Sehstörungen betreffen etwa 30 Prozent aller älteren Menschen. Ist Ihr Patient sehbehindert, sollten Sie ihm effektive Lösungen zur Bewältigung seines Alltagslebens anbieten. Meist liegt den Sehstörungen eine alterungsbedingte Veränderung des Auges zugrunde – beispielsweise eine Trübung der Augenlinse (eine Katarakt oder „Grauer Star"), ein erhöhter Augeninnendruck (Glaukom oder „Grüner Star") oder eine Veränderung, bei der die Netzhautzellen an der Stelle des schärfsten Sehens allmählich untergehen und aufhören zu funktionieren.
Hoher Augeninnendruck zerstört Sehnerv
Ist der Druck im Inneren des Auges erhöht, wird langfristig der Sehnerv zerstört (Abb. 1). Sterben seine Fasern ab, verkleinert sich der mit den unbewegten Augen wahrnehmbare Teil des Raums – das Gesichtsfeld – vom Rand her immer mehr. Der zerstörerische Prozess verursacht keine Schmerzen und fällt dem Patienten oftmals zu Anfang gar nicht auf. Schließlich kommt es auch zu Einschränkungen im Zentrum des Gesichtsfeldes und zur Erblindung.
Durchblutungsstörungen der Netzhaut können chronisch oder akut auftreten. Bei chronischem Verlauf verschlechtert sich das Sehvermögen des Patienten immer mehr. Eine Vielzahl von Erkrankungen kann zugrunde liegen – beispielsweise eine Arteriosklerose oder ein Diabetes. Die diabetische Retinopathie ist eine gefürchtete Komplikation des Diabetes, die zur Erblindung führen kann.
Bei akuten Durchblutungsstörungen kann es plötzlich zu einer Erblindung eines Auges kommen. In weniger schlimmen Fällen verschlechtert sich das Sehvermögen abrupt. Auch Ausfälle des Gesichtsfeldes sind möglich. Dann sieht Ihr Patient schwarze Flecken – meist nur auf einem Auge.
Häufigste Ursache für starke Einschränkungen des Sehens im höheren Alter ist die Makula-Degeneration. Die Makula ist die Stelle des schärfsten Sehens auf der Netzhaut. Ihr Patient bemerkt ein Verzerrtsein gerade dort, wohin er seine Aufmerksamkeit richtet (Abb. 2).
Gerade Linien erscheinen ihm wellenförmig. Später kommen Gesichtsfeldausfälle hinzu. Einige Sehstörungen können durch Medikamente, andere durch eine Brille oder einen operativen Eingriff behandelt werden. Nicht immer kann die Sehkraft vollständig wiederhergestellt oder eine Erblindung verhindert werden (4, 5).
Selbstständigkeit bewahren
Wie lassen sich schwere Sehstörungen mit „erfolgreichem Altern" vereinbaren? Erfolgreich alt zu werden bedeutet für die Mehrzahl der Menschen, frei und unabhängig zu sein und über das eigene Leben selbst bestimmen zu können. Von großer Bedeutung ist es, in den eigenen vier Wänden bleiben zu können. Ein Umzug hat den Verlust des sozialen Umfeldes zur Folge und bedeutet für viele Trauma und Stress. Dies zu vermeiden sollte ein Ziel der Pflege sein. Es bedeutet eine große Herausforderung (1).
So früh wie möglich: Rehamaßnahmen
Es ist sehr wichtig, das Rehabilitationsangebot so früh wie möglich in Anspruch zu nehmen. Der Zeitpunkt, an dem die Rehabili
tation beginnt, entscheidet oftmals darüber, ob Ihr Patient trotz seiner starken Sehstörung sein Leben in den Griff bekommt.Ihr Patient darf sich noch nicht selbst aufgegeben haben. Ermutigen Sie ihn immer wieder und geben Sie ihm die Kraft zu kämpfen. Er muss bereit sein, Neues zu lernen und Möglichkeiten kennenzulernen, die ihn in die Lage versetzen, sein eigenes Leben zu leben. Auskünfte über das Rehabilitationsangebot geben Krankenkassen, örtliche Selbsthilfevereinigungen, Augenärzte oder Rehabilitationslehrer für Blinde (1).
Ist das Sehvermögen nur mäßig eingeschränkt, ist die Brille zumeist eines der wichtigsten Hilfsmittel. Weniger auffällig als die Brille sind Kontaktlinsen, die unmittelbar auf der Hornhaut aufliegen. Es ist jedoch eine sorgfältige Pflege notwendig, und oftmals kommen ältere Menschen nicht gut mit den Linsen zurecht.
Ist das Sehvermögen Ihres Patienten hingegen stark eingeschränkt oder ist er gar blind, so sollte er lernen, mit einem Blindenstock umzugehen. Elektronische Blindenstöcke erfassen Hindernisse in einem Abstand von mehreren Metern und geben die Informationen per Ton wieder. Ein Blindenführhund „im Dienst" ist an seinem weißen Führgeschirr erkennbar. Gut ausgebildete Blindenführhunde ermöglichen ihren Haltern ein hohes Maß an Mobilität, Sicherheit und Unabhängigkeit.
Mithilfe der Braille-Schrift können Blinde lesen. Die Schrift basiert auf Punktmustern, die von hinten in Papierseiten gepresst sind, sodass sie als Erhöhung ertastet werden können. Verschiedene Geräte können an den Computer oder an die Schreibmaschine angeschlossen werden. Sie wandeln das Geschriebene in die Braille-Schrift um oder lassen den Blinden hören, was er geschrieben hat.
In Hörbibliotheken gibt es Bücher und Zeitschriften auf CDs. Am Computer kann der Blinde die Texte hören (3).
Kommunikation mit blinden Patienten
Sie sollten immer daran denken, dass ein blinder Patient Sie nicht sehen kann und daher seine Kommunikationsmöglichkeiten eingeschränkt sind. Ihr Ziel sollte es sein, den Kontakt zu Ihrem Patienten zu bewahren und ihn vor Rückzug und Vereinsamung zu schützen. Bieten Sie Ihrem Patienten eventuell an, ihr Gesicht abzutasten. So vermitteln Sie ihm eine Vorstellung davon, wer ihn pflegt.
Sagen Sie Ihrem Patienten, wenn Sie angekommen sind, und teilen Sie ihm mit, wenn Sie die Wohnung wieder verlassen. Alles in der Wohnung muss seinen festen Platz haben. Öffnen Sie niemals die Post Ihres Patienten, ohne ihn vorher gefragt zu haben. Nennen Sie zuerst den Absender, sodass Ihr Patient entscheiden kann, ob Sie den Inhalt vorlesen dürfen. Bedenken Sie, dass der Inhalt der Schweigepflicht unterliegt.
Körperpflege und äußeres Erscheinungsbild sind ein Teil der Persönlichkeit. Fragen Sie den Patienten, welche Kleidung er tragen und wie er frisiert werden möchte.
Insbesondere Patienten mit einer noch nicht lange bestehenden Sehbehinderung haben häufig die Lust zu essen verloren. Sie sehen die Köstlichkeiten nicht und die Nahrungsaufnahme ist mit Schwierigkeiten verbunden. Fragen Sie Ihren Patienten, was ihm schmeckt, und bereiten Sie das Essen wunschgemäß zu. Beschreiben Sie die Anordnung der Speisen. Füllen Sie Gläser und Tassen nicht ganz und wählen Sie große Teller (3).
Verletzungsgefahr verringern
Sie können die Verletzungsgefahr Ihres Patienten verringern. Sorgen Sie für eine ausreichende Beleuchtung. In der Wohnung sollten Türrahmen, Griffleisten und Haltegriffe farblich markiert werden. Beschreiben Sie Ihrem Patienten höchst präzise, wo sich die Dinge in seiner Wohnung befinden. Gehen Sie immer wieder mit ihm durch die Zimmer und lassen sie ihn alle wichtigen Gegenstände ertasten. Sinnvoll ist es, bewegliche Sachen fest zu positionieren.
Sorgen Sie dafür, dass Ihr Patient sich ausreichend bewegt. Lassen Sie ihn vorher festes Schuhwerk anziehen. Wichtig für Ihren Patienten ist es, die Arme leicht angewinkelt vorzustrecken. So kann er sich bei einem Sturz auffangen (3).
Trotz Blindheit optimistisch bleiben
Vergessen Sie nie: Trotz Blindheit sollte Ihr Patient seine Lebensfreude bewahren. Sprechen Sie mit ihm oder lesen Sie ihm vor. Stellen Sie das Radio an und ermöglichen Sie ihm, Kassetten oder CDs zu hören. Fördern Sie seine Kontakte und beziehen Sie hierbei Angehörige und Verwandte mit ein. Machen Sie Ihrem Patienten immer wieder Mut: Ein selbstständiges Leben ist trotz Blindheit möglich.
Literatur:
(1) Cory, P.: Frühzeitige Rehabilitations
angebote für Ältere, In: Low Vision Stiftung, News, November 2005, S. 8–9, www.lowvision-stiftung.de/bilder/pdf/1105 Newsletter.pdf.
(2) Kampmann, S., Orthoptistinnen: Low Vision – Mein Netzwerk, 37. Interdisziplinärer Zentralkongress der Bundesärztekammer für die Fachberufe im Gesundheitswesen, 18. bis 19. Oktober 2008, Zeughaus Augsburg.
(3) Menche, N.: Pflege Heute, Elsevier Urban & Fischer, München, Jena, 2007.
(4) Müller, A.: Sehstörungen im Alter, 99. Augsburger Seminarkongress, 18. bis 19. Oktober 2008, Zeughaus Augsburg.
(5) Visilab: Gut sehen im Alter, http://www. visilab.ch/d/dossiers/age_vue.html, 2008.