide Arthritis eine Erkrankung ist, die in den Griff zu bekommen ist. Wichtig ist, dass Ihr Patient die Hoffnung niemals aufgibt und aktiv mitmacht.

Literatur:
(1) Bologma, C., et al., Longterm follow-up of 453 rheumatoid arthritis patients with methotrexate: an open, retrospective, observational study. Br. J. Rheumatol. 36 (1997) 535–540.
(2) Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie, Empfehlungen für die medikamentöse Therapie,
http://www.dgrh.de/991.html, 2008.
(3) Kremer J. M., et al., Effects of Abatacept in Patients with Methotrexate-Resistant Active Rheumatoid Arthritis. A Randomized Trial. Annals of Internal Medicine 144 (2006) 865–876.
(4) Menche, N.: Pflege heute. Lehrbuch für Pflegeberufe. Elsevier, Urban & Fischer, München, Jena, 4. Auflage, 2007.
(5) Tsakonas, E., et al., The consequences of delayed therapy with second line agents in rheumatoid arthritis: A three year followup on the Hydroxychloroquine in early rheumatoid arthritis (HERA) study, Journal of Rheumatology 27 (3) (2000) 623–629.
(6) Willburger, R. E., Müller, K., Knorth, H.: Pharmakologische Therapie der rheumatoiden Arthritis, Deutsch. Ärztebl. 1–2 (2006) A 48–A57.





 

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